In meinem Herzen nur du. Katharina Burkhardt
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Читать онлайн книгу In meinem Herzen nur du - Katharina Burkhardt страница 6
»Hinnerk Peters?« Seine Mutter runzelte die Stirn. »Der Sohn von Heinrich Peters? Was hast du mit dem zu schaffen? Der ist doch viel älter als du.«
»Ich bin nur zufällig vorbeigekommen, als ich auf dem Rückweg vom Milchmann war.« Finn verstrickte sich immer mehr in seiner Lügengeschichte.
»Vom Milchmann?« Seine Mutter wirkte kein bisschen überzeugt. »Der liegt doch gar nicht auf dem Weg zum Petershof.«
Finn überlegte fieberhaft, wie er die Geschichte glaubwürdiger machen konnte, als sein Vater in der Tür erschien. Ole Janssens Gang war unsicher und sein Blick verschwommen. Mit schwerer Zunge fragte er: »Was ist los hier? Warst du etwa auf dem Petershof?«
Finn schüttelte entsetzt den Kopf. »Nein«, sagte er hastig. »Ich bin nur an der Weide vorbeibekommen.«
»Ich hab dem Jungen verboten, sich auf dem Hof rumzutreiben«, sagte sein Vater.
Er schwankte heftig und musste sich am Türrahmen festhalten. Finn sah seiner Mutter an, dass sie genauso entsetzt war wie er. Es war noch keine vier Uhr nachmittags und sein Vater bereits sturzbetrunken. Seit geraumer Zeit wurde es immer schlimmer mit seiner Sauferei.
»Finn war auch nicht auf dem Hof«, murmelte sie und verbarg die Kleidungsstücke hinter ihrem Rücken.
»Was hastn da?« Der Blick von Finns Vater wurde misstrauisch.
»Schmutzige Wäsche.« Sie versuchte, sich an ihm vorbeizuschieben, ohne ihn anzusehen. »Ich muss wieder runter in den Waschkeller.«
»Und warum versteckst du die Sachen vor mir?« So betrunken Ole Janssen auch war, er bekam doch noch genau mit, was um ihn herum geschah. »Zeig mal her!« Er streckte eine Hand aus.
»Was soll das, Ole?« Annemarie Janssens Stimme zitterte. »Es ist eine schmutzige Hose, nichts weiter. Und ein Pullover.«
»Zeig mir, was du da hast!« Ole Janssen packte ihren Arm und riss ihn nach vorne. Finns Mutter schrie auf vor Schmerz.
»Nicht, Papa, du tust ihr doch weh!«, rief Finn.
Sein Vater reagierte nicht. Er entwand seiner Frau den Pulli und schnüffelte daran.
»Dachte ich’s mir doch!« Seine Stimme wurde zu einem gefährlichen Knurren. »Ihr habt mich angelogen. Alle beide.«
»Ich hab doch gesagt, dass ich bei der Weide vorbeigekommen bin«, rief Finn verzweifelt. »Da habe ich die Pferde angefasst. Durch den Zaun.«
»Ach, und wie kommen die ganzen Haare hier auf den Pullover? Die sind durch den Zaun hindurchgeflogen, oder was?«
Es lag etwas Gehässiges im Blick seines Vaters, als wolle er Finn bewusst quälen.
»Er saß nur mal kurz drauf, als Hinnerk das Pony von der Weide geführt hat«, sagte Annemarie Janssen, aber die Zweifel über die Richtigkeit dieser Geschichte waren ihr deutlich anzuhören.
»Ach.« Ole Janssen starrte sie aus wässrigen Augen an. »Eben hat er noch gesagt, er hätte sie nur angefasst.« Er schlug so heftig auf den Küchentisch, dass das Geschirr klirrte, das darauf stand. »Ich hasse es, wenn du mich anlügst, Anne.« Er hob drohend die Hand.
»Nicht!«, schrie Finn und sprang zwischen seine Eltern. »Nicht schlagen, Papa, bitte nicht schlagen. Ich tu es auch nie wieder.«
Sein Vater fuhr herum, schwer atmend und mit fahrigen Bewegungen. »Du verlogener Bengel, ich werd dir das Lügen schon noch austreiben.« Er ohrfeigte Finn so heftig, dass dessen Kopf gegen den Küchenschrank schlug. Benommen ging Finn zu Boden. Seine Mutter schrie auf, sein Vater brüllte, dann war Stille.
Finn hockte weinend auf den Fliesen, bis seine Mutter sich zu ihm beugte und ihm ein nasses Handtuch an den schmerzenden Kopf hielt.
»Was ist denn nur los mit dir, Finn?« Sie klang erschöpft. »Wenn der Papa dir was verbietet, darfst du es doch nicht heimlich machen. Hast ja gesehen, was dabei herauskommt.«
Finn schluchzte. »Ich würde aber so gerne reiten.«
»Ach, Finn.« Seine Mutter fuhr ihm mit einer müden Geste durch die Haare. »Ich würde auch alles Mögliche gern machen. Das geht aber nicht.«
»Warum denn nicht?«
»Weil nicht alle Wünsche in unserem Leben in Erfüllung gehen. Genau genommen die wenigsten.«
Greta konnte es kaum erwarten, Mareike endlich wiederzusehen. Dummerweise waren die Springers erst in Urlaub gefahren, als die Bubendeys schon wiederkamen, und so hatten sie sich tatsächlich beinah die ganzen Sommerferien über nicht gesehen.
Gretas Familie wohnte mitten in der Altstadt, in einem Backsteinhaus mit einem winzigen Vorgarten, in dem sich Spalierrosen an der Hauswand emporrankten, und einem hinteren Garten, in dem zwei Apfelbäume standen und in einem umzäunten Beet Dahlien in allen Farben blühten. In einer Ecke neben dem Schuppen gab es eine Schaukel und daneben eine verwaiste Sandkiste, die allmählich von Himbeeren überwuchert wurde. Selbst die achtjährige Julia hatte mittlerweile keine Lust mehr, im Sand zu buddeln.
Gretas Zimmer lag im ersten Stock unter einer Dachschräge. Aus einem Dachfenster blickte sie hinaus in den Garten. Wenn sie auf ihrem Bett lag, sah sie nur den Himmel, und als sie kleiner gewesen war, hatte sie viele Stunden damit zugebracht, Figuren in den Wolken zu entdecken. Jetzt saß sie an ihrem Schreibtisch und klebte Urlaubsfotos in ein Fotoalbum – Erinnerungen an die dänische Dünenlandschaft und ihr reetgedecktes Ferienhaus, in dem sie die letzten Wochen verbracht hatten. Julia hockte auf Gretas Bett, im Kassettenrekorder lief ein Hörspiel von Hanni und Nanni.
Greta klappte das Fotoalbum zu.
»Gehen wir jetzt baden?«, fragte Julia und hüpfte vom Bett.
»Nein. Ich fahre zu Mareike, die ist seit gestern Abend wieder zu Hause.«
Julias pausbäckiges Gesicht verzog sich vor Enttäuschung, und einen Moment lang tat es Greta leid, dass sie ihre Schwester alleine ließ. Früher hatten sie viel mehr zusammen gespielt. Doch seit Greta auf dem Gymnasium war, fand sie Julias Spiele immer häufiger langweilig und kindisch.
»Aber du hast es mir versprochen«, maulte Julia und fasste nach ihren Haaren, die sie in einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte. Sie schlang sich eine Strähne um die Hand, als wolle sie sich daran festhalten.
Greta stand auf. »Ich habe gesagt, ich komme vielleicht mit, falls Mareike heute noch keine Zeit hat.« Sie ging die Treppe hinunter und zog ihre Sandalen an. Julia folgte ihr. »Was ist mit deinen Freundinnen? Wollen die alle nicht baden?«
»Doch. Aber ich wollte lieber mit dir gehen.« Julia schob ihre Unterlippe vor.
»Morgen vielleicht, ja?«
»Vielleicht, vielleicht, vielleicht«, murmelte Julia geknickt und verschwand im hinteren Teil des Hauses.
Greta verabschiedete sich von ihrer Mutter und machte sich auf den Weg zu Mareike. Die Familie Springer lebte etwas außerhalb, umgeben von Wiesen und Feldern. Greta