Das Doppelkonzert. Arnulf Meyer-Piening

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Das Doppelkonzert - Arnulf Meyer-Piening

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leidet unter einer chronischen Nieren-Insuffizienz.

      - Das ist eine heimtückische Krankheit. Warum wendet er sich nicht an seine Schwester oder an seine Tochter?

      - Er versteht sich nicht besonders mit seiner Schwester. Er fürchtet, dass sie ihm nicht wirklich helfen würde. Ich glaube, er fürchtet sogar, dass sie in Wirklichkeit sein Ableben herbeisehnt. Er misstraut ihr. Und seine Tochter ist weit weg und kommt nur selten nach Deutschland.

      - Kannst du ihm helfen?

      - Ich glaube schon. Er leidet oft unter Müdigkeit, Konzentrationsschwäche, Atemnot, Ödemen und Schmerzen. Ich helfe ihm, so gut ich es kann. Zudem habe ich das Gefühl, dass er auch in seiner Firma Hilfe gebrauchen könnte. Es wäre mir recht, wenn du dort Fußfassen könntest.

      - Ich will versuchen, sein Vertrauen zu gewinnen.

      - Du solltest auch seine Schwester Ingrid kennenlernen. Sie ist die graue Eminenz im Hintergrund und spinnt die Fäden in der Familie.

      - Was macht sie?

      - Sie leitet das Elisabeth Krankenhaus. Es gehört zu der Sämann-Gruppe. An der Gruppe ist sie mit einem Drittel des Grundkapitals als Kommanditistin beteiligt.

      - Das ist ein maßgeblicher Anteil. Was ist sie für ein Typ?

      - Sie tritt betont jugendlich auf. Des Öfteren trägt sie Netzstrümpfe und ziemlich kurze Kleider. Nicht nur privat, auch in der Klinik.

      - Ist die Kleidung in ihrer Position nicht etwas unpassend? Er versuchte sich eine nicht mehr ganz junge Ärztin im Minikleid und Netzstrümpfen vorzustellen. Mit dieser Vorstellung hatte er Schwierigkeiten.

      - Man kann es unpassend nennen. Aber ihr gefällt es. Sie liebt die Aufmerksamkeit der anderen, besonders der Männer, und sie hat schöne Beine.

      - Ist sie verheiratet? Das war eigentlich eine belanglose Frage. Und doch musste er sie stellen. Es war fast wie ein Reflex bei ihm. Er wollte seine Chancen erkunden.

      - Nein, aber die ist nichts für dich, sagte sie leicht konsterniert.

      - Warum? Ist sie gebunden?

      - Ich kenne dich. Ich weiß, auf welche Art von Frauen du stehst. Du brauchst eine jüngere Frau, sagte sie und blickte ihn herausfordernd an.

      - Du meinst, so eine wie Julia?

      - Isabelle ging das Thema langsam auf die Nerven: Vielleicht, das könnte durchaus sein, aber auch sie ist nichts für dich.

      - Du wirst immer etwas an anderen Frauen auszusetzen haben, die sich in meiner Reichweite befinden, sagte er unwirsch.

      - Nicht unbedingt. Es kommt auf die Umstände an.

      - Also, was ist mit Julia?, beharrte er. Ist sie noch in ihrer Firma tätig? Guido konzentrierte sich weiterhin auf sein Anliegen: Er wollte seine Chance nutzen, in die Interna der Firma einzudringen, und wissen, wo er den Hebel anzusetzen hatte. Und deshalb musste er wissen, welchen Wirkungskreis die anwesenden Personen hatten. Er unterschied sorgfältig zwischen Zeitverschwendern und für seine berufliche Karriere wichtigen Persönlichkeiten. Julia könnte in der Zwischenzeit durchaus zu einer wichtigen Persönlichkeit geworden sein, dachte er. Das Potenzial dazu hatte sie in jedem Fall.

      - Nicht direkt. Aber sei vorsichtig. Sie ist keine Frau, die man so einfach im Sturm gewinnen kann. Sie ist wählerisch, selbstbewusst und wird eine steile Karriere machen. Jetzt leitet sie ein Forschungsinstitut.

      - In der Firma ihres Vaters? Das war nun die für ihn entscheidende Frage: Musste er Julia gewinnen, wenn er für die Sämann Gruppe tätig werden wollte? Oder war sie nur für ihre eigene Firma tätig? Er musste mehr über die Interna der Familie erfahren. Was hielt die Familie zusammen? Wer verfolgte welche Interessen? Waren es nur finanzielle Interessen oder waren es persönliche Bindungen? Es würde nicht leicht sein, an diesem Abend die Antworten zu finden. Also müsste er versuchen, einen ersten Kontakt für weitere Gespräche herzustellen.

      - Möglich. Man kann es nicht ausschließen. Es hängt davon ab, wie sich die Firma entwickelt.

      - Du sprichst von ihrer eigenen Firma oder von der ihres Vaters? Diese Unterscheidung war für ihn wichtig.

      - Von beiden. Wenn ich es recht verstanden habe, dann arbeiten die beiden Firmen auf bestimmten Gebieten zusammen. Sie arbeitet auch für die Klinik der Schwester. Sie haben gemeinsame Interessen. Sie entwickeln ein neues Medikament gegen die Niereninsuffizienz. Deshalb ist sie nach Nicaragua gegangen. In den dortigen Zuckerrohr-Plantagen ist diese Krankheit besonders weit verbreitet.

      - Sagtest du nicht, dass Herr Sämann einen Sohn hat? Ist auch er in der Firma tätig? Kommt er auch zum Essen?

      - Isabelle schien etwas ungehalten zu sein und nahm einen Schluck aus ihrem Glas, als wollte sie einen aufkommenden Ärger hinunterspülen: Sein Sohn Hinrich war auch eingeladen, sagte sie, aber er hat ohne Begründung abgesagt. Jedenfalls hat er mir keinen Grund genannt.

      - Merkwürdig. Dann muss es etwas sehr Wichtiges gewesen sein. So eine Einladung schlägt man nicht grundlos aus.

      - Sie zuckte mit den Schultern: Ich habe keine Ahnung. Ich kenne ihn wenig und kann ihn nicht beurteilen.

      - Für Guido wurde die Situation immer unübersichtlicher: Wenn Julia in Nicaragua gebunden war, dann schied sie aus dem Kreis der Entscheider in der Sämann Gruppe aus. Er musste es herausfinden. Warum war Hinrich nicht gekommen? War er der Juniorchef, die graue Eminenz im Hintergrund? Wer würde die Firma künftig leiten? Lange Zeit würde der Alte die Firmenleitung nicht mehr behalten können. Aber Hinrich war nicht gekommen. Das verwunderte ihn sehr: So ein gesellschaftliches Ereignis sagt man nicht so einfach ab. Vor allem dann nicht, wenn man sich auf eine künftige Führungsaufgabe in einer bedeutenden Firma vorbereitet. Dazu gehören die sozialen Kontakte. Ohne Kontakte ist man einsam und verloren.

      - Nicht alle schätzen den öffentlichen Auftritt so wie du. Der kleine Seitenhieb war nicht zu überhören.

      - Er gab ihn zurück: In diesem Punkt stehen wir uns in nichts nach.

      - Sie lenkte ab und nahm noch einen kühlen Schluck, sie wollte keine sinnlose Kontroverse über die Frage, wer von ihnen den stärkeren Hang zur öffentlichen Darstellung hatte. Besonders an diesem Abend nicht: Das Thema wollen wir jetzt nicht erörtern, sagte sie mit Bestimmtheit.

      Guido war das nur recht und konzentrierte sich auf sein eigentliches Anliegen: Er wollte die Familie Sämann genauer kennenlernen, die er nur aus der Ferne kannte. Er wollte wissen, wo er den Hebel ansetzen musste, um seinem Ziel näher zu kommen: Ein Beratungsauftrag. Er wusste, dass der Sämann-Clan eine einflussreiche Unternehmerfamilie war. Er wollte wissen, was aus dem jungen Start-up-Unternehmen von Julia geworden war. Hatte er damals das richtige Gespür für Menschen und ihr Erfolgspotential gehabt? Er wollte sich bestätigt sehen und hatte noch ein anderes Ziel vor Augen: Er wollte CEO (Chief Executive Officer) in seiner Firma werden. Diese Position versprach ihm Einfluss in seiner Beratungsgesellschaft. Mit dieser Position würde in die ersten Kreise der Gesellschaft aufsteigen. Er könnte sich als Kunstmäzen, als anerkannter Sammler moderner Kunst und als gesuchter Sponsor auf Charity-Veranstaltungen präsentieren. Er würde vielleicht auch zum Kanzler- oder Präsidenten-Berater ernannt werden. Und dazu brauchte er noch ein paar weitere Aufträge. Er stand kurz vor dem ersehnten Ziel. Er gehörte zu dem engeren Führungskreis, aus dem sich der künftige CEO rekrutieren würde. Es galt, nach weiteren Chancen Ausschau zu halten. Sein

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