Ein Kleid aus Seide. Sanne Prag

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Ein Kleid aus Seide - Sanne Prag

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als ob nichts gewesen wäre. Ihr hungriger Blick wartete auf ein Zucken der Lider, ein Verändern des Mundes. Da war nichts.

      Hatte sie Halluzinationen?

      Sie musste zurück.

      Sie musste zurück und hatte noch immer keine Ahnung, wo das WC war. Und da gab es blaue Augen, die sie ansahen, oder gab es die nicht?

      Der hell erleuchtete Saal hatte sie wieder. Überall heiße Scheinwerfer, darüber weiße Lichtpunkte im Hitzenebel. In der Mitte stand eine Gruppe um einen Mann, den sie nicht kannte. War es gut hinzugehen, oder sollte sie sich besser still in eine Ecke setzen?

      Er war hellgrau und einheitlich angezogen. Wer war der? Kein Star. Sie hatte gelernt, grau angezogen waren meist nicht die männlichen Stars. Stars waren weiß glitzernd, schwarz oder bunt. Sie war noch zu keinem Entschluss gekommen, als Heinz aus der Gruppe rief: „Theresa komm, du bist gefragt.“

      Langsam ging sie hin, eine starke Spannung im Steißbein. Sie musste sich völlig gerade halten, ihr Gang sollte leicht wirken, schwerelos. Die Schmerzen bremsten den Schritt. Kunstgriff der Leichtigkeit: Sie hatte gelernt, wie leichte Schritte auszusehen hatten. Sie hob die Beine wie eine Marionette an Fäden. Es war wichtig, denn da schien es einen Job zu geben. Sie wusste, da würde ein Angebot kommen. Die Schmerzen schütteten Stoffe in ihren Körper, wie Alkohol. Sie wurde leichtfertig. Schwerelos leichtfertig, völlig unrealistisch. Sie würde jetzt und hier um die Gage pokern.

      Udo sagte: „Das ist Walter von Ponhomy. Ihm gehört die Burg. Hier wird ein Film entstehen. In den Mauern und im Park wird gedreht werden und wir sind mit dabei. Er hat uns engagiert und wir werden unsere Modeschau als Teil des Filmes zur Verfügung stellen. Aber außerdem möchte er, dass einige von unseren Damen sich beim Dinner unter die Gäste mischen. Dekor, Glamour, die Freude am Schönen.“

      Das war eine andere Form von zusätzlicher Arbeit „zu den üblichen Preisen“. Nein! Diesmal nicht. Sie raffte alles an Selbstbewusstsein zusammen, das sie greifen konnte und fragte still: „Wie soll das sein?“

      Theresa überragte die Runde, weil kein anderes Mannequin dabei stand. Sie wirkte überzeugend in dem dunklen, glatten Kleid und ihrer Samenkapsel-Krone. Aufrecht, ausdruckslos und einen Kopf größer als die anderen.

      Udo sah Walter von Ponhomy an, er reichte die Frage weiter – wie sollte das sein?

      Nun, der war ein wenig überrannt, ein wenig zu schnell gefragt. Aber er war Geschäftsmann genug, um solchen Situationen gewachsen zu sein, dachte er. Er begann, sich festzulegen. „Gewohnt wird im Haupthaus, die Dreharbeiten beginnen in der Früh und laufen bis Abend durch, manchmal bis in die Nacht. Jeder bekommt einen Zeitplan, wann er anwesend zu sein hat, am Filmset und für Empfänge im Haus. Einen Termin nicht erfüllen bedeutet Vertragsbruch. Die Dreharbeiten werden ungefähr vierzehn Tage dauern“, ratterte er herunter.

      Theresa hatte einmal gehört, dass solche Dreharbeiten nie so verliefen wie geplant. Am Anfang, so hatte ihr eine Schauspielerin erzählt, hatten der Regisseur und der Produzent immer sehr klare Vorstellungen davon, in welch kurzer Zeit alles gut und geordnet in die Kamera zu bringen war. Diese Vorstellungen überholten sich nach einer Woche, waren nach zwei Wochen meistens indiskutabel. Das hieß, hier ging es um einen längeren Job, dessen Dauer nicht abzusehen war. Und die anfangs geplanten Einsätze stimmten nicht. Das Zauberwort hieß Tagesgage, keine Pauschale.

      Sie sah Herrn von Ponhomy daher mit großen Augen vertrauensvoll an und sagte: „Aber ich nehme an, ich muss einen Vertrag für einzelne Tage unterschreiben.“

      Von Ponhomy hatte sich darüber noch nicht den Kopf zerbrochen. Er war schließlich weder der Regisseur noch der Produzent. Er stellte seine Burg und die Mode zur Verfügung, und auch sein Hotel, und er würde beim Filmteam ein- und ausgehen und auch ab und an mit einer Schauspielerin schlafen... Aber er war nur teilweise Organisator. Zwischendurch würde er die Models für seine eigenen Veranstaltungen einsetzen, oder für seine eigenen Bedürfnisse, die Kosten trug der Film. So war das geplant. Er stimmte daher zu.

      Theresa wirkte nachdenklich, sie strich ihre Handschuhe glatt. „Ich denke, dass ich in der Zeit kein anderes Engagement annehmen kann, und jetzt müsste ich wissen, wann das stattfinden wird und wie viel ich jeden Drehtag bekomme.“ Ruhig und sachlich.

      Von Ponhomy war überfordert, hatte das Bedürfnis, sie einfach niederzubrüllen, aber gleichzeitig das Gefühl, dass er das unter den Augen all der Anwesenden nicht tun konnte, nicht ohne Prestigeverlust. Er hatte sich aber mit den Details noch nicht auseinandergesetzt. Wie sollte er eine Entscheidung treffen, wenn er keine Ahnung hatte. Er musste aber antworten, diesem dummen Luder. Gott, waren diese Modepuppen dämlich! „Liebes Fräulein, das wird auch nicht anders sein wie eben jetzt. Sie haben hier auch einen Tagesvertrag und eine Tagesgage und so wird es auch am Filmset sein“, meinte er scharf und ungehalten, wie man mit blöden Fragen eben umging.

      „Ich wollte nur klar sehen, für mich, ob weiter zu gleichen Bedingungen gearbeitet wird hier in der Burg. Aber wenn Sie es mir sagen, dann bin ich beruhigt, dass die gleichen Bedingungen weiterlaufen“, lispelte Theresa mit kleinem Stimmchen. „Wann muss ich denn unterschreiben und wann beginnen die Dreharbeiten?“

      Sich mit geistig Minderbemittelten herumzuschlagen, gehörte wohl zu solchen Projekten, sagte sich Ponhomy. „Morgen früh reist eine Jagdgesellschaft an, die bleiben übers Wochenende und ab Montag kommt das Filmteam. Die Arbeit beginnt also morgen“, sagte er schroff. Im Hinausgehen meinte er noch: „Verträge also zeitlich morgen früh.“ Er hatte hier das Sagen und wollte die Sache schnell in den Kasten bekommen.

      Theresa dachte, dass sie die Situation für ihren augenblicklichen Zustand ziemlich gut hingekriegt hatte. Immerhin hatte Ponhomy vor allen, auch vor Udo gesagt, dass er zu den gleichen Bedingungen wie in dieser Nacht Verträge abschließen wollte. Besser ging es nicht. Sie wusste zwar nicht, was sie tun würde, wenn er sich dann an nichts erinnern konnte, aber sie hoffte auf Udo, und darauf, dass er auch interessiert war. Er sollte darüber wachen, dass die Abmachung eingehalten wurde.

      Inge hatte ihr ein nachtblaues, kurzes Modell aus Samt ausgehändigt, ärmellos. Nicht nur ärmellos, stellte sie fest, mit großen Löchern wo der Ärmel hätte beginnen sollen und ihren Körper und seine Schadstellen vor kritischen Blicken schützen. Das war ein Problem. Inge hatte das letzte Modell an sie vergeben, für sie aufgehoben, weil sie nicht im Raum war. Panik kreiste im Hinterkopf. Das Modell so anzuziehen, war nicht möglich!

      Theresas armes, müdes Hirn brummte. Es kam ihr vor wie eine uralte Lok, die einen elendig langen Zug auf den Berg ziehen sollte, einen steilen Berg. Ihr war schlecht, Müdigkeit umschlang sie wie eine Anakonda. Sie brauchte lange Handschuhe. Bei einem Samtkleid waren Handschuhe ja durchaus eine Möglichkeit, auch wenn sie eigentlich nicht vorgesehen waren. Es gab aber keine nachtblauen, das wusste sie. Ihr Kopf suchte fieberhaft nach Möglichkeiten, während ihr Körper sich in den Samt hineinwand.

      Ihr Samenkapsel-Kopftuch war in mattem graugrün mit nachtblauen Samteinsätzen. Sie wusste, wo Inge ihren Handschuhfundus hatte. Sie schlich durch die Kleiderständer-Alleen. Während Inge eine Samenkapsel feststeckte, krallte sie sich den Karton.

      Schnelle Durchsicht aller Lagen - nur ein einziges Paar Handschuhe kam farblich in Frage. Die waren zu kurz für ihren Defekt am Oberarm, reichten nur bis zum Ellenbogen, konnten daher den schwarzblau schimmernden Fleck nicht verdecken. Keine Zeit für komplizierte Lösungen. Sie schnitt ein Stück des Ansatzes von einem der Handschuhe ab und befestigte den über der Schadstelle. Eine Oberarmspange wie eine Keltin, ein längerer Handschuh links, der kurze rechts, und Udo musste man klar machen, dass das seine Kreation war. Asymmetrisch, bewegt, extrem…

      Schnell

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