Abgelaufen. Eva Karnofsky

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Abgelaufen - Eva Karnofsky

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auszuüben.

      Nach dem Essen gesellen sich Jorge und Alejandra auf einen Kaffee zu ihnen. Sie halten Händchen und himmeln sich an. Frisch verliebt, konstatiert Rosa-Li, und fragt sich, was wohl aus Laura geworden sein mag. Als sie Jorges Frau zuletzt sah, war die engagierte Anwältin zur Präsidentenberaterin für Menschenrechte avanciert. Eine gute Entscheidung, wie Rosa-Li fand, denn Laura gehört zu den Leuten, die die Demokratie mit Zähnen und Klauen verteidigen, wenn ein Präsident sie mal wieder mit Füßen tritt.

      Als Rosa-Li vom Klo kommt, fängt Jorge sie vor der Tür ab. »Rosa-Li, sei ein Schatz, und sag Laura nichts, falls du sie treffen solltest. Sie weiß nichts von meiner Affäre mit Alejandra und wenn sie davon erführe... Sie glaubt, ich hätte beruflich in Cusco zu tun.«

      Sie werde schweigen wie ein Grab, versichert Rosa-Li, doch sie kann es sich nicht verkneifen, zu fragen, ob ihn nun auch die Midlife-Crisis ereilt habe.

      Er zuckt die Schultern. »Weißt du, wenn man so lange zusammen ist wie Laura und ich... Aber sag mal, du warst doch auch verheiratet, wenn ich mich recht erinnere, mit einem Landsmann von dir!«. Er feixt. »Wer im Glashaus sitzt, meine Liebe...«

      Sie hakt sich bei ihm ein. »Ich gebe zu, es war ein schlechter Scherz.«

      Gemeinsam gehen sie zum Tisch zurück. Rosa-Li stellt fest, dass Roberto heftig mit Alejandra flirtet. Es versetzt ihr einen kleinen Stich, doch sie lächelt tapfer. Ein schönes Wesen, diese Alejandra, das muss der Neid ihr lassen. Hinreißend sieht sie aus, mit ihrer blauschwarzen Mähne und den Mandelaugen. Und bestimmt ist sie fünfzehn Jahre jünger als sie. Kein Wunder, dass Roberto von ihr angetan ist.

      Sie beschließen, am nächsten Morgen gemeinsam das viel gepriesene Naturschauspiel zu erleben. Nirgendwo soll der Sonnenaufgang so überwältigend sein wie auf dem Machu Picchu.

      Als Roberto ihr vorschlug, die Nacht in diesem Hotel auf dem Berg gleich neben dem Ruinenareal zu verbringen, war Rosa-Li sofort begeistert. Sie würden sich die Inkastätte ansehen, bevor die ersten Busse eintreffen, und Machu Picchu zumindest ein halbes Stündchen in aller Ruhe genießen können. Von ihren Honoraren als freie Journalistin hätte sie sich den sündhaft teuren Öko-Schuppen nie leisten können, doch für Roberto spielt Geld keine Rolle mehr, seit er sein Fernsehprogramm in ganz Lateinamerika verkauft. Für die erste gemeinsame Nacht nach drei Monaten sei dies genau der richtige Rahmen, meinte er, und sie konnte ihm nicht widersprechen.

      Rosa-Li reibt sich den Schlaf aus den Augen, als Roberto sie weckt. »Komm, du Schlafmütze, wach werden. Kultur auf nüchternen Magen ertrage ich nicht, zumindest nicht nach einer Nacht mit einem liebestollen Weib. Ich brauche ein anständiges Frühstück.«

      Sie wälzt sich aus dem Bett. Wo er nur die Energie hernimmt? Sie schaut auf die Uhr. Es ist gerade mal sechs, mehr als drei Stunden haben sie nicht geschlafen.

      Als sie in den Frühstücksraum kommen, sitzt Jorge bereits dort. Alejandra sei noch mit ihrer Schönheit beschäftigt, entschuldigt er seine Freundin, sie werde später zu ihnen stoßen. Rosa-Li wirft Roberto einen triumphierenden Blick zu. Hat sie es sich doch gleich gedacht. Niemand sieht von Natur aus so perfekt aus.

      Als sich draußen die Dunkelheit allmählich lichtet, unterbricht Rosa-Li die beiden Männer, die sich über Jorges Projekt unterhalten. »Also, ich gehe jetzt. Auch wenn mir kaputte Steine normalerweise ziemlich egal sind - den Sonnenaufgang hier oben will ich nicht verpassen. Wer weiß, ob ich in diesem Leben noch mal hier rauf komme.«

      Auch Jorge schließt sich ihnen an, obwohl Alejandra noch immer nicht aufgetaucht ist. Es scheint ihn nicht zu wundern.

      Während der indianische Führer von seinen Vorfahren und ihrer Art zu leben berichtet, schiebt sich die Sonne langsam hinter den Ruinen zum Himmel empor. »Ein goldener Ball, der einen Berg hinauf rollt«, flüstert Rosa-Li Roberto ins Ohr und hakt sich bei ihm unter, als der Führer eine Pause einlegt. Sie neigt selten zu Sentimentalitäten, und ihr historisches Interesse hält sich gewöhnlich in Grenzen, doch der Gedanke, dass sich hier, wo sie jetzt stehen, vor fünfhundert Jahren ein Inka-Pärchen beim gleichen Anblick umarmt haben könnte, hat schon etwas Romantisches. Roberto zieht sie an sich. »Schön, dich...«

      Ein langgezogener Schrei zerreißt jäh die Stille, jemand will gar nicht mehr aufhören zu kreischen. »Eine Frau«, konstatiert Roberto. »Komm, lass uns nachschauen. Es klingt, als sollte jemand am Spieß gebraten werden.«

      »Da hat sich jemand verletzt«, vermutet Rosa-Li und läuft hinter ihm her. Jorge und der Führer schauen einigermaßen verdutzt. »Wir sind gleich wieder da, macht ruhig weiter«, ruft sie ihnen noch zu. Neugier scheint nicht Jorges hervorstechendste Eigenschaft zu sein. Aber schließlich ist er Frauenarzt und nicht Reporter.

      Sie müssen nicht lange suchen. Auf einer der Terrassen, die den Blick auf den Hang freigeben, auf dem die Inkas vor gut fünfhundert Jahren vermutlich ihr Gemüse anbauten, kniet ein Mann, dessen grau meliertes Haar im Nacken zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden ist. Vor ihm liegt bäuchlings jemand auf dem Boden. Rosa-Li sieht nur die leicht angewinkelten Beine, die in Jeans stecken. Als der Mann sich aufrichtet, schlägt sie sich vor Schreck die Hand vor den Mund. Alejandra. Jemand hat ihr eine Plastiktüte über den Kopf gezogen und auf der Höhe des Halses zugebunden, doch die blauschwarze Haarpracht quillt darunter hervor.

      »Sie ist tot«, erklärt der Mann. »Vermutlich erstickt. Da kommt jede Hilfe zu spät.«

      »Sind Sie Arzt?«, will Rosa-Li wissen, und der Mann nickt.

      »Wer hat sie denn gefunden? Ich bin Journalistin.«

      Der Arzt deutet auf eine kleine, kugelrunde Frau in einer knallbunten Flatterhose, die auf einem Mäuerchen sitzt, und immer wieder den Kopf schüttelt. Während Roberto ein paar Worte mit dem Arzt wechselt, setzt sich Rosa-Li neben die Frau. »Haben Sie sonst noch jemanden gesehen?«. Die Frau schaut sie fragend an. Rosa-Li versucht es auf Englisch und hat damit mehr Glück.

      »Sie lag einfach nur da, es war sonst niemand zu sehen. Und da habe ich geschrien, so laut ich konnte. Dann kam gleich der Mann da und sagte, er sei Arzt. Ich war auf der Suche nach meiner Freundin, sie ist nach dem Frühstück schon mal vorgegangen. Ich brauche morgens immer...« Rosa-Li legt ihr die Hand auf den Arm, um den offensichtlich bevorstehenden Redeschwall zu verhindern. »Thanks a lot, Madam

      Nachdem der Arzt sich verabschiedet hat, kniet sich Roberto neben die Tote und durchsucht ihre Taschen. Nichts. Nur ein zerknülltes Taschentuch. Ihr Presseausweis steckt in der Gesäßtasche. Auch eine Handtasche ist nirgends zu sehen. Merkwürdig, eine Frau ohne Handtasche, denkt Rosa-Li. Eine Journalistin noch dazu. Die hat doch zumindest immer etwas zu schreiben bei sich, ein Handy, ein Aufnahmegerät, Visitenkarten. Und Schminkzeug natürlich, für den Fall, dass sie auf den Mann ihres Lebens stößt.

      »Wir müssen Jorge Bescheid sagen!«.

      »Rosa-Li, das machst du am besten, ich laufe ins Hotel und alarmiere den Sicherheitsdienst. Womöglich weiß der noch nicht, was passiert ist. Die Polizei in Aguas Calientes muss gerufen werden. Bis die Jungs hier oben sind, kann ich noch schnell einen Blick in Alejandras Zimmer werfen. Für alle Fälle. Wir treffen uns später im Restaurant, okay?«.

      Er drückt sie kurz und spurtet los in Richtung Ausgang. Gerade sind die ersten Busse aus Aguas Calientes eingetroffen, und Roberto muss sich durch die Massen kämpfen, die auf die Ruine strömen. Für den Rest des Tages ist es vorbei mit der Beschaulichkeit auf dem Machu Picchu.

      Jorge dreht Rosa-Li den Rücken zu und lauscht dem Führer, der sein Programm abspult. Offensichtlich haben die beiden noch nicht bemerkt, was geschehen ist. Sie

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