Abgelaufen. Eva Karnofsky

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Abgelaufen - Eva Karnofsky страница 6

Автор:
Серия:
Издательство:
Abgelaufen - Eva Karnofsky

Скачать книгу

nickt. »Den stellen sie in kleinen Karaffen auf den Frühstückstisch, und du gießt ihn dir nach Belieben mit heißem Wasser auf. Ist gewöhnungsbedürftig. Ich hatte es völlig vergessen, aber hier bestellst du am besten Espresso.«

      »Werde ich mir merken. Aber zurück zum Thema: Ich denke, wir sollten uns auf die Suche nach diesem Journalisten machen.« Er zieht die Visitenkarte aus der Jackentasche. »San Juan de Lurigancho. Kennst du das Viertel?«.

      Rosa-Li nickt. »Ziemlich weit draußen. Ich war da vor Jahren mal, da liegt ein Knast, in dem ich ein paar linke Guerilleros interviewt habe. Ist keine besonders vertrauenerweckende Gegend.«

      »Am besten, wir mieten uns ein Auto. Denn ich gehe mal davon aus, dass du keine Lust hast, dich mit dem öffentlichen Nahverkehrssystem der peruanischen Hauptstadt vertraut zu machen.«

      »Das siehst du genau richtig. Aber miete keine Luxuskarosse, die klauen sie uns unter dem Hintern weg.«

      »Höre ich da etwa eine feine Spitze gegen mein Auto heraus?«. Er grinst.

      »Aber wo denkst du hin! Die Automobilindustrie muss schließlich auch leben.«

      Wenig später sitzen sie in einem Jeep, der schon bessere Zeiten gesehen hat. Roberto drückt Rosa-Li den Stadtplan in die Hand, denn einen Navi hat das Gefährt nicht, und sie sieht Schlimmes auf sich zu kommen. Nie hatte sie sich mit David so gezankt wie im Auto. Er vertraute seinem angeblich so untrüglichen Orientierungssinn und sie der Karte. Das Ergebnis ließ sich in Dezibel ausdrücken. Zum Glück ist heute Sonntag, da ist zumindest der Verkehr nicht so dicht. Und Roberto ist nicht David.

      »Wäre ein Mietwagen mit Chauffeur nicht praktischer gewesen?«, fragt sie.

      »Ich dachte, du warst schon tausend Mal in Lima. Da wirst du doch zumindest ungefähr wissen, wie wir fahren müssen.«

      Warum hat sie bloß nie auf den Weg geachtet? Nach jeder Reise hat sie sich geschworen, sich künftig die wichtigsten Strecken zu merken, aber dabei blieb es dann. Auch beim nächsten Mal hockte sie sich wieder in den Fonds und vergaß die Straßenschilder.

      »Ich schaue mir die Leute an, an denen ich vorbeikomme, denn schließlich will ich über die schreiben. Was interessiert meine Leser, wie ich irgendwo hingekommen bin?«, antwortet sie schnippisch. »Aber beruhige dich, ich werde den Weg schon finden. Schließlich kann ich Karten lesen. Und mein Handy hat ein Navigationssystem«, fügt sie noch hinzu.

      „Meins auch, Süße, auch wenn ich aus der Dritten Welt stamme. Aber leider funktioniert es nicht. Weiß der Teufel, was mit dem Empfang los ist“, erwidert Roberto.

      Ihr fällt dennoch ein Stein vom Herzen, als schließlich die kahlen, fast schwarzen Riesendünen auftauchen, die die Hauptstadt gegen den Rest des Landes abschirmen. »In den Dünen wohnen die Armen. Je höher du kommst, desto ärmer sind die Leute.«

      »Wie in Medellín, aber bei uns wachsen auch weiter oben zumindest noch ein paar Bäume. Und es scheint die Sonne«, mault Roberto.

      »Ist heute dein Bei-uns-ist-alles-besser-Tag? Zu deiner Beruhigung: Diese dicke, bleierne Suppe dauert nur ein paar Monate, ab August ist meist schon wieder tolles Wetter. Heute Morgen, als du noch süß von mir träumtest, kam schon mal kurz die Sonne durch. Hier schüttet es nie wie aus Badewannen. Hat auch seinen Vorteil. In Medellín habe ich mir nicht nur einmal nasse Füße geholt.«

      »Ist schon gut, ich sage ja gar nichts mehr.«

      Die Häuser sind inzwischen niedriger geworden, und kaum eines ist fertiggestellt: Dem einen fehlt der Anstrich, dem nächsten der Putz oder die zweite Etage befindet sich im Rohbau. Wie überall in Lateinamerika bauen auch hier die Leute ihre Häuser Stein um Stein, manchmal über Jahre hinweg, weil die Kreditzinsen unerschwinglich sind und sie warten müssen, bis sie wieder Geld haben für die nächste Tür, das nächste Fenster. Und ästhetische Perfektion kann man sich auch nicht leisten.

      »Der graue Komplex da hinten ist das Gefängnis. Siehst du die lange Schlange an der Mauer? Heute ist Besuchstag für Frauen, immer mittwochs und sonntags, glaube ich.«

      »Und da warst du drin?«, will er wissen.

      Sie nickt. »Einen Tag lang, es war furchtbar. Da laufen die Ratten in den Zellen rum. Kann ich dir nachher ausführlich erzählen, denn ich glaube, wir sind da. Die Imbissstube muss das Haus von Henry Salinas sein. Hoffentlich ist sie geöffnet, schließlich ist Sonntag.«

      »Scheint kein besonders erfolgreicher Mann zu sein, dieser Salinas. Der Laden sieht heruntergekommen aus«, meint Roberto, als er den Wagen parkt. Sie steigen aus und schauen durch die Glasscheibe in der Tür, doch es ist niemand zu sehen. Roberto drückt die Klinke herunter, es ist offen.

      »Ist hier jemand?«, ruft er, und Rosa-Li schaut sich um. Nackter Betonboden, schon etwas ausgetreten, und an der Wand stehen ein paar billige Holztische mit einfachen Stühlen. Die gelb getünchten Wände könnten einen neuen Anstrich vertragen. Doch es ist sauber. Und die Anticuchos auf der Theke sehen appetitlich aus. Hinter einem bunten Fliegenvorhang aus Plastikstreifen scheint die Wohnung der Familie zu liegen.

      Roberto ruft erneut, und eine kleine, ältere Frau mit indianischen Zügen kommt angelaufen, sie trocknet sich mit einem Handtuch die Hände ab. »Ich habe gerade gespült«, entschuldigt sie sich und mustert die beiden von oben bis unten, denn nur selten verirren sich Fremde in diesen Teil der Stadt. Es sei denn, sie wollen Angehörige im Gefängnis besuchen. Aber die Familien der Inhaftierten tragen gewöhnlich keine Lederjacken aus feinem Handschuhleder, wie Roberto sie liebt.

      »Was darf es denn sein? Die Anticuchos sind ganz frisch, und ich habe gerade Ceviche gemacht.«

      Roberto überhört die Frage, stellt sich vor und fragt nach Henry Salinas.

      Ihr zerfurchtes Gesicht verfinstert sich. »Mein Sohn ist nicht da.«

      »Und wo können wir ihn erreichen?«, schaltet sich Rosa-Li ein.

      Die Frau seufzt. »Wenn ich das nur wüsste. Er ist seit drei Tagen nicht mehr heimgekommen. Worum geht es denn? Ist es beruflich?«. Ihr ist die Sorge um den Sohn anzusehen.

      Roberto nickt. »Gewissermaßen. Ihr Sohn wollte uns Informationen zukommen lassen.«

      »Informationen? Mein Sohn? Und wozu?«, will die Frau wissen.

      »Er wollte einer Kollegin von uns von einem Skandal erzählen. Sie ist nun... verhindert, und wir arbeiten weiter an ihrer Geschichte. Es geht um Korruption in der Regierung. Es wäre sehr wichtig für uns, mit ihm zu sprechen.«

      Wie gut er blufft! Rosa-Li schaut auf den Boden, um nicht zu lachen. Roberto setzt noch nach: »Wir sind uns nicht sicher, aber es könnte sein, dass Ihr Sohn in Gefahr ist. Unsere Kollegin wurde nämlich ermordet, nachdem sie mit ihm gesprochen hat. Und wir vermuten, dass man sie zum Schweigen bringen wollte. Wir würden ihn gern warnen, damit ihm nicht auch etwas passiert.«

      Ganz schön skrupellos, der Kollege Pavón. Versetzt die arme Frau in Angst und Schrecken, nur, damit sie redet. Die Frau stützt sich schwer auf ihre Theke, und ihr steht das Entsetzen im Gesicht. »Um Himmels willen! Das ist ja furchtbar!«, ruft sie aus. Dann richtet sie sich mühsam auf, geht zu der Tür, aus der sie gekommen war, und teilt den Fliegenvorhang mit der Linken. »Kommen Sie doch mit nach hinten, da lässt es sich ruhiger reden.«

      Sie treten in eine kleine Wohnstube, die von zwei knallrot geblümten Plüschsesseln und

Скачать книгу