Abgelaufen. Eva Karnofsky

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Abgelaufen - Eva Karnofsky

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Und sie hätte ein Motiv gehabt, Alejandra ins Jenseits zu befördern. Eifersucht.«

      »Das stimmt zwar, doch ich kann mir nicht vorstellen, dass Laura... nein, wirklich nicht. Jorge und Alejandra hatten seit ein paar Wochen einen Klüngel, mehr nicht. Deshalb bringt man doch niemanden um. Es ist auch nicht gesagt, dass sie überhaupt etwas davon wusste. Außerdem kann man nachprüfen, ob sie auf der Tagung war und wann sie sie verlassen hat. Und wenn sie von Cusco aus zum Machu Picchu gefahren wäre, hätten wir sie doch sehen müssen«, wendet Rosa-Li ein.

      »Nicht notwendigerweise. Wenn sie am Freitag einen früheren Bus hinauf genommen hat als wir, gleich auf ihr Hotelzimmer gegangen ist und das erst wieder verlassen hat, nachdem wir am Samstagmorgen bereits mit Jorge zur Besichtigung aufgebrochen waren, mussten wir sie nicht notwendigerweise sehen. Sie begeht den Mord, kurz bevor morgens der erste Bus heraufkommt und fährt mit dem wieder nach Aguas Calientes zurück. Und nimmt dort gleich den ersten Hubschrauber nach Cusco.«

      »Du hast Recht, so hätte es gewesen sein können. Trotzdem: Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass eine berühmte Menschenrechtsanwältin und Präsidentenberaterin einen Mord aus Eifersucht begeht. Und außerdem ist sie eine ganz liebe, warmherzige Frau, die tut bestimmt keiner Fliege etwas zu Leide.«

      Roberto lacht, greift nach ihrer Hand und küsst sie. »Ein Ehedrama passt dir nicht in den Kram, sei doch ehrlich, Rosita! Du bist geldgierig, meine Liebe. Aber du hast Recht, auf mich machte Laura gestern Abend auch einen sehr netten, freundlichen Eindruck. Und sie scheint eine Gerechtigkeitsfanatikerin zu sein.« Er winkt dem Kellner. »Lass uns weiterfahren. Je schneller wir in Satipo sind, desto eher wissen wir, was gespielt wird.«

      Er lässt es sich trotz der Eile nicht nehmen, auf dem Gipfel des Ticlio anzuhalten. Rosa-Li möchte die verschneite Berglandschaft vom Auto aus bewundern, doch Roberto öffnet die Beifahrertür und zieht sie aus dem Wagen. »Komm, ich will wissen, wie es ist, auf 4815 Metern Höhe zu küssen. Es ist unglaublich schön hier.«

      Widerwillig steigt sie aus. Sie hat das Gefühl, ihr Kopf platzt gleich und ihr Gesicht ist hochrot. Jedenfalls glüht es, obwohl sie friert. Wieso strotzt dieser Kerl auch hier oben in der dünnen Luft vor Energie? Sie wünscht sich sehnlichst in tiefere Gefilde zurück. Die Anden waren noch nie ihr Ding. Und schön? Sie sieht nur schneebedeckte Berge, unter einem Nebelschleier noch dazu. Doch sie ist zu schlapp, um zu protestieren. Es ist eiskalt, und so lässt Roberto sich nach wenigen Minuten überreden, weiterzufahren.

      Auf der Strecke durch das karge Hochgebirge kommt ihnen eine Gruppe von Männern in roten Arbeitsoveralls im Gänsemarsch entgegen. Sie alle tragen Grubenlampen an ihren weißen Sturzhelmen. Minenarbeiter auf dem Weg in die triste Barackensiedlung, an der sie gerade vorbeigekommen sind. Wie sauer sie ihr Geld verdienen! Nach acht, zehn Stunden unter Tage bleibt ihnen hier oben nur, sich zu besaufen. Der nächste Ort ist weit, ein Kino oder Sportmöglichkeiten hat sie zumindest nicht gesehen. Und die Landschaft ist auch nicht gerade anheimelnd. Sie haben die Baumgrenze bereits hinter sich gelassen.

      »Man müsste mal eine Reportage über das Leben der Mineros hier oben machen. Ich stelle es mir ganz schön hart vor. Die werden bestimmt nicht alt«, sagt Rosa-Li.

      Roberto nickt. »Hast du die Lagune gesehen, an der wir vorhin vorbeigekommen sind? Auf der Wasseroberfläche lag ein dicker silbriger Film. Die Minengesellschaft kippt da irgendwelchen giftigen Abfall rein. Bestimmt ist die ganze Gegend hier ziemlich verseucht. Vermutlich gelangt der Dreck auch ins Trinkwasser.«

      »Was holen die hier wohl aus der Erde?«, fragt sie.

      »Im Reiseführer stand etwas von Blei und Kupfer.«

      Sie kommen am Nachmittag in Satipo an. Ein heißes, seelenloses Provinznest, irgendwann in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts von Siedlern aus dem Boden gestampft, die die Weiten des Amazonasgebietes erschließen wollten, weil sie sich hier ein einfacheres Leben als im Andenhochland erhofften. Ein schlichtes Flachdachhaus gleicht dem anderen. Der architektonische Einfallsreichtum wird allenfalls von deutschen Nachkriegssiedlungen oder sozialistischen Plattenbauten übertroffen.

      In den Schaufenstern der Geschäftsstraße liegt nichts als Ramsch aus Fernost. Rosa Nylonblüschen mit Rüschen, japanische Markenfernseher, zu billig, um echt zu sein, klotzige goldene Uhren für ein paar Soles. Wer Geld hat und Geschmackvolleres sucht, fährt zum Einkaufen nach Lima. Oder fliegt nach Miami.

      In einer Seitenstraße finden sie ein kleines Hotel, in dessen Hinterhof sogar Platz für das Auto ist. Rosa-Li war nicht wohl bei dem Gedanken, die Luxuskarosse nachts auf der Straße stehenzulassen. Wenn ihnen der Wagen gestohlen würde, könnten sie sich den Rest ihrer Ferien mit Polizei und Versicherung rumschlagen. Nicht auszudenken!

      Rosa-Li hätte sich nach der Fahrt zu gern ein Weilchen aufs Ohr gelegt, doch Roberto drängt. »Wenn wir diese Elena Cruz heute noch finden wollen, müssen wir uns auf die Socken machen. Damit sie nicht Feierabend macht, bevor wir kommen.«

      Nachdem ihnen der junge Mann an der Rezeption die Adresse des örtlichen Krankenhauses genannt hat, das dem Hotel am nächsten ist, brechen sie sofort auf. Doch in dem Hospital arbeitet keine Elena Cruz. Einer plötzlichen Eingebung folgend, fragt Rosa-Li die Schwester am Empfang nach einem Familienplanungsprojekt in der Stadt, denn womöglich hat Jorges Programm für arme Frauen eine Zweigstelle in Satipo, und Elena arbeitet dort. Die Schwester schaut sie zunächst skeptisch an, doch dann nickt sie. »Ja, es gibt hier eine Familienplanungsstation.«

      »Stimmt etwas nicht mit der Station?«, fragt Rosa-Li.

      Die Schwester zögert einen Moment, aber dann antwortet sie doch. »Ihr Ruf hat in letzter Zeit erheblich gelitten. Aber mehr weiß ich auch nicht. Man hört nur so einiges.«

      »Was hört man denn?«, schaltet sich Roberto ein. Er stützt sich auf die Empfangstheke und sieht die junge Frau im weißen Kittel lächelnd an. Und – wie könnte es anders sein – die Schwester taut auf. »Nun ja, es sind in letzter Zeit mehrere Frauen zu uns gekommen, weil sie schwanger geworden sind, obwohl man ihnen dort die Pille gegeben hat. Bei einigen von ihnen hat die Schwangerschaft zu Komplikationen geführt, sie hätten um ihrer Gesundheit willen nicht schwanger werden dürfen. Und eine Frau aus einem Dorf der Ashaninkas ist sogar gestorben. Aber mehr weiß ich auch nicht, ich arbeite hier nur halbtags als Hilfsschwester.«

      »Wer weiß denn mehr darüber?«, will Roberto wissen.

      »Die Ärzte und der Gemeindepfarrer. Der sagt, die Station sei des Teufels.«

      Was nicht sehr erstaunlich ist, schließlich hat die katholische Kirche etwas gegen Antibabypillen und Präservative. Obwohl Rosa-Li bei ihren Reisen durch Lateinamerika schon so manchen Pfarrer und so manche Nonne getroffen hat, die ihre Schäfchen nicht nur Ogino Knaus anempfehlen. Weil sie tagtäglich sehen, wohin es führt, wenn die Familien zehn und mehr Kinder haben. Zu noch mehr Elend. Aber laut sagen würden sie das nie, schließlich wollen sie ihren Job behalten.

      Sie lassen sich von der Hilfsschwester den Weg zur Station beschreiben und brechen auf. »Es sieht so aus, als stimmte da tatsächlich etwas nicht. Dabei hatte ich bei meiner Reportage damals einen richtig guten Eindruck von Jorges Familienplanungsstationen. Allerdings war ich nicht hier, sondern in Lima und in einem Dorf im Norden, dessen Namen ich vergessen habe.«

      »Das ist aber schon ein paar Jährchen her, und so etwas kann sich schnell ändern. Und am örtlichen Chef liegt es sicher auch, ob das Ganze gut läuft oder nicht. Vielleicht ist das Projekt auch zu groß geworden, und Jorge überschaut es nicht mehr. Aber es ist müßig, zu spekulieren. Vielleicht gehört die hiesige Station ja auch gar nicht zu Jorges Projekt, sondern wird von einem anderen Träger unterhalten«, wendet Roberto ein.

      Sie

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