Ein gestörtes Verhältnis. Elisa Scheer
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Haltung, Judith!
„Ja, Mutter? Was gibt es?“
„Muss es immer etwas geben, wenn ich mein Töchterchen sprechen möchte?“
Würg.
„Erfahrungswerten nach – ja. Was kann ich also für dich tun?“
„Komm doch nach der Arbeit bei mir vorbei, auf ein Gläschen und ein gutes Gespräch!“
Auf gar keinen Fall!
„Oh, das tut mir leid, aber ich habe heute Abend schon etwas vor. Vielleicht ein anderes Mal?“
Super, das war ja richtig gesellschaftlicher Schliff!
„Dann morgen?“
„Einen Moment, ich sehe nach… nein, leider. Nächsten Donnerstag hätte ich ein Stündchen Zeit… um sieben?“
Ihre Mutter knurrte eine Zustimmung und Judith feixte vor sich hin. Nächste Woche hätte sie dann eben Kopfweh…
Das machte tatsächlich Laune, überlegte sie nach dem Gespräch. Hoffentlich hielt sie diese kühle Souveränität länger durch, so war sie ja richtig unangreifbar!
10
Vincent war am frühen Abend recht zufrieden mit sich, er war ein gutes Stück vorangekommen und fand das Arbeiten bei Schottenbach ausgesprochen angenehm. Nur diese Verrückte…
Oder vielleicht war sie auch nicht verrückt, wer wusste das schließlich. Er jedenfalls nicht. Und eigentlich ging es ihn auch überhaupt nichts an.
Auf dem Weg nach Hause klingelte sein Handy, das auf dem Beifahrersitz lag. Er warf einen raschen Blick darauf – nein. Für seine Mutter zahlte er nicht vierzig Euro Strafe oder verursachte womöglich einen Unfall. Was dachte sie sich eigentlich? Dass er um Viertel nach fünf nichts Besseres zu tun hatte als sich ins Kreuzverhör nehmen zu lassen?
Zu Hause sah er sich wieder einmal beifällig um: karg, sehr karg. Gut so!
Der Futon allerdings – da wäre ein Bett vielleicht doch auf die Dauer besser? War er schon so alt? Mit gerade mal dreißig? Trüber Gedanke.
Er hatte gerade einen enttäuschten Blick in den Kühlschrank geworfen, als das Telefon wieder loslegte. Resigniert nahm er das Gespräch an und stellte fest, dass seine Mutter in aufgekratzester Stimmung war.
„Hast du etwas getrunken?“, fragte er sofort misstrauisch und ihr helles Lachen (das sie für perlend hielt) bestätigte seine Annahme.
„Warum auch nicht, mein guter Junge? Meine lieben Freundinnen waren gerade zu Tee und Sherry und diesen entzückenden Cupcakes hier und wir haben den köstlichsten Klatsch ausgetauscht!“
Diese exaltierte Sprechweise nervte ihn ganz besonders. Und ihre Freundinnen waren samt und sonders völlig nutzlose Geschöpfe, deren Gesprächsthemen vor allem aus Friseurpostillen stammten – er hatte diese Klatschrunden in seinen späteren Teeniejahren oft genug mitbekommen.
Mama brannte offenbar darauf, ihm diesen Klatsch zu unterbreiten, also durchkreuzte er ihren Plan erst einmal, indem er fragte: „Cupcakes? Sind das nicht diese Kuchen mit haufenweise Sahne und Zuckerschnickschnack darauf? Wolltest du nicht etwas mehr auf deine Gesundheit achten?“
Brummen – das hatte ihre Laune erfolgreich gedämpft. Aber sie musste wirklich aufpassen, ihr Blutdruck war gelegentlich zu hoch, und ihr Blutzucker befand sich auch an der Grenze. Daran hatte sie offenbar selbst gerade gedacht, denn sie fragte mürrisch: „Soll ich meinen Gästen etwa harte Eier servieren? Du kannst einem wirklich jeden Spaß verderben! Aber weißt du, was ich gehört habe?“
Er resignierte. „Spuck´s schon aus!“
„Sei nicht so ordinär!“
Leider ließ sie sich nicht auf diesen Pfad locken, sondern kicherte wieder animiert: „Du kennst doch Jessica Rother, oder?“
„Nein. Wer soll das sein?“
„Aber Junge! Die Schauspielerin!“
„Hilf mir mal, wie sieht sie aus? Sexy?“
„Vincent, bitte! Hast du gar nichts anderes im Kopf? Jessica Rother ist bestimmt so alt wie ich.“
Enttäuschend: Seine Mutter war immerhin zweiundsechzig.
„Sie war mal mit Wolfgang Schottenbach verheiratet!“
„Ach – und das war dir neu? Ich denke, Schottenbach ist dein Jugendfreund? Hat er dich etwa nicht zur Hochzeit eingeladen?“
„Sie haben nicht hier geheiratet, sondern in Kalifornien. Und ich konnte nicht hin, weil ich nicht wusste, wo ich dich lassen sollte. Natürlich war ich eingeladen!“
Ach, jetzt war er also schuld? Aber auf diesen Nebenkriegsschauplatz ließ er sich nicht locken!
„Kalifornien? Sag bloß, diese Jessica Wie-auch-immer hat es bis nach Hollywood geschafft?“
Seine Mutter schnaubte vernehmlich und eindeutig verächtlich. „Wollte sie wohl gerne. Ich wüsste nicht, dass sie jemals auch nur Probeaufnahmen gemacht hätte. Sie hat sich einfach dort herumgetrieben und wahrscheinlich jedes Casting mitgemacht. Na, und Wolfi hatte dort was mit Computern zu tun.“
„Gab´s die damals denn schon?“, konnte Vincent sich nicht verkneifen.
„Junge, das war – lass mich nachdenken – das muss fünfundachtzig gewesen sein. Da gab´s doch schon Computer. Oder?“
„Ja, den Commodore 64 vielleicht. Moment, Microsoft und IBM haben sich 1980 zusammengetan… okay, du hast Recht – aber ich wette, du hattest noch keinen Rechner!“
„Wozu auch? Aber jetzt lenk mich nicht dauernd ab!“
Ob sie noch wusste, was sie eigentlich erzählen wollte? Er grinste in sein Telefon.
„Lachst du über mich?“
„Aber nein!“
„Mir ist gerade was eingefallen – wo hat Jessica damals eigentlich ihre Kinder gelassen?“
„Kinder? Wieviele hat sie denn?“
„Aha, das interessiert dich also?“
Mist, verdammter.
„Nein. Also?“
Jetzt grinste seine Mutter. Hörbar!
„Sie hat zwei Buben, die waren damals – na, vielleicht acht oder so. Nein, natürlich sind die nicht von Schottenbach! Die waren von ihrem ersten Mann,