Moses, der Wanderer. Friedrich von Bonin
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„Wie lange brauchen sie denn, um den Damm fertig zu stellen?“, fragte er neugierig.
„Wenn sie in diesem Tempo weitermachen, bis heute Abend, und vor morgen oder übermorgen steigt der Nil nicht so hoch, wir werden rechtzeitig fertig, um den Bau und vor allem den Garten zu schützen“, beruhigte ihn Ptoma.
„Und das sind Hebräer, die da arbeiten?“ Moses sah nun Einzelheiten. Er betrachtete die unterschiedlichen am Bau beschäftigten Menschen. Da waren Ägypter, in Arbeitsleinen gekleidet, die offenbar lediglich Anweisungen gaben, unter ihnen einige, die mit langen Peitschen bewaffnet waren, von denen sie ohne weiteres Gebrauch machten, und zwar auf den Rücken der Arbeiter. Diese hatten durchweg hellere Haut als die Aufseher, so hell etwa wie die Moses. Einige von ihnen hatten dunkelblondes Haar, eine Farbe, die bei den Ägyptern so gut wie nie vorkam. Unter ihnen gab es junge Burschen, stämmig, mit starken Muskeln bepackt, die die großen Karrenwagen mit Steinen beladen zogen, andere schleppten das Material von den Karren zur Baustelle. Die meisten wirkten allerdings nicht kräftig, es waren Männer aller Altersgruppen, auch ganz alte, ausgemergelte dabei. Alle trugen sie lediglich einen Schurz aus Leder um die Hüften, die Rücken waren bloß, den Peitschenhieben der Aufseher wehrlos ausgesetzt. Als Moses noch genauer hinsah, ging es ihm wie ein Stich durch das Herz. Die hebräischen Männer waren schmutzig, so schmutzig, wie Moses sich das bisher nicht hatte vorstellen können. Die Rücken waren voll Staub, mit Blut aus den Hieben gemischt, schweißnass, und jetzt, als sie näher kamen, hörten sie das unterdrückte und zum Teil laute Stöhnen und Jammern, unter dem die Männer ihre Arbeit verrichteten.
„Musst du sie denn schlagen lassen?“, fragte Moses erbittert. Ptoma schaute auf. Er war verwundert, dass der königliche Bote sich für die hebräischen Sklaven interessierte. Er, Ptoma, hatte noch nie einen Gedanken an sie verschwendet. Klar, wenn sie so hart heran genommen wurden, starben sie, vor allem die Alten und die, die nicht so stark waren. Aber was lag daran? Wenn sie starben, wurden sie durch andere ersetzt, die Dörfer der Hebräer in der Nähe waren voll von ihnen, ein unerschöpfliches Reservoir, darüber brauchte man sich nun wirklich keine Gedanken zu machen. Aber Moses ließ nicht locker:
„Arbeiten sie denn nicht besser, wenn sie nicht geschlagen werden?“
„Nein, sie sind das gewöhnt. Wenn man nicht auf sie aufpasst, werden sie langsam und schaffen ihr vorgeschriebenes Pensum nicht. Und dann ziehen wir die Aufseher zur Verantwortung. Und die meinen, dass die Hebräer ohne Schläge gar nicht richtig arbeiten können. Sie brauchen das. Überhaupt, was machst du dir eigentlich so viel Sorgen um diese hebräischen Sklaven? Sie vermehren sich in ihren Dörfern so schnell, dass wir froh sind, wenn sie bei der Arbeit sterben. Wenn sie nicht in Schranken gehalten werden, sind sie bald mehr als wir Ägypter, und dann verlassen sie ihr Reservat, das ihnen in Gosen zugewiesen ist. Und wenn du schon mit ihnen Mitleid hast, solltest du mal eines ihrer Dörfer besuchen“, Ptoma schüttelte sich vor Ekel, „schmutzstarrend, voller Gewalttätigkeit, kein Ägypter, der bei Verstand ist, geht auch nur tagsüber in ihre Dörfer.“
„Aber ich gedenke, eines ihrer Dörfer zu besuchen, ein Dorf nämlich, in dem ein Mann namens Amram wohnt, mit seiner Frau Jochebed.“
Ungläubig starrte Ptoma seinen Gast an.
„Du willst in eines ihrer Dörfer gehen? Bist du lebensmüde oder willst du dich verkleiden? Du bist noch jung, lass dich von mir beraten, Moses, geh da nicht hin, du wirst erschlagen werden und, wenn nicht, dich zu Tode ekeln.“
Aber Mosche war entschlossen, und er gab Ptoma keine weiteren Erklärungen ab. Ptoma betrachtete ihn neugierig. Er sah diesen jungen Mann mit den merkwürdigen Wünschen, der das Siegel des Königs trug, aber eine Haut, die ihn, Ptoma, auf den Gedanken brachte, ob er den Hebräern nicht näher stand, als er zugab. Aber einen Mann namens Amram finden? In welchem Dorf denn? Wenn man einen bestimmten Hebräer suchte, schickte man hebräische Kundschafter in die Dörfer und befahl ihnen, nach diesem Menschen zu suchen und ihn her zu bringen, in den Palast.
„Du hast also hebräische Kundschafter?“, war alles, was Moses auf den Redeschwall seines Gastgebers antwortete, „dann möchte ich, dass zwei von ihnen mich morgen begleiten, damit ich Amram und seine Frau finde.“
Und langsam gingen sie weiter, zur nächsten Baustelle. Es war inzwischen Mittag geworden, die Sonne brannte unbarmherzig auf die Arbeiter herab und selbst Ptoma und Moses, die im Schatten von dichten Palmen standen, wurde es zu heiß. Dennoch arbeiteten die Sklaven ohne Pause weiter, ihre Arbeit nur unterbrechend, wenn sie vor Durst zusammen zu brechen drohten. Moses konnte kaum an sich halten, als er einen ägyptischen Aufseher sah, wie er auf einen alten Mann, der offenbar vor Durst und Erschöpfung nicht mehr weiter arbeiten konnte, so lange einschlug, bis der Sklave leblos auf dem Weg liegen blieb. Der Ägypter rief zwei andere Sklaven, die den alten Mann weg trugen, Moses war sich sicher, dass er unter den Schlägen gestorben war. Sein Herz krampfte sich vor Mitleid zusammen, aber er sah, wie Ptoma die Szene beifällig betrachtete, wollte ihn nicht weiter verärgern und fügte sich, als Ptoma ihn bat, zum Palast zurück zu kehren.
3.
Moses Herkunft war unbekannt und wurde verschwiegen, ihm und allen anderen, zu seiner Verzweiflung. Seine helle Haut und seine hohe und breite Gestalt ließen alle Menschen seiner Umgebung vermuten, er sei Hebräer, Angehöriger dieses verachteten Sklavenvolkes, das im Norden des Landes unter der Knute schuftete und von dem nur Einzelne in der Stadt Frondienst taten, in der Moses aufwuchs, der Königsstadt Theben. Aber wenn er Hebräer war, so fragte er sich und so fragten sich natürlich auch alle anderen, warum ging er in die Schule der Vornehmen, der Söhne der Palastbeamten und tat nicht Frondienst in Theben oder wurde sogar nach Norden geschickt, um unter der Aufsicht der Beamten zu arbeiten? Stattdessen wurde er ausgebildet und erzogen, als ob er der Sohn eines Vornehmen war, hatte sogar zum Palast des Pharao Zutritt, wie nur wenigen Menschen vergönnt war.
Hässliche Gerüchte begleiteten ihn, so lange er denken konnte, selten wurden sie ihm ins Gesicht gesagt, und wenn, dann nur als eine der üblichen Beleidigungen, wie sie unter den jungen Menschen nach dem Unterricht an der Tagesordnung waren. Hinter seinem Rücken aber und nicht nur über ihn wurden schlimme Geschichten erzählt. Ein Früchtchen sei er, Frucht einer kurzen leidenschaftlichen Verbindung zwischen der Prinzessin Thermutis, der Tochter Pharaos, und einem hebräischen Sklaven. Sie habe ihn arbeiten gesehen im Palaste in der Nähe ihrer Gemächer, wie er mit nacktem, verschwitztem Oberkörper Steine behauen habe, habe auf ihrem Balkon gesessen, den süßen Saft der Mango getrunken und habe das Spiel seiner starken Muskeln beobachtet, bis sie, von der Hitze und dem Anblick angestachelt, nicht habe an sich halten können und den Sklaven in ihr Schlafzimmer befohlen habe. Dort habe sie sich ihm ergeben, einen Nachmittag und eine Nacht lang, bis sie ihn, erschöpft von dem Liebesspiel, von sich geschickt habe. Ihre Leibwächter aber, denen ihr Schutz auferlegt gewesen sei, hätten die Begegnung erst zu verhindern gesucht, dann aber geschehen lassen. Um aber sicher zu gehen, dass von dieser Nachlässigkeit und dem Vergehen der Prinzessin niemand Kunde erhalte, hätten sie den Hebräer direkt nach dem Verlassen des Palastes getötet und verscharrt.
Niemand, so wurde gemunkelt, habe von diesem Vorfall etwas mitbekommen, weil die Leibwächter schon zu ihrem eigenen Schutz eisern geschwiegen hätten. Nach fünf Monaten sei es aber nicht zu verheimlichen gewesen, Thermutis sei schwanger gewesen, rund wölbte sich schon ihr Bauch unter dem leichten Leinen, das sie in Zeremonien tragen musste. Sie habe sich dann ihrem Bruder Ramses offenbart, der sehr erbost gewesen sei, aber