Zwischen meinen Inseln. Ole R. Börgdahl
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Brisbane, 13. April 1923
Vater ist wieder zu Besuch in Brisbane, er ist aber nur auf der Durchreise. Vater will nach Albany, wo es einen Gedenktag für die Kriegstoten geben soll. Vater sagt, dass es nur ein Nachspiel des großen Krieges sei und dass er Gedenktage eigentlich hasse, egal, ob es um etwas Trauriges oder etwas Schönes geht. Albany liegt ja im Westen unseres großen Landes, aber es gibt von Auckland aus keine direkte Schiffsverbindung dorthin und so hat Vater sich entschieden, seine Reise etwas zu verlängern. Von Brisbane aus nimmt er am Freitag den Zug nach Sydney und fährt dann weiter nach Melbourne, Adelaide und schließlich nach Albany. Auf der Rückfahrt will er über Perth mit dem Schiff wieder nach Auckland kommen. So kann er auch andere Termine mit dieser Reise verbinden und ich habe die Gelegenheit, ihm an die großen Städte zu schreiben und er wird mir natürlich auch schreiben und alles berichten.
Brisbane, 29. April 1923
Nur eine kurze Notiz, Tom hat mir mein Büchlein ins Krankenhaus gebracht. Ich liege im Krankenhaus und wurde vor vier Tagen operiert, ich bin nun um ein Organ ärmer, mir wurde der Blinddarm entfernt, der oder das Zäkum, wie mein Arzt ihn nennt. Ich muss jetzt aufhören mit dem Schreiben, denn ich darf noch gar nicht aufrecht im Bett sitzen, ich soll mich überhaupt nur ganz wenig bewegen.
Brisbane, 3. Mai 1923
Die Operation ist jetzt acht Tage her. Ich bin ein leichter Fall, wie die Ärzte und Schwestern mir gesagt haben. Am einfachsten ist es bei Kindern und wer als Kind bereits seinen Blinddarm verloren hat, soll froh darüber sein. Ich wäre beinahe gar nicht operiert worden, weil ich keine richtigen Symptome hatte. Ich musste noch einmal nach Hause gehen. Am Dienstagmorgen habe ich mich nur ein ganz wenig übel gefühlt. Ich hatte keinen Appetit, habe nur ein wenig getrunken. Am Abend habe ich mich früh ins Bett gelegt. Ich bin dann nachts mit leichten Schmerzen aufgewacht, ich war am Bauch ganz empfindlich. Ich habe bis sechs wach im Bett gelegen. Dann bin ich aufgestanden, habe Tom geweckt und bin mit ihm zum Wesley gefahren. Ich bin sofort drangekommen, mir wurde der Blutdruck gemessen, ich wurde abgetastet und schon stand das Ergebnis fest, Blinddarmentzündung. Der Arzt wollte mich dann solange dabehalten, bis ich richtige Symptome bekomme. Er hat dann kurz überlegt und sich anders entschieden. Ich war um acht im Wesley und wurde schon um halb zehn operiert. Tom ist alleine zur Schule gegangen, ich habe ihm noch Geld für das Taxi gegeben. Helen und Olga habe ich auch noch schnell angerufen. Helen wollte gleich ins Krankenhaus kommen, aber ich bat sie, bei mir zu Hause auf Tom zu warten und sich nach der Schule um ihn zu kümmern. Nach der Operation bin ich nachmittags im Krankenzimmer aufgewacht. Das Zimmer ist mit drei anderen Patientinnen belegt, das heißt, jetzt sind es nur noch zwei, gestern wurde eine ältere Dame entlassen. Abends nach der Operation waren sie schon alle bei mir zu Besuch, Helen, Olga und Tom und auch Mrs. Lovegrove war da. Die beiden Johns sind dann sogar auch noch dazugekommen. Mir wurde leider nur eine halbe Stunde Besuch genehmigt und es war auch gut so. In der Nacht habe ich mich dann richtig ausgeschlafen. Am nächsten Morgen waren die Nachwirkungen der Narkose schon nicht mehr zu spüren, ich habe mich sehr gut gefühlt und es geht von Tag zu Tag besser. Ich muss aber dennoch eine weitere Woche im Krankenhaus bleiben.
Brisbane, 10. Mai 1923
Der ANZAC-Tag wurde am 25. April begangen, also genau am Tage meiner Operation, mir war folglich nicht zum Feiern zumute. ANZAC steht für Australisches und Neuseeländisches Armee Corp. Der Begriff ist nicht neu, ich habe ihn bestimmt schon einmal während des Krieges erwähnt. Vater hat auch geschrieben, er ist schon in Perth. Mir fällt ein, dass er noch gar nichts von meinem Blinddarm weiß. Der 25. April ist jedenfalls der Tag der Gallipoli-Landung, die ja eigentlich in einer Katastrophe für unsere Soldaten endete. Dies hat aber gerade den Zusammenhalt und den großen Stolz der Nation begründet. Ich zitiere hier natürlich wieder die Presse. Vater hat in seinem Artikel etwas anderes geschrieben. In seinem Fazit bekennt er allerdings, dass er Franzose ist, und dankt abschließend den Männern des ANZACS für ihren aufopferungsvollen Einsatz.
Brisbane, 15. Mai 1923
Ich wurde heute aus dem Krankenhaus entlassen. Es hat jetzt doch etwas länger gedauert, aber ich habe mich dort ganz wohl gefühlt. Ich habe viel gelesen. Tom hat mir fast jeden Tag etwas aus der Bücherei mitgebracht und dann sind da ja noch die Zeitungen. Ich werde heute wieder in meinem eigenen Bett schlafen und darauf freue ich mich schon. Auf die Dauer ist es doch sehr lästig, morgens um halb sechs geweckt zu werden und wenn die Schwester kommt, um Fieber zu messen und das Bett zu machen.
Brisbane, 2. Juni 1923
Ich bin sehr stolz auf Tom. Er bekommt weiterhin gute Noten. Ein Elternsprechtag steht erst im September an, aber auch dann werde ich wohl nichts anderes zu hören bekommen, als es die Zensuren jetzt schon sagen. Tom liebt Physik, Chemie und die Mathematik. Er interessiert sich jetzt nicht mehr nur für Automobile, sondern auch für Eisenbahnen, für die Dampflokomotiven. In seiner Schule gibt es eine Bibliothek und er hat sich Bücher über Dampflokomotiven mit nach Hause genommen. Ich muss mir alles anhören, was er sich erliest. Tom erklärt mir dann die Kraft des Dampfes oder erzählt mir etwas über Schwungräder.
Brisbane, 20. Juni 1923
Ich habe mir heute meine Narbe betrachtet, sie ist schon ganz blass. Der Arzt sagt, es würde nur eine feine Linie bleiben, er sei dafür Spezialist. Ich werde es sehen, obwohl sie mich nicht stört, wer sollte mich denn sehen, ich müsste schon halbnackt auf die Straße gehen. Tom ist allerdings ganz neidisch auf die Narbe. Er hätte auch gerne eine, am besten auf der Stirn oder am Arm. Ich habe gleich gedacht, dass er seine eigenen Narben noch früh genug bekommen wird.
Brisbane, 7. Juli 1923
Die Zeitungen schreiben von der Sommerromanze des letzten Jahres, die jetzt in einer Sommerhochzeit mündete. Die Familie Altsmith gibt bekannt, dass ihr Spross John B. Altsmith die Ehe eingeht, mit einer Patricia Soundso, ich habe den Namen vergessen und keine Lust ihn noch einmal nachzuschlagen. Patricia und John B. haben also geheiratet. Auch wenn ich ihren Nachnamen vergessen habe, so habe ich doch die Geschichte ihrer Liebe nicht vergessen, es wurde ja alles in den Zeitungen ausführlich beschrieben. Patricia ist Krankenschwester, also kein Mädchen aus reichem Hause. Sie hat aber den Mut besessen, die Altsmiths um eine Spende für ein neues Krankenhaus in Newcastle zu bitten. Da John B. seit einigen Jahren in Newcastle residiert, haben sich die beiden getroffen und lieben gelernt. Ich weiß nicht, wie John B. sich bei seiner Familie durchgesetzt hat, wie er diesen Standesunterschied durchgesetzt hat. Plötzlich zweifle ich daran, dass er mich damals abgewiesen hat, weil ich seiner Familie nicht fein genug war. Vielleicht hatte ich aber auch nur Pech und bin dem unreifen John B. begegnet, der sich noch von seiner Familie lenken ließ. In den Jahren in Newcastle ist er eben zu einem richtigen Mann geworden. Ich habe ihn wohl zu früh kennengelernt, obwohl ich doch jetzt ganz froh bin, dass es so gekommen ist. Ich wünsche den Eheleuten viel Glück und hoffe, dass sich Patricia in dieser Familie wohlfühlt, ich könnte es nicht, damals nicht und heute bestimmt auch nicht.
Brisbane, 17. Juli 1923
Ich habe die monatlichen Zahlungen aus Toms Stipendium heute einmal zusammengerechnet. Das Schulgeld wird ja direkt nach Lutwyche überwiesen. Wir bekommen aber auch noch eine weitere Unterstützung. Die Schuluniform wird vollständig bezahlt, ich brauche die Rechnungen nur einzureichen. Neben Hose und Jacke gehören auch die Schuhe zur Uniform, was sehr