Kurzgeschichtensammlung I. Jan Nadelbaum
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„Was soll mit denen sein? Haben doch auch ihren Spaß.“
„Ja, schon… aber…“
„Ach, du denkst zu viel“, unterbrach ihn Stig unwirsch.
„Ich weiß nicht, ob du so einmal glücklich wirst. Ich würde es nicht.“
„Wer sagt denn, dass ich nicht glücklich bin“, er starrte ihn an.
Seine Gesichtszüge verrieten einen gewissen Grad Gereiztheit. Was musste Aaron ihn auch solch ein Zeug fragen? Überhaupt: Aaron – er könnte viel mehr aus sich machen, wenn er sich bloß einmal bemühen würde. Es fing ja schon bei den Klamotten an – ging es nicht etwas moderner? Nicht, dass er altmodischen Kram trug, allerdings: Etwas mehr Modebewusstsein täte ihm sicherlich gut. Kein Wunder, dass er bei Frauen nicht landen konnte. Er war keineswegs unattraktiv, das musste Stig ihm zugestehen, doch schien er zu wenig Wert auf sein Äußeres zu legen, entschieden zu wenig!
„Hab ich so nicht gesagt. Ich kann mir hingegen nicht vorstellen, dass das dein ganzes Leben so läuft. Wie viele waren es denn seit Pia?“
Stig holte tief Luft.
„Vier oder fünf.“
„Also rein rechnerisch pro Monat ungefähr eine“, grinste nun selbst Aaron.
„Nee. Wenn ich abends weg bin, gehe ich meistens nicht alleine heim.“
„Wie gut, dass wir heute Mittag aus sind…“
„Ja, und wie gut, dass du ein Typ bist“, entgegnete Stig mit schallendem Gelächter und lehnte sich nach hinten.
Der geöffnete Kragen seines Hemds legte eine silberne Kette frei. Aaron schluckte und sah dann betreten auf den Platz unter ihnen. An dem Brunnen spielten einige Schulkinder. Es war heiß, irgendwie zu heiß für diese Jahreszeit. Eine Traube Touristen hatte sich vor dem Dom versammelt. Aaron erkannte nicht, ob sie ihn bereits besichtigt hatten oder ob sie ihn noch besichtigen würden. Zwei, drei Mal war er dort gewesen – höchstens. Von außen wirkte er imposant, majestätisch, prachtvoll. Innen war es ihm zu düster, zu muffig. Kaum Licht, kaum Luft. Von außen allerdings, das musste er zugeben, verfehlte der Dom keineswegs seine Wirkung.
Stig verharrte weiterhin in seiner Pose. Hin und wieder ließ er die Brustmuskeln spielen. ‚Ein echter Macho‘, dachte Aaron und konnte es ihm nicht verübeln.
„Frauen sind wie Straßenbahnen“, griff Stig den Gesprächsfaden wieder auf, „nach der einen kommt immer ‘ne andere.“
„Aber je später es wird, desto weniger fahren“, konterte Aaron.
„Aber es fahren welche“, zwinkerte Stig ihm zu und schob sein Messer auf dem Tisch hin und her.
„Aber vielleicht nicht mehr so weit wie frühere…“
„Aber, aber, aber – wie bist du denn drauf? Werd‘ doch mal locker! Ist ja schlimm. Ich leb‘ doch nicht im Kloster“, er schlug ihm auf den Oberarm.
Aaron sagte nichts. Er beobachtete die kleinen Bläschen, die in seinem Wasser aufstiegen und an der Oberfläche zerplatzten. Unweigerlich dachte er an sich, an seine Träume. Hatte Stig womöglich Recht? Sollte Aaron nicht alles etwas lockerer nehmen? Anscheinend lebte Stig ja ganz gut damit. Aaron starrte noch eine Weile auf die Bläschen in seinem Wasserglas, während sich Stig eine Zigarette anzündete und den Qualm genüsslich in die Richtung seines Freundes blies, der angewidert die Nase rümpfte und wieder aufsah. Erst jetzt bemerkte er die kleine Rose, die in einer schmalen Vase frisch und duftend zwischen ihnen stand.
„Schöne Blume.“
„Gibt’s doch zurzeit überall auf den Tischen“, raunzte Stig und zog erneut an seiner Zigarette.
„Was macht deine Arbeit“, erkundigte sich Aaron.
„Läuft. Verdiene gut.“
„Macht’s denn auch Spaß?“
„Meine Arbeit? Nö. Hauptsache das Geld stimmt. Macht dir deine Arbeit etwa Spaß?“
„Ja, schon. Aber bei mir stimmt dafür das Geld nicht so“, grinste Aaron.
„Dann würde ich mir was anderes suchen.“
„Ich komme ja hin. Dafür macht es mir halt Spaß. Bist du noch in derselben Kanzlei?“
„Ja. Hey, da kommt die Süße wieder“, Stigs Augen hafteten, kaum, dass es gesagt war, abermals auf der Kellnerin, die ihnen einige Minuten später ihren Pizzen brachte, Aaron die vegetarische, Stig die Don Giovanni.
Ihr Gespräch plätscherte so dahin. Eine Belanglosigkeit jagte die andere. Als sie fertig gegessen hatten, trennten sich ihre Wege.
II.
Lange würde es nicht mehr dauern und die warme Julisonne wäre hinter den Häuserdächern verschwunden. Ein wenig drohend wirkten die Schatten, die immer länger werdend über den engen Platz krochen. In der Stadt war es bereits ruhiger geworden. Viele befanden sich längst auf dem Heimweg oder tätigten noch hier und da ein paar Einkäufe, ehe sie danach den anderen folgten. In einer Loggia, leicht erhöht, saßen zwei junge Männer, die sich hier nach der Arbeit verabredet hatten.
„Wir haben uns ja seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen“, meinte Stig.
„Nein“, korrigierte Aaron, „drei, vier Monate sind keine Ewigkeit.“
„Kam mir länger vor…“
„Du hast mich wohl vermisst“, sagte Aaron und konnte sich ein Lachen nicht verkneifen.
„Das hättest du wohl gerne. Ist vermutlich eher umgekehrt“, widersprach Stig.
„Du überschätzt dich.“
Aaron stierte in die Augen seines Freundes, dass diesem das neckische Grinsen zu einer ernsten Miene gefror. Ein junger Kellner brachte zwei Weizen. Mit einem schüchternen „Bitteschön“ stellte er sie ab und entfernte sich. Stig spielte nervös an seinem Schlüsselbund, den er auf den Tisch gelegt hatte.
„Ist diesmal leider keine Kellnerin“, stichelte Aaron.
„Ach“, zischte Stig verärgert.
„Ist irgendwas nicht in Ordnung?“
Er schaute zuerst zur Seite, dann kurz zu seinem Freund, dann wieder zur Seite.
„Nein, was soll sein?“
„Du bist irgendwie anders?“
„Ich? Anders? Nein, ich bin noch ganz der Alte“, brach er in ein Gelächter aus, das wenig überzeugend rüberkam. Er schien es selbst zu merken und verstummte blitzartig.
„Nein, alles in Ordnung. Du denkst dir mal wieder zu viel.“
„Und du dir zu wenig. Wie ging’s denn aus?“
„Was?“