Kurzgeschichtensammlung I. Jan Nadelbaum

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Kurzgeschichtensammlung I - Jan Nadelbaum

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paar Mal rumgemacht und das war’s?“

      „Ja.“

      „Stört dich das plötzlich“, wunderte sich Aaron.

      Sein Kumpel wich jedem Blickkontakt aus. Er zeichnete mit seinen Fingerspitzen simple Muster auf das beschlagene Glas. Er machte einen eigenartigen Eindruck auf Aaron. Fühlte dieser sich früher heimlich zu ihm hingezogen, empfand er heute nichts. Keine gesteigerte Sympathie, aber auch keine Abscheu. Ihm kam alles so seltsam neutral vor.

      „Nein, es stört mich nicht.“

      „Bist du nicht gut drauf?“

      „Wieso das denn“, antworte Stig fast schon aggressiv.

      „Das letzte Mal hast du mir noch stolz von deinen Weibergeschichten erzählt und gemeint, ich solle lockerer werden…“

      „Die interessieren dich doch eh nicht. Ist sowieso immer dasselbe.“

      „Langweilt es dich etwa auf einmal?“

      „Machst du jetzt einen auf Hobby-Psychologen?“

      „Nö. Ich hab ja nur gefragt.“

      „Du fragst immer nur. So wie du könnte ich nicht leben.“

      „Wie lebe ich denn?“

      „Zu brav. Zu langweilig.“

      ‚Wenn du wüsstest‘, dachte Aaron und lachte innerlich. Gleichzeitig tat es Stig irgendwie Leid, was er gesagt hatte. Der Aaron, der dort saß – war das tatsächlich der Aaron, den er all die Jahre wahrgenommen hatte? Verglichen mit ihm war Aaron in der Tat der reinste Langweiler, aber wenn man andere Maßstäbe heranzöge? Zwar bliebe sein Freund vermutlich nach wie vor brav und langweilig, doch vielleicht wäre das normal? Stig umgriff sein Glas. Das kühle Bier tat ihm gut. Auf eine Zigarette hatte er keine Lust. Die Kippen türmten sich ohnehin längst bis zum Aschenbecherrand.

      „So wie du könnte ich auch nicht leben“, erwiderte Aaron.

      „Pff… Lass mich raten: Zu aufregend, zu unstet.“

      „Nein. Zu einsam, zu ziellos.“

      Stig schluckte und griff erneut nach seinem Glas, setzte es allerdings wieder ab. Er überlegte. „Was hast du denn für ein Ziel? Karriere machen in deiner Buchhandlung? Später mal ‘ne eigene haben?“

      „Das wäre zum Beispiel eines. Was willst du denn in deiner Kanzlei? Das letzte Mal meintest du, dass es zwar keinen Spaß mache, aber das Geld stimme…“

      „Jepp, das Geld ist ok.“

      „Und das reicht dir?“

      „Ich gehe arbeiten, um Geld zu verdienen. Nicht um Spaß zu haben. Den habe ich woanders.“

      „Ich hab das Gefühl, du bist traurig…“

      Stig, der die ganze Zeit über auf sein Glas gestarrt hatte, beugte sich zu Aaron rüber.

      „Nee, ich hatte bloß seit zwei Wochen keine Tussi mehr.“

      Er fiel zurück in seinen Stuhl. Aaron, grundlos verlegen, berührte mit seinem Zeigefinger den Rand der gläsernen Vase, in der eine Rose vor sich hin welkte. Das wenige Wasser war trübe und die äußeren Blütenblätter bereits braun.

       III.

      Die Herbstnacht hatte die Stadt in ihren Mantel gehüllt. Beinahe festlich strahlten die Häuserfassaden. Viele Lichter illuminierten die verwinkelten Gässchen und mischten sich in die Wasserspiele auf den Plätzen. Ja, es war dunkel, es war Nacht, aber man sagte, dass die Stadt gerade in der Dunkelheit am schönsten sei. Hier erklang Musik, dort grölten Menschen, all das verwob sich zu einem Netz verschiedenster Klänge, das über die Dächer der Stadt gespannt worden war. In einer der Gassen, die zu einem großen Platz führte, hatten sich zwei junge Männer niedergelassen.

      „Irgendwie habe ich mich auf diesen Abend gefreut. Waren das noch Zeiten, als wir uns gemeinsam die Nächte um die Ohren schlugen“, schwelgte Stig in Erinnerungen früherer Jahre.

      „Du sprichst ja fast schon wie ein alter Mann“, lachte Aaron.

      „So komme ich mir auch beinahe vor…“

      Aaron legte die Stirn in Falten und musterte seinen Freund mit durchdringenden Blicken, die braunen Augen, die glanzlos und verloren umhersahen und nach etwas zu suchen schienen, was sie nicht fanden. Sein Gesicht, sein böses Grinsen, seine schwulstigen Lippen und die schiefen, vom Kaffee und von den Zigaretten verfärbten Zähne ließen in ihm das Gefühl von Abneigung aufkommen. Er wandte sich ab, unsicher, ob er auf das zuvor Gesagte eingehen sollte. Stig wirkte so gewöhnlich. Aaron vermisste das Besondere, Stigs Besonderes, das ihn früher gefesselt hatte. Er entschloss sich, nicht auf die Aussage seines Gegenübers zu reagieren.

      „Wie geht es dir“, erkundigte sich Stig plötzlich.

      Aaron dachte im ersten Moment, er habe sich verhört. Stig hatte ihn das noch nie gefragt. Dementsprechend zurückhaltend war seine Reaktion:

      „Wie es mir geht?“

      „Ja. Ist die Frage so schwer?“

      „Nein, bloß von dir eher ungewöhnlich. Danke, mir geht es gut.“

      „Warum konntest du heute erst so spät?“

      „Ich hatte noch eine Verabredung, wollte mich aber auch mit dir treffen. Also musste ein Kompromiss her.“

      „Soso, Verabredung…“

      Stig wartete auf weitere Ausführungen. Er bemerkte, dass sein Freund eigentlich recht hübsch war. Bisher hatte er das kaum wahrgenommen.

      „Für deine Verhältnisse fragst du heute sehr viel“, wunderte sich Aaron nicht ohne zu erröten.

      „Ich weiß. Ich bin ein Idiot.“

      Er kratzte mit dem Fingernagel auf der Tischplatte herum. Eine Bedienung näherte sich.

      „Hi, was darf ich euch bringen?“

      „Einen Espresso“, murmelte Stig ohne aufzuschauen.

      „Zwei Espressi und ein Wasser“, verbesserte Aaron und zwinkerte ihr zu.

      „Alles klar.“

      Sie verschwand.

      „Muss ich mir ernsthafte Gedanken um dich machen“, fragte Aaron.

      Stig lehnte sich zurück, die dünne hölzerne Armlehne streichelnd.

      „Du hast sie noch nicht mal angeguckt.“

      „Ja, und? Muss ich das?“

      „Nein. Gerade von dir hätte ich es allerdings erwartet.“

      „Jaja, einmal Weiberheld, immer Weiberheld.“

      „Das

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