Tödliches Monogramm. Elisa Scheer
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„Mensch! Kannst du übersetzen?“
„Klar“, antwortete ich erstaunt. „Endlos viele blöde Kurse. Ach, du meinst, einen Roman? Naja, hab ich noch nie probiert, aber warum nicht?“
„Das sag ich Scherer, dem ist jemand abgesprungen. Oder hast du was gegen Extrakohle?“
„Nie! Bloß, ob ich so viel Extrazeit habe... na, wird schon gehen. Übrigens, der Regency-Roman hat was, das ist die komplette Verarsche dieses Kitsch-Mainstreams. Total lustig. Ein bisschen wie Georgette Heyer, aber viel abgedrehter. Ich denke, das sollte sich noch jemand anschauen.“
„Du schreibst ein Erstgutachten, und wir packen es Alexander auf den Tisch. Rache für die ominöse Kiste!“ Mein zweiter Arbeitstag, und ich war zur Lektorin und Übersetzerin avanciert – ohne Vorkenntnisse! Schade nur, dass die schönsten Männer immer so unerreichbar waren.
Juni 2004
I
Das Glück schien mir weiterhin hold zu sein – bei W&L wurde mein Urteil schon nach der ersten Arbeitswoche geschätzt; Xenia und ich brachten die Ablage so richtig in Ordnung und tüftelten gemeinsam einige arbeitssparende Verfahren aus. Außerdem nötigten wir den Schlampern das Versprechen ab, nichts mehr bei uns zu verstecken, sondern uns sämtliche eingehende Manuskripte und sonstige Post offen hinzulegen, sofern sie sie nicht selbst zu erledigen gedachten.
„Und erledigen bedeutet nicht, das Zeug einfach unter einen Stapel zu stopfen und es dann zu ignorieren!“, fügte Xenia erbittert hinzu.
Ich bastelte zu Hause, wenn ich nicht gerade weiter etwas stockend an meiner Arbeit schrieb, an dieser Übersetzung aus dem Französischen und entdeckte zu meiner Verblüffung, dass mir die Sache direkt Spaß machte, sie allerdings recht schundig bezahlt wurde. Dazwischen las ich Manuskripte, damit sie schnell weitergeleitet werden konnten, telefonierte mit Petra, die immer noch ihren Doch-nicht-Chef anbetete, obwohl er sich natürlich als verheiratet entpuppt hatte, schrie einmal täglich die Maden an, weil sie Krach machten und/oder das Treppenhaus verstänkerten, und pusselte in meiner Wohnung herum, die mittlerweile richtig gepflegt wirkte.
So konnte es weiter gehen, fand ich. Damit, dass Falkenstein ein begeisterter Familienvater war, hatte ich mich abgefunden, auch wenn er nicht nur schön, sondern auch furchtbar nett war. Irgendwo gab es so was auch für mich, da war ich sicher. Und soo dringend war die Frage schließlich auch noch nicht. Meine ersten Einkünfte nutzte ich, um mein Konto ins Plus zu bringen; außerdem verkaufte ich alle Bücher, die ich nicht mehr mochte, in der Lesefabrik und brachte das doofe Goldarmband von meiner Großmutter väterlicherseits (der alten Hexe, die Papa zu dem Widerling gemacht hatte, der er jetzt war) zu einer Ankaufstelle. Immerhin, zweihundertfünfundzwanzig Euro! In meinem finanziellen Überschwang richtete ich mir gleich ein kleines Depot ein. Vielleicht wurde ich eines Tages noch reich, wenn ein neuer Börsenboom kam?
Den Prinzenpark-Mord hatte ich weitgehend vergessen, und mir schien, die Polizei und die Presse auch, jedenfalls hörte man nichts mehr davon, dabei war es jetzt ziemlich genau einen Monat her.
Thilo hatte sich bei W&L nicht blicken lassen, genau wie Philipp es prophezeit hatte, er schlich abwechselnd gedrückt herum oder war in Hochstimmung, weil seine Sorgen angeblich bald ein Ende haben sollten. Olafs fünfzig Euro hatte er allerdings immer noch nicht zurückgezahlt, und immer, wenn ich nach Hause kam und die Madentür zufällig offen stand, hörte ich, wie die beiden sich stritten, untermalt von Hubis gereiztem Brummen. Hubi wollte wahrscheinlich in Ruhe fernsehen nach einem harten Tag mit Biertragerln und nicht hören, wie Olaf Thilo zu erziehen versuchte.
Ein Esel schimpft den anderen Langohr, dachte ich mir dabei regelmäßig und hielt mir den schleimigen Olaf, das Hemd über der weißen Brust bis zur Taille offen, die dunklen Haare zu lang, das Lächeln ölig, vor Augen: War er denn besser, er mit seinem obskuren und garantiert halb kriminellen neuen Job? In einem Verlag war er jedenfalls nicht tätig!
Wenn ich nicht aufpasste, wurde ich noch zur totalen Pharisäerin.
Heute war es drüben erstaunlich still, die Tür war zu, und im Treppenhaus stank es fast überhaupt nicht. Seltsam, Thilo musste doch da sein, auch wenn die anderen ihren nebelhaften Beschäftigungen nachgingen?
Achselzuckend trug ich meine Unitasche und meine Einkäufe nach drinnen und stapelte die Kopien, die ich vor der Arbeit ergattert hatte, auf dem Schreibtisch auf. Auch gut, wenn ich nicht an die Wand hämmern und nicht im Treppenhaus herumzetern musste, sparte ich viel Zeit. Dann konnte ich auch endlich mal wieder Sandra anrufen, die hatte ich ziemlich genau seit einem Monat nicht mehr gesehen.
Sie war sogar zu Hause und klang bedrückt. Ich ärgerte mich sofort heftig über ihre Eltern – da hatten sie eine (naja, zwei, aber Toni kannte ich kaum) liebe, gescheite, vernünftige und hübsche Tochter, die es im Leben zu etwas gebracht hatte und wirklich ein Grund war, stolz zu sein, und was taten sie? Jammerten einem Kind nach, das sie vor fast zehn Jahren verloren hatten. Du interessierst uns nicht, Adrian war unser Lebensinhalt. Blödes Pack!
„Ich glaube, mit Flo ist es bald vorbei“, erzählte sie und schniefte.
„Ach herrje. Weinst du?“
„Natürlich nicht!“, widersprach sie entrüstet, „ich krieg bloß einen Schnupfen, glaube ich. Ich hab doch nie damit gerechnet, dass das mehr wird als ein bisschen Spaß im Bett. Jetzt fängt er halt zu meckern an. Typische Abseiltaktik.“
„Was hat er denn zu meckern?“, regte ich mich auf. „Der soll froh sein, dass er einer Frau wie dir die Füße küssen darf!“
Sie kicherte kurz. „So abgedreht sind wir beide nicht. Ach, er findet, dass ich manchmal so trübsinnig drauf bin, wo´s mir doch gut geht. Ich hab doch echt nichts zu jammern, sagt er. Guter Job, gesund, kein sexueller Notstand...“
„Hat er das echt so gesagt?“
„Nö, das ist meine Zusammenfassung. Und dann hat er über den Notstand noch mal nachgedacht und jetzt bildet er sich ein, ich wäre mit ihm irgendwie unzufrieden und wollte es bloß nicht sagen. Dieser Trottel!“
„Und, bist du unzufrieden?“ Mein Grinsen konnte man wahrscheinlich durchs Telefon hören. „Blödsinn, er ist super im Bett. So gut war´s noch nie, und ich kann ja nun wirklich vergleichen.“
Ja, Sandra hatte nie Schwierigkeiten gehabt, Lover für jeden gewünschten Zeitraum zu finden. „Aber sonst... manchmal wünsche ich mir schon einen, mit dem ich über so was auch reden kann, aber Männer denken ja dann doch, das man eine Heulsuse ist. Nee, lieber cool bleiben. Ist ja auch egal. Sag lieber, wie´s dir geht!“
„Ich hab Oma Zentgrafs blödes Goldarmband verscheuert und mir dafür Fondsanteile gekauft“, erzählte ich als erstes, weil ich nur an Familienknatsch denken konnte. „Sehr gut! Die war doch so ein Besen, oder?“
„Ja, ich glaube, wegen ihr ist Papa so ein Arschloch geworden. Von der will ich nichts im Haus haben, nachher verursacht das noch üble Schwingungen.“
„Oder verströmt eine schwarze Aura“, kicherte Sandra.
„Jedenfalls fühle ich mich jetzt besser. Und im Verlag läuft auch alles gut und die Diss ist bald fertig, denke ich. Das Übersetzen ist etwas mühsam, aber lustig.“