Hinrichtung, Scheiterhaufen und Todesstrafe. Johanna H. Wyer
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Der elektrische Stuhl
Erfindungsgeschichte
Zufällig wurde der Zahnarzt Albert Southwick 1881 Zeuge eines Unfalls, bei dem ein betrunkener alter Mann einen Stromgenerator berührte und sofort starb. Er erzählte dieses Ereignis seinem Freund, Senator David McMillan, der es wiederum Gouverneur David B. Hill mit dem Gedanken weitererzählte, das Erhängen als grausame Hinrichtungsmethode zu ersetzen. 1886 rief das Parlament des Staates New York eine Kommission ins Leben, die eine „menschliche und bequeme“ Art der Hinrichtung finden sollte. Man beauftragte Thomas Edison mit der Untersuchung einer Hinrichtungsmethode per Elektrizität.
Der elektrische Stuhl wurde von Edisons Mitarbeiter Harold P. Brown entwickelt. Da Edison sich stark für Browns Arbeit einsetzte, gilt er als Erfinder des elektrischen Stuhls. Edison und George Westinghouse, der den Wechselstrom propagierte, lieferten sich damals einen erbitterten Streit darüber, welche Stromart sicherer in der Anwendung sei. Edison versuchte, durch mehrere Tests mit Katzen und Pferden die Gefährlichkeit des Wechselstroms seines Widersachers zu belegen.
Im Jahr 1903 wurde von Harold P. Brown sogar die Elefantenkuh Topsy, die drei ihrer Wärter getötet hatte, mit Wechselstrom „hingerichtet“. Das Tier wurde getötet, indem es mit seinen Füßen auf Metallplatten gestellt und durch Ketten fixiert wurde, bevor Wechselstrom durch die Metallplatten geleitet wurde. Die gelegentlich zu lesende Darstellung, diese Tiertötung habe schließlich zur Entwicklung des elektrischen Stuhls als Hinrichtungswerkzeug geführt, ist sachlich falsch. Die erste Hinrichtung eines Menschen durch Wechselstrom fand 13 Jahre früher statt (siehe unten).
Der elektrische Stuhl wurde für Wechselstrom entworfen und Edison schlug den Begriff „electrocution“ oder „to westinghouse“ für die Hinrichtung auf dem elektrischen Stuhl vor. Westinghouse wehrte sich dagegen öffentlich. Er beauftragte einen bekannten Staranwalt mit dieser Angelegenheit. Westinghouse bangte um den Ruf seiner Firma, die mit der mutmaßlich gefährlichen Wechselspannung Geld verdienen wollte. Nach 14 Monaten war die Anhörung vorbei, und Edison durfte den elektrischen Stuhl zum Einsatz für eine Hinrichtung vorbereiten. Die meisten Experimente durch Edison und Brown fanden 1888 in Edisons West Orange Laboratorium in New Jersey statt.
Praxisgeschichte
Die elektrische Hinrichtung wurde am 1. Januar 1889 eingeführt. Im Staat New York trat ein Gesetz in Kraft, das die Hinrichtung von zum Tode verurteilten Verbrechern durch Benutzung des elektrischen Stuhls vorsah. Diese zuvor an Tieren erprobte, gegenüber dem Erhängen als „menschlicher“ empfundene Todesart kam am 6. August 1890 im Auburn-Staatsgefängnis im Bundesstaat New York erstmals zum Einsatz.
Der erste auf einem elektrischen Stuhl hingerichtete Mensch war William Kemmler, der wegen eines Axtmordes an einer Frau zum Tode verurteilt wurde.
Die Hinrichtung im Auburn Prison wurde durch den State Electrician Edwin Davis durchgeführt. Kemmler wurde auf dem präparierten Stuhl festgezurrt und mit jeweils einer Elektrode am Rücken und einer am Kopf verbunden (die Beinelektrode wurde erst später eingeführt). Zunächst wurde eine Spannung von 1000 Volt eingestellt. Nachdem der Strom eingeschaltet wurde, krampfte Kemmler unter starkem Zucken und wand sich vor Schmerzen. Nach 17 Sekunden wurde der Strom erstmals abgeschaltet. Zum Entsetzen der anwesenden Ärzte und Zeugen lebte Kemmler jedoch noch. Der Verurteilte röchelte, keuchte und erbrach sich.
Man entschloss sich daher, die Spannung zu verdoppeln und somit auf 2000 Volt zu erhöhen. Erst als der Strom nach weiteren 70 Sekunden abgeschaltet wurde, war der Verurteilte tot. Ein der Hinrichtung als Zeuge beiwohnender Reporter der New Yorker Presse bezeichnete anschließend diese neue Hinrichtungsmethode als eine äußerst grausame und qualvolle Art, jemanden zu töten: „Ein entsetzliches Schauspiel – weit schlimmer als Erhängen.“ Auch George Westinghouse war fassungslos: „They would have done better with an axe.“ („Sie hätten es besser mit einer Axt gemacht.“), wird er zitiert.
Die erste Frau, die durch den elektrischen Stuhl hingerichtet wurde, war Martha M. Place am 20. März 1899. Sie wurde wegen Mordes an ihrer Stieftochter Ida zum Tode verurteilt. Auch sie starb wie zuvor schon William Kemmler durch Edwin Davis als State Electrician. Der erste elektrische Stuhl in Texas, wie in einigen anderen Staaten der USA Old Sparky genannt, wurde 1924 von einem zum Tode verurteilten Häftling erbaut und war knapp 40 Jahre in Betrieb. Erst 1964 wurde er durch ein moderneres Modell ersetzt. Besonderes Aufsehen erregte der Prozess gegen die der Spionage beschuldigten Ethel und Julius Rosenberg, die am 19. Juni 1953 exekutiert wurden. Die erste Hinrichtung auf dem elektrischen Stuhl nach der Aussetzung der Todesstrafe durch den Obersten Gerichtshof zwischen 1972 und 1976 fand am 25. Mai 1979 statt, als John Arthur Spenkelink im Florida State Prison hingerichtet wurde.
Nebraska ist heute der einzige Bundesstaat der USA, in dem der elektrische Stuhl die einzige Exekutionsmethode ist. Allerdings wurde diese Hinrichtungsmethode vom obersten Gericht des Bundesstaates am 8. Februar 2008 für verfassungswidrig erklärt, da sie eine besonders „grausame und ungewöhnliche“ Hinrichtungsart sei. Das Gericht begründete weiter: „Es ist das Kennzeichen einer zivilisierten Gesellschaft, dass wir Grausamkeit bestrafen, ohne sie selbst anzuwenden“.
Außerdem führen die Staaten Alabama, Florida, Georgia, South Carolina und Virginia diese Methode noch immer fort, nachdem sie in vielen Staaten bereits abgeschafft worden war. In Arkansas, Kentucky und Tennessee werden die Todeskandidaten nur noch mit der Giftspritze exekutiert, allerdings können die Verurteilten, sofern das entsprechende Verbrechen noch vor dem Abschaffungsdatum stattfand, auf eigenen Wunsch auch auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet werden. Als bislang letzter Verurteilter wurde der 31jährige Paul Warner Powell am 18. März 2010 in Jarratt/Virginia auf dem elektrischen Stuhl exekutiert.
Die Philippinen verwendeten von 1924 bis 1976 ebenfalls den elektrischen Stuhl. Andere Länder verzichteten auf die Benutzung des elektrischen Stuhls.
Funktionsweise
Der Verurteilte wird mit mehreren breiten Ledergurten am Stuhl fixiert, und es wird ihm eine Elektrode mittels Kinnriemen am kahlgeschorenen Kopf befestigt. Eine weitere Elektrode wird am rasierten Unterschenkel angebracht. Um einen ausreichenden Stromfluss zu gewährleisten, wird zusätzlich jeweils ein mit gesättigter Kochsalzlösung getränkter Naturschwamm zwischen Elektrode und Haut platziert. Anschließend wird der Kopf des Verurteilten mit einem Lederriemen, der das Gesicht vom Kinn bis zu den Augen verdeckt (und manchmal eine Aussparung für die Nase besitzt), am Mittelpfosten der Rückenlehne befestigt. In manchen Bundesstaaten wird zusätzlich eine Kapuze aus schwarzem Stoff über den Kopf des Verurteilten gezogen.
Bei der Exekution werden mehrere Stromstöße angewendet, wobei in den USA jeder Bundesstaat in einem eigenen „Execution Protocol“ deren Anzahl, Dauer und Stärke festlegt.
Beispiel Florida: 2300 V (9,5 A) für acht Sekunden, 1000 V (4 A) für 22 Sekunden und 2300 V (9,5 A) für acht Sekunden[4]
Beispiel Virginia: 1800 V (7,5 A) für 30 Sekunden und 240 V (1,5 A) für 60 Sekunden; wird einmal wiederholt.
Sobald der Strom fließt, verkrampfen alle Muskeln, der Körper wird gegen die Gurte geworfen, die Hände klammern sich an die Armlehnen des Stuhls oder ballen sich zu Fäusten, und der Kopf wird (soweit durch die Fixierung möglich) nach hinten überstreckt. Währenddessen defäkieren und urinieren die Verurteilten, manche bluten aus der Nase, speicheln sich ein oder erbrechen Blut. Teilweise wurden die elektrischen Stühle an diese Bedingungen angepasst. Nach