Flammenreiter. Thomas Riedel
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Die Flammenreiter
Die Flammenreiter
Mystery-Thriller
von
Anna-Lena & Thomas Riedel
Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar
2. Auflage (überarbeitet)
Covergestaltung:
© 2019 Susann Smith & Thomas Riedel
Coverfoto:
© 2019 depositphoto.com
Impressum Copyright: © 2019 Anna-Lena & Thomas Riedel Druck und Verlag: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de ISBN siehe letzte Seite des Buchblocks
»Er wird alle ihre Tränen trocknen, und der Tod wird keine Macht mehr haben. Leid, Klage und Schmerzen wird es nie wieder geben; denn was einmal vorbei war, ist für immer vorbei.«
Offenbarung 21 : 4
Kapitel 1
I
m Norden wetterleuchtete es. Die Wipfel der Tannen und filigranen Blätter schlanker Birken zeichnete sich wie ein Scherenschnitt gegen den Himmel ab. Es war eine Momentaufnahme voll dunkler, ein wenig schauriger Schönheit. Eine seltsam feuchte Schwüle lag über dem Land, aber das war nicht ungewöhnlich, jetzt in den Tagen der Sommersonnenwende. In die Luft, die zu den Cavanaughs herüberwehte, mischte sich der Geruch des Hochmoores. Der alte Cavanaugh konnte die Zeichen lesen. Er wusste, bald würden sich am Himmel schwere, schwarze Regenwolken zeigen. Über die Hügel im Nordosten würden sie in Richtung der Farm ziehen. Der alte Mann mit den langen schlohweißen Haaren hatte den Arm um die Schulter seiner Frau gelegt. Sie standen mit ihrem Sohn auf der Veranda des Haupthauses, das sich wie ein verängstigtes Tier zwischen zwei Erhebungen duckte, und beobachteten das Schauspiel. Die Dämmerung hatte begonnen und kündigte von der bevorstehenden Nacht. Mächtige alte Eichen und Buchen umgaben das Wohngebäude und die umliegenden Stallungen. Sie rauschten im aufziehenden Sturm. In der Luft hing ein dumpf dröhnender Ton. Es klang als würde hinter den Hügeln am Horizont eine gewaltige Glocke angeschlagen, ununterbrochen und so schwach, dass es nur die Cavanaughs hören konnten.
»Das sind die Vorboten drohenden Unheils«, murmelte die alte Frau.
Beruhigend zog Edward Cavanaugh seine Frau fester an sich heran. Noch glaubte er an einen der üblichen Herbststürme, die über das wenig einladende Land heraufzogen.
Die dichter werdenden Wolken und der aufgekommene Nebel schluckten inzwischen fast vollständig das noch verbliebene Tageslicht. Gelblich, anheimelnd und eine falsche Sicherheit vorgaukelnd, leuchteten die Fenster des Farmhauses warm in die Dämmerung hinaus.
»Du musst dich nicht sorgen, Liebes«, sprach der alte Cavanaugh sanft und beruhigend. »Es wird nur regnen.«
Er reckte sein vom Wetter gegerbtes Gesicht dem dunklen Himmel entgegen und sog, wie er es bereits viele hundertmal schon getan hatte, prüfend die Luft durch seine scharfe, für das hagere Gesicht viel zu große Nase ein. Der alte Edward Cavanaugh hatte von den zweiundsiebzig Jahren seines Lebens den größten Teil im Freien verbracht. Dabei hatte er immer im Kampf mit den Unbilden der Natur gestanden. So leicht konnte diesen gestandenen Farmer nichts mehr erschüttern.
»Nur regnen?«, schmunzelte sein Sohn Callum, der seinem Vater nicht direkt zustimmen wollte. »Es wird sicher ziemlich heftig werden, eine sehr stürmische Nacht. Gut, dass wir schon alle Stallungen wetterfest gemacht haben.«
Callum war noch jung. Erst vor wenigen Wochen hatte er seinen achtundzwanzigsten Geburtstag gefeiert. Seine Eltern hatten erst spät zueinander gefunden und geheiratet. Callum gehörte zu der kleinen Gruppe junger Leute, die es noch in dieser einsamen Gegend aushielten und die nicht in die größeren Städte, wie Dinwall, Inverness, Elgin oder gar Aberdeen, abgewandert waren. Er war seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten. Vor allem hatte er dessen unverwechselbare große Nase geerbt, wegen der man ihn als Kind ständig gehänselt hatte. Damals hatte ihn diese Hakennase sehr gestört. Heute verlieh sie seinem jugendlichen Gesicht eine harte, markante männliche Note und deutete ebenso wie das kantige Kinn auf einen festen und unbeugsamen Willen hin.
»Jetzt kommt schon ins Haus, ihr beiden! Ich habe die Wohnstube geheizt«, forderte Hollie Cavanaugh die beiden Männer auf und löste sich aus der Umarmung ihres Gatten.
›The Good Angel‹, wie sie von allen Nachbarn tituliert wurde, war das ›Kind Heart‹, die gute Seele der Laoghaire-Farm. Sie machte ihren Männern das Leben schöner und erträglicher. Sie war es, die die Schärfen der harten Existenz ein wenig abschliff. Hollie Cavanaugh war noch eine Frau alten Schlages. Das Wort Emanzipation war fremd. Die rüstige Endsechzigerin, mit den mittlerweile rot nachgefärbten Haaren, wusste genau, wohin sie gehörte und sie fühlte sich wohl an diesem Platz. Sie hatte ihn sich bewusst ausgesucht, wie auch die Laoghaire-Farm, als sie mit neununddreißig Jahren ihren Edward zum Mann genommen hatte. Und sie wusste, dass sie hier bis an ihr Lebensende bleiben würde.
Wie nah dieses Ende sein sollte, dass konnte Hollie Cavanaugh nicht ahnen.
»Es wird sogar eine äußerst schlimme Nacht«, stellte Callum Cavanaugh bei einem weiteren Blick zum Himmel fest. Auf die Aufforderung seiner Mutter hatte er nicht reagiert. »Vor vier Tagen hat der Sturm bei den O’Sullivans die Scheune abgedeckt. Und dann hat auch noch der Blitz eingeschlagen. Sechsunddreißig Kühe sind dem Feuer zum Opfer gefallen.«
Von seinem Vater hatte Callum Cavanaugh auch eine besondere Schweigsamkeit vererbt bekommen. Soeben hatte er hatte eine der längsten Reden seines jungen Lebens gehalten.
»Möge uns Gott davor bewahren, dass auf Laoghaire so etwas geschieht«, murmelte der alte Cavanaugh, während er mit der rechten Hand ein Kreuz auf seiner Brust nachzeichnete. Dann legte er seinem Sohn seine große, schwielige Hand auf die Schulter und schob ihn ins Haus.
»So ist es recht!« Hollie Cavanaugh strahlte unbekümmert über ihr rundliches Sommersprossengesicht, das von den roten halblangen Haaren eingerahmt war und aus dem ein paar grüne Augen freundlich und stets ein wenig listig blickten. Und listig musste sie schon sein. Wie hätte sie es sonst mit zwei schwierigen Männern ständig um sich herum so lange ausgehalten. »Das Abendessen ist fertig. Danach gibt es frischen Apfelkuchen.«
»Selbst gebacken?«, fragte ihr Sohn. Über Callums Gesicht glitt ein freudiges Leuchten.
»Natürlich habe ich den selbst gebacken!« Vorwurfsvoll schüttelte seine Mutter den Kopf und stieß ihm dabei liebevoll den Ellbogen in die Seite. »Du willst mir doch wohl nicht erzählen, dass du jemals erlebt hättest, dass ich einen Kuchen fertig gekauft hätte, oder? Deine Großmutter, Gott hab sie selig, hat mir doch ihre alten Rezepte überlassen. Und solange ich noch zwei gesunde Hände habe, da wird es auch keinen gekauften im Haus Cavanaugh geben!«
Callum lachte, beugte sich leicht zu seiner Mutter herunter und drückte ihr einen innigen Kuss auf die Wange.