Die kleine Posaune der Freiheit. Ludwig Witzani

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Die kleine Posaune der Freiheit - Ludwig Witzani

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Erleichterung gab es also doch noch alleinstehende junge Frauen, die unbehelligt von westlichen Männern in der großen Stadt zuhause waren. So verschwand er allabendlich aus unserer schlauchförmigen Dependance im Stundenhotel, nicht ohne mir vorher seine Ausweise und Wertsachen zur Aufbewahrung übergeben zu haben. Ich blieb zurück, legte mich wie eine alte Frau mit einem Kissen unter den Ellbogen noch eine Stunde ans Fenster, um das Bahnhofsviertel und die Ablösung der Prostituierten in der Abenddämmerung zu beobachten, las dann ein wenig in Mankells "Hunde von Riga", bis mir das Buch aus den Händen fiel und ich einschlief.

       Was Stefan in lauen baltischen Nächten erlebte, wurde mir am nächsten Morgen brühwarm berichtet. Zuerst die gute Nachricht: bei den jungen Frauen, die Stefan in den Bars und Diskotheken ansprach, handelte es sich nicht nur um gebildete Damen, die fließend Englisch und oft auch ein hinreichendes Deutsch sprachen, sie waren nach seiner Auskunft auch immer gerne bereit, mit ihm in einen der zahlreichen Parks zu verschwinden. Schlecht allerdings war, dass diese Parks so hell erleuchtet waren, dass es diese gebildeten Mädchen aus natürlicher Scham nicht zum Äußersten kommen lassen wollten. Das war bitter, zumal sich Stefan bei der herrschenden Zimmerknappheit auch außerstande sah, auf die Schnelle ein Zimmer zu besorgen. Sprach´s und legte sich aufs Ohr, um bis in den tiefen Nachmittag zu schlafen.

      *

       Wieder schlug das Wetter um. Auf eine kurze Phase Sonnenschein folgte der baltische Dauerregen. Es goss zum Gotterbarmen, als wir im Busbahnhof von Riga ein Ticket nach Cesis erwarben, wo es eine der größten Burgruinen des Baltikums zu besichtigen gab. Die nassen Straßen spiegelten schon am Vormittag die entgegenkommenden Autolichter, die Dörfer links und rechts der Straße verschwanden im Regendunst, und die Wiesen glichen struppigen Frisuren, die immer aufs neue gewaschen, aber nie geföhnt wurden. Keine Landschaft strahlt, wenn die Sonne nicht scheint, aber im Nordosten Europas wabert eine intensive Tristesse über die Ebenen, sobald die Sonne verschwindet. Kein Wunder, dass es für die Deutschordensritter, die im 13. und 14. Jahrhundert das Baltikum zu großen Teilen erobert hatten, so schwierig gewesen war, Kolonisten aus dem sonnigen Zentraleuropas zu gewinnen. Es kamen nur Handwerker und Händler in die Städte und auch das nur in kleiner Zahl, während das flache Land in der Hand der lettischen Bauern blieb.

       In Cesis hatten alle Geschäfte geschlossen, die Rollladen waren heruntergezogen, die Türen verrammelt, und außer uns war niemand an der Bushaltestelle zu sehen. Auch die Burg von Cesis wollte niemand außer uns besuchen, so dass wir unter Dutzenden von Schutzhelmen und Öllampen wählen konnten, mit denen wir gut gesichert die Ruinen der Burg durchstreiften. Soweit sich heute noch erkennen ließ, musste es sich um eine bedeutende Festung gehandelt haben, eine Herrin und Bewacherin des Umlandes, bis sie wie so vieles von Iwan dem Schrecklichen und seinen Horden erobert und zerstört worden war. Danach wurde sie in kleinerem Umfang als eine Art Schloss wieder aufgebaut. Nun entstanden Teichanlagen, verspielte Treppen mit Tierallegorien und Putten, ehe das Anwesen in der sowjetischen Zeit wieder verfiel. Aber auch die Sowjetunion ist nun schon wieder Geschichte, nun fließt das Geld für die Restauration der Burganlage aus den Fördertöpfen der Europäischen Union - auch wenn die ersten Raten hier in Cesis erst einmal dazu verwendet wurden, die Monumente der Kommunistenzeit zu verschrotten. So lag ein überdimensionaler Leninschädel in einem offenen Blechcontainer und verrottete umgeben von anderem Propagandamüll verdientermaßen im baltischen Sommerregen.

       Aber was hatte all das mit der lettischen Geschichte zu tun? Die deutschen Herren des Livländischen Ordens, die russischen Soldaten, die schwedischen Invasoren, ihre Burgen und Festungen waren Teil der deutschen, russischen oder schwedischen Geschichte und gingen Lettland im Kern nichts an. Nun aber waren endlich nach den Deutschen und Schweden auch die Russen verschwunden, und jene Freiheit hatte Einzug gehalten, an der man sich wie an einem kalter Wind leicht verkühlen konnte. Die Mehrzahl der Letten war weit davon entfernt, die solange entbehrte Freiheit gering zu schätzen, doch sie mussten schnell erkennen, dass die Freiheit wie überall, wo die Marktwirtschaft den Kommunismus beerbt, als erstes eine geradezu schamlose Ungleichheit hervorbrachte. Eines von vielen Kennzeichen dieser neuen Ungleichheit waren die prachtvollen Sommerhäuser, die in den letzten Jahren am Strand von Jürmala entstanden waren, regelrechte Paläste in umschatteten Alleen, von Zäunen und Wächtern umgeben, während sich am kilometerlangen Sandstrand das einfache Volk zusammen drängte.

       Als wir am letzten Tag unseres Aufenthaltes in Lettland den Strand von Jürmala entlang schlenderten, stießen wir auf eine Gruppe Punks, die sich am Rand einer Düne niedergelassen hatte. Nach einer Musikveranstaltung in Riga saßen sie nun erschöpft und zugekifft im Sand, jeder für sich ein Unikat und ein Beweis dafür, dass die grenzenlose Individualität nun auch an baltischen Stränden triumphierte. Glatzköpfe, auf denen rötliche Haarbüschel wie die Reste eines halb ausgerissenen Teppichs klebten, kleine Ringe, durch Lippen, Wangen und Kinn gezogen, rot gefärbte Irokesenschnitte und trotz der vom Himmel knallenden Sonne alle unisono in schwarzer Gothic-Kluft drapiert, boten sie einen Anblick, der den lettischen Familien in der unmittelbaren Nachbarschaft erkennbar das Erschrecken in die Augen trieb. Die Gesichter der Jugendlichen waren so leer, als wären ihre Schädel nichts weiter als Fassadenflächen zur möglichst flächendeckenden Bepiercung. Die Freiheit der Selbstinszenierung war wohl zu schnell über diese Jugend gekommen, ihre Ausdrucksformen wirkten wie die unfreiwillige Karikatur ihrer selbst.

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