Mauerblume. Rita Kuczynski

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Mauerblume - Rita Kuczynski

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Er habe schließlich auch nicht studieren können. Mir erklärte der Dekan, daß meine Eltern zahlen müßten, ich könnte sie verklagen. Eltern, die über eine bestimmte Grenze hinaus Geld verdienten, müßten für das Stipendium ihrer Kinder aufkommen. Schließlich gäbe es Gesetze. Die Universität würde hinter mir stehen. Im Prorektorat für Studienangelegenheiten könnte ich die Einzelheiten erfahren.

      Mir fehlte es an Kraft und Mut zu solch einem Gerichtsverfahren. Ich entschied, meine Nachtschichten in Leipzig weiterzuführen. Wenn auch nicht im Großbetrieb, sondern in der Nachtbar eines Interhotels, in der ich als Bardame vorsprach. Meine Kenntnisse von Wein, Weinbränden, einschließlich des Wissens, welches Glas für welches Getränk zu benutzen war, überzeugte das Barpersonal in einer Probeschicht. Daß ich bei meiner Großmutter für Abendgesellschaften mit dem Hauspersonal oft den Tisch decken mußte, kam mir also hier zugute. Da es ein Interhotel war, waren die meisten Getränke Import, das heißt aus dem Westen. Bei den Weinen hatte ich zu lernen, daß es ungarische, bulgarische und rumänische gab.

      Da hatte ich also wieder mein Kontrastprogramm. Am Tage hörte ich Vorlesungen über die Vorzüge des dialektischen Materialismus und darüber, daß der Sozialismus siegen würde. Nachts mixte ich Cocktails und kokettierte mit den feindlichen Devisenbringern im Hotel Deutschland. Ich lernte meine Schweigsamkeit funktional einzusetzen. Ich sagte nichts, wenn ich aus meiner Buntlicht-Bar übernächtigt in die Vorlesung für Sozialismustheorie ging und hörte, daß es im Sozialismus keine entfremdete Arbeit gäbe. Ich hatte zum ersten Mal seit dem Niedergang meines musikalischen Talents wieder ein Ziel. Ich wollte wissen, was der Sinn des Lebens und der Welt war.

      Damals faßte ich den Entschluß, nie Kinder zu gebären. Ich wollte zu jeder Zeit meine Zeit abbrechen können. Für den Fall, daß es nicht weiterging, wollte ich aus dem Leben gehen können, ohne daß ich Verantwortung zurückgelassen hatte, der ich hätte nachkommen müssen. Von meiner Familie hatte ich mich getrennt. Dabei wollte ich es belassen.

      Die Familie, auf die ich zuging, war groß und unbestimmt, die Verantwortung praktisch folgenlos. Die Philosophen des Abendlandes, zu ihnen war ich auf dem Weg.

      In Leipzig gab es einen exzellenten Gastprofessor aus der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik, der Logik las. Die faszinierte mich: Dem Erlebten einen Wert zusprechen. Das bedeutete ein Maß für Erleben und Erlebtes zu finden. Ich vertiefte mich bis über den Kopf zunächst in Aussagenlogik, später dann in Widerspruchslogik. Bald hieß das Zauberwort dialektische Logik, das mich durch den Tag brachte. Die Dialektik ist die Logik der Widersprüche. Das war großartig. “Wahr” und “falsch” in einem Wert nehmen. Den Bruch zum Prinzip erheben. Was für ein Maß! Die Widersprüche benennen und sie in eine Logik bringen können. Ihnen eine Reihenfolge aufzwingen, damit sie beherrschbar werden.

      Endlich hatte ich also einen zeitlosen Raum gefunden, in dem ich mich niederlassen und den ich sichermachen konnte gegen jene Wirklichkeit, in der ich mich nicht zurechtgefunden hatte. Ich war bereit, den Weg in die rationale Philosophie zu gehen. Ich war dabei, einen Faden aufzunehmen, einen, der lief, unbedingt.

      Ich war fasziniert von der Methode, die mir emotional so sehr entgegenkam. Sie wurde die dialektische genannt: “Alles ist, alles ist nicht. Alles ist, in dem es nicht ist. Sein und Nichts wird zu Etwas. Was ich setzte, hebe ich, indem ich es setze, wieder auf.” Was für eine Dynamik, was für ein Klang! Das waren auch Tanzschritte: was ich in einem Schritt setze, hebe ich im nächsten Schritt wieder auf und komme trotzdem weiter. Es könnte also auch alles anders sein, als ich bisher annahm. Die Antworten, die ich bisher hatte, könnten auch Fragen sein. Wenn dem so ist, stimmte vielleicht selbst die Angst und ihre Größe nicht. Nach solcher Unschärferelation hatte ich gesucht. Sie war weit genug, damit mein Erleben einen Platz in ihr fand.

      Den “Rest des Studiums” verschob ich auf äußere Bahnen. Das heißt, ich versuchte seine ganze Widrigkeit inhaltlich nicht an mich herankommen zu lassen. Zunächst gelang mir das nicht. Über den ersten Versuch einer Teilung meiner Person in eine wesentliche und eine un-wesentliche wurde ich krank. Bald konnte ich nicht mehr in meiner Buntlicht-Bar arbeiten. Die Kommilitonen des Studienjahres sammelten Geld, damit ich über die Runden kam. Das war gut gemeint, aber unerträglich für mich. Ich schmiß das Studium und ging nach Berlin zurück.

      Alex in seiner nüchternen Art gab seinen Kommentar: Das habe ich dir ja gleich gesagt, Philosophie zu studieren ist ein absoluter Quatsch und macht krank. Ich diskutierte nicht. Ich war froh, wenn mir Alex eine warme Suppe brachte. Es dauerte, bis ich mich von mir erholt hatte und als Schulsekretärin in einer Grundschule vorsprach. Die Arbeit selbst war nicht besonders schwierig, aber man mußte sich auf sie konzentrieren. Das schaffte ich nicht. Ich war zu sehr mit Sein und Nichts beschäftigt, das unter bestimmten Bedingungen dasselbe sein konnte. Ich machte bei der Arbeit unverzeihliche Fehler. Nachdem ich irgendwelche Einladungen für den Elternbeirat zum Milchhof und die Rechnungen für die Schulmilch zu den Eltern geschickt hatte, gab es einen ziemlichen Krach mit dem Direktor. Er wollte mich als Sachbearbeiterin in den Rat des Stadtbezirks befördern lassen. Da könnte ich weniger Unheil anrichten. In seiner Schule könne er mich nicht länger ertragen. Ich kündigte und ging wieder ins Glühlampenwerk zur Nachtschicht. Bei dieser Arbeit konnte ich zumindest meinen Kopf frei halten.

      Aber es lag auf der Hand, beim Sortieren der Glühlampen und ihrem Verpacken am Fließband kam ich nicht weiter mit meiner Frage nach Sein und Nichts und ihrem Klang. Bald drehten sich die Wörter im Kreis und nahmen zeitweilig den Takt des Laufbandes an, auf dem die Glühlampen mir entgegenkamen.

      Ich verstand, ich mußte noch einmal von vorne beginnen. Nach einigem Zögern beschäftigte ich mich daher endlich mit den politischen Prämissen eines Philosophiestudiums in der DDR, um diesmal klüger und effizienter mit meiner Kraft umzugehen.

      Ich ging zur Humboldt-Universität, ließ meine Immatrikulation von Leipzig nach Berlin umschreiben und begann 1966 noch einmal im ersten Studienjahr. Zuvor hatte ich allerdings das Problem des Stipendiums zu regeln. Mit den Eltern zu verhandeln war aussichtslos. Die Lösung fand ich in den Verordnungen für den Erhalt eines Stipendiums selbst. Da stand nämlich, als Verheiratete bekomme ich unabhängig vom Einkommen der Eltern ein Stipendium. Ich heiratete daraufhin meinen homosexuellen Freund Dieter. Ihm war der Status ”Verheiratet” auch willkommen, da Schwulsein in der DDR zu dieser Zeit noch verboten war und nicht nur politisch verfolgt wurde. Für zehn Mark Schreibgebühren schlossen Dieter und ich also die Ehe. Wir bestanden auf einem Doppelnamen. Nach diesem formellen Akt unterschrieben wir beide ein persönliches Schriftstück, in dem wir uns verpflichteten, nach einem Jahr die Scheidung einzureichen. Grund: “Sexuelle Unverträglichkeit”. Das taten wir auch, ohne dem hohen Gericht mit Einzelheiten aufzuwarten. Die Scheidung kostete 200 Mark. Der Status: “Geschieden” garantierte mir weiterhin ein Grundstipendium von 185 Mark im Monat. Das war nicht viel, reichte aber zum Überleben.

      Danach heirateten Alex und ich, obwohl Alex nach wie vor mit meinem Philosophiestudium nicht einverstanden war.

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