Usbekisches Reisetagebuch. Ludwig Witzani

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Usbekisches Reisetagebuch - Ludwig Witzani

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Verdunstung und einer entsprechenden Versalzung des Wassers. 250 Gramm Salz pro Liter machen das Grundwasser als Trinkwasser praktisch ungenießbar. Wo es aber aus dem Hahn kommt und man sich damit die Haare wäscht, braucht man keinen Föhn mehr, und die Frisur liegt, als hätte man ein Pfund Taft verwendet.

      Islamische Städte besaßen früher eine Poesie, die das Herz erwärmte. Heute muss man sich in ihnen vor islamistischen Bombenlegern fürchten. Wie konnte es dazu kommen? Viele sagen: Das hat sich der Westen selbst zuzuschreiben. Er hat die Orientalen schon immer unterdrückt und bekommt nun ihren Zorn zu spüren. Meine Vermutung über die Radikalisierung des Islam geht in eine andere Richtung. Es handelt sich um die Kombination zweier Phänomen: der Verbindung einer Hochreligion, die unter bestimmten Umständen Gewalt tatsächlich rechtfertigt (ich weiß, das hört sich politisch inkorrekt an, entspricht aber der Wahrheit) und einem gigantischen „Youth Bulge“, d. h. einem noch nie dagewesenen Überschuss an jungen Männern, die in ihren Herkunftsländern zu wenig Perspektiven besitzen.

      Der erste Usbeke, dem ich auf dem Flughafen von Taschkent begegnete, war Islamov Karimov. Natürlich nicht persönlich, sondern in Gestalt eines eingerahmten Bildes vor der Passkontrolle. Man sah sofort: mit ihm war nicht zu spaßen. Seit 25 Jahren beherrscht er sein Land mit eiserner Hand und verfolgte jede Art von Widerstand mit gnadenloser Härte, ganz gleich, ob es sich um die demokratische Opposition oder um islamistische Terroristen handelte.

      Die Einreise in Usbekistan war völlig problemlos, wenn man davon absah, dass kaum englischsprachige Zollformulare aufzutreiben waren. Viele Einreisende mussten russischsprachige Formulare ausfüllen und hoffen, dass sie ihre Informationen in die richtige Spalte eingetragen hatten. Machte aber nichts, denn der Passbeamte warf kaum einen Blick darauf. An touristischen Besuchern schien es trotz der angespannten Weltlage nicht zu mangeln. Vor allem ältere Menschen wollten am Abend ihres Lebens noch einmal den Orient als Gruppenreisende erleben.

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       Der Syr Darja im Ferghanatal

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       Der Amu Darja zwischen Chiwa und Buchara

      

      Die Stadt Taschkent zählt 2,7 Millionen Einwohner. Obwohl die Umgebung der Stadt seit ewigen Zeiten bewohnt ist, entstammt sie selbst der Shaibanidenzeit, d. h. dem 16. Jahrhundert. Eine Zeitlang gehörte sie zum Khanat von Kokand, dann zum Reich der Dzungaren, ehe die Russen kamen und mit ihnen die demografische Expansion (nicht zuletzt durch massive russische Zuwanderung und die Verbesserung der Gesundheitsfürsorge).

      Unser usbekischer Guide Amir war ein gutgelaunter Mensch mit einem Bauch wie ein Fass und einem Entengesicht. Er sprach ein ausgezeichnetes Deutsch und war angenehm in seinen Umgangsformen. Waren das die Moslems, die wir uns wünschen? Auf den Propheten hält er große Stücke, findet aber nichts dabei, Schweinefleisch zu essen und Wodka zu trinken. Für uns tauschte er usbekische Som zum Kurs von 1 zu 3.500. Da freuten wir uns, denn der offizielle Kurs in der Bank lag nur bei 1 zu 3.000 Som. Erst später sollten wir erfahren, dass er uns übers Ohr gehauen hatte, denn der wirkliche Schwarzmarktkurs lag bei 1 zu 5.000.

      Als wir vom Flughafen in die Stadt fuhren, passierten wir unübersehbar weite Plätze, breite Straßen, ein sauberes Novosibirsk in Zentralasien. Zu meiner Überraschung waren die meisten Fahrzeuge weiße Chevrolets. Wie Amir erklärte, betrieb die usbekische Regierung ein Joint-venture mit General Motors, nach dem in Asaka, im äußersten Osten des Ferghanatals, Jahr für Jahr Hunderttausende Chevrolets hergestellt werden. Dass sie weiß sind, meinte Mischa, sei einfach eine Kostenfrage. Vielleicht wollte der usbekische Mann das Privileg der Farbe auch seiner Gattin vorbehalten.

      Das Hotel war gut, auch das Bad und die Betten waren super. Wir aßen einen Salat zur Nacht, gönnten uns dazu ein großes Bier. Der junge Ober, der uns bediente, verstand kein Wort, ging aber einher mit dem Gesichtsausdruck eines beleidigten Kriegers.

      Am nächsten Morgen schafften wir es gerade noch, einen Kaffee im Bett einzunehmen, dann mussten wir uns schon zum Frühstück sputen. Uns erwartete ein weitgehend abgegrastes Buffet mit Käse und Wurstresten, aber sehr dünnem Kaffee. Punkt 9.00 Uhr wartete Amir mit dem Wagen vor dem Hotel. Er wurde von einem Chauffeur gesteuert, der den ganzen Tag ein mürrisches Gesicht zog, das sich erst aufheiterte, als ich ihm am Abend das Trinkgeld gab.

      Taschkent als Stadt bietet Gelegenheit, sich an die usbekische Wesensart zu gewöhnen. Sensationelle Sehenswürdigkeiten wird man eher in Chiwa, Buchara und Samarkand suchen müssen. Immerhin waren im Nordosten der Stadt im Jahre 2007 einige Medresen und Moscheen so aufwändig restauriert worden, dass bei einem Besuch Taschkents kein Weg an ihnen vorbeiführte. Im Entengang marschierte Amir mit uns durch das Kaffat Shashi Mausoleum und die Medrese Barak Khan, erzählte dieses und jenes und erwies sich als kenntnisreicher Cicerone. Manchmal, wenn er etwas besonders Wichtiges vortragen wollte, stoppte er abrupt, blinzelte in die Sonne und begann mit der Einleitung „Sehr verehrte Herrschaften“ eine Ansprache in einem Stil, als hätte er einhundert Personen vor sich. Wie sich bald herausstellte, waren Rückfragen von unserer Seite willkommen, denn dann straffte sich Amir und setzte mit „Sehr verehrte Herrschaften“ noch einen drauf. In der Medrese Barak Chan führte er uns zu den Wohnzellen der Studenten, die eben hier an der „Hochschule Al Biruni“ studierten. „Sehr verehrte Herrschaften,“ begann er erneut, „Wer war Al Biruni?“- was natürlich nur eine rhetorische Frage war, um ihm Gelegenheit zu geben, seine Kenntnisse zu zeigen. Wie sich herausstellte, war Al Biruni ein Universalgelehrter, der um das Jahr 1000 lebte, jede Menge Sprachen beherrscht hatte und besonders als Sammler von Hadhiten berühmt geworden war. „Sehr geehrte Herrschaften“, setzte Amir nach „Was ist ein Hadhit?“ Hadhiten sind autorisierte Aussagen und Geschichten aus dem Leben des Propheten, die neben dem Koran eine wichtige Quelle der muslimischen Überlieferung darstellen. erklärte Amir. Danach war erst einmal Pause angesagt, und wir setzten uns auf eine Wiese, um den Anblick der Moschee und der Medrese auf uns wirken zu lassen.

      Das ästhetische Erlebnis der Medresen und Moscheen war fantastisch. Wie schon im Iran konnte ich mich nicht sattsehen an der Harmonie der Raumaufteilung, dem Schwung der Iwane und der wuchtigen Kraft der Türben. Ich setzte mich in den Schatten eines Baumes und versuchte zu ergründen, warum mich der Anblick der iranisch-zentralasiatischen Architektur so begeisterte. Wahrscheinlich beruhte sie auf einem Mehrfachen: Dem Nebeneinander dreier architektonischer Formen: erstens der großen iranischen Iwane, zweitens der runden Türben und drittens auf den Minaretten, die die Usbeken in ihrer besonderen Bauweise als „Leuchttürme“ verstehen wollen, die in meiner Wahrnehmung aber eher Schornsteinen glichen. Die Medresen war an ihren Frontseiten mit wundervollen Fayencen, meist in Blau- und Grüntönen, „den Farben des Paradieses“ gestaltet und sie waren mit sicherem Geschmack über Raumaufteilung und Proportionalität auf großen Plätzen voneinander getrennt bzw. aufeinander bezogen worden.

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       Usbekisch-zentralasiatisches Minarett

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       Osmanisches (türkisches) iranisches und marokkanisches

       Minarett

      

       Im Koran-Museum besichtigen wir den sogenannten „ältesten Koran der Welt“. Die Usbeken behaupten, es handele sich um eine der sieben Urabschriften des ersten Korans aus dem 7. Jahrhundert, den der Mongolenfürst Timur bei seinem Raubzug nach Bagdad

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