neukunst oder der Maulwurf. Dr. Wolfgang Mehringer

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neukunst oder der Maulwurf - Dr. Wolfgang Mehringer

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zu gehen. Er stand auf und schilderte dann, vor dem Bild stehend, seine Eindrücke: Ich seh`s jetzt genauer - ein gigantisches Zahnrad, verrostet, zerbrochen - das steckt im Sand, in den Dünen einer Wüste. Ganz klein, im Vordergrund, ein sommerlich gekleidetes Paar, das hinwandert zu dem Zahnrad. Hierzu müsste allerdings noch eine tiefe Schlucht durchstiegen werden. Das Rad ist oben aufgebrochen, ist innen hohl, seine riesigen Zähne ragen seitwärts in den blauen Himmel. Mireille unterbrach ihn. Ihr seht dabei, wie viel Spielraum ins Abstrakte so eine gegenständliche Szenerie bietet - bei der Struktur des Rostes und des Himmels, zum Beispiel - oder auch für den ganzen Bildaufbau. Marina pflichtete ihr bei. Ja, auch beim Schatten, der auf den Betrachter zukommt und dann auf der linken Seite, wo ein Teil dieses Zahnrads aufragt, wandelt sich der blaue Himmel wie in den Anbruch der Nacht oder kündet ein Gewitter an. Mireille freute sich über den Zuspruch. Ja, es stecken da eine Menge an Gefühlen drin - auch solche, das zerbrochene Zahnrad betreffend, die mit der Entwicklung unserer Industriekultur zusammenhängen. Philip hatte inzwischen vor diesem linken Zahnradteil, in größerer Entfernung noch ein paar winzige Figuren entdeckt, die da irgendwie herumkletterten. Er meinte dazu, so ein Objekt wäre natürlich, rein touristisch gesehen, ein Riesenhit. Aber - er zögerte - hattest Du Dir dabei vielleicht auch eine Situation vorgestellt, weshalb da gar nicht mehr viele Touristen kommen? Mireille wollte diese Frage offensichtlich nicht beantworten und lächelte nur. Philip wollte jetzt noch eine ganze Menge von „seinen Fragen“ stellen, aber Marina kam ihm erst einmal zuvor. Wie kommst Du denn auf solche Ideen? Es war die uralte Frage nach den Ursachen von Kreativität - und Mireille beantwortete sie leider auch nur in der sich immerwährend wiederholenden Form. Sie kommen einfach - und wenn Du dann anfängst, mit ihnen zuspielen, in Gedanken, auf dem Papier zu einem Entwurf oder auch schon beim Arbeiten auf der Leinwand, da verändern sie sich immer wieder, neues kommt hinzu, und auch die Frage: gegenständlich oder irgendwie abstrakt, beantwortet sich eigentlich wie von selbst. Bei größeren Bildern mache ich aber immer erst einen groben Entwurf auf der Leinwand. Und dann, beim Malen, experimentiere ich bei vielen Details - (sie lacht) - auch der Zufall bietet ja viele Chancen. Es missglückt Dir irgendetwas, aber es sieht doch interessant aus, und Du merkst, da kann man was draus machen! Ich bin der Meinung, wenn man etwas - also eine so genannte Technik völlig beherrscht (sie lacht) - oder sagen wir besser, beherrschen will, ist das Ergebnis solcher Kunst auch einigermaßen in der Gefahr, irgendwie leblos zu werden. Deswegen experimentiere ich ja auch immer wieder mit ganz verschiedenartigen Techniken Ich zeig Euch nachher ein Album mit Fotos. Um uns durch die Bildersammlung hier durchzuwühlen, bräuchten wir sonst ein paar Tage.

      Philip brauchte nicht „nachzufragen“. Mireille erzählte nach einer kurzen Pause weiter: Die arrivierten Künstlerinnen und Künstler lassen heute viele Möglichkeiten ganz unbeachtet. Da sind die Zwänge des sogenannten Kunstmarkts - sicher! Damit meine ich nicht nur den enormen Spielraum wie man etwas darstellt, mit allen Schattierungen zwischen Abstraktem und Gegenständlichem, sondern auch gerade die möglichen Themen der auf uns wirkenden Umwelt. Dabei könnten wir uns auch anregen lassen von allen Kunstströmungen aus der Vergangenheit. Ich selber kombiniere in meine Arbeiten auch gerne Abstraktes mit Gegenständlichem. Mireille schwieg plötzlich,

      Philip fand endlich eine Möglichkeit, etwas „in seinem Sinne nachzufragen.“: Du hattest also nie die Idee, so etwas - äh - völlig neuartiges zu schaffen? Mireille sah ihn ziemlich verwundert an und sagte: Wie ich es Euch angedeutet habe, gibt es da doch tausenderlei Möglichkeiten, von Mischtechniken angefangen, die sonst niemand macht. Zum Beispiel habe ich mit dem Spachtel billige Dispersionsfarben aus dem Baumarkt in Verbindung mit Wasser auf Papierbögen gemischt und strukturiert, so ganz spontan - irgendwie, und danach mit Wachsmalkreiden detailliert, meiner Phantasie folgend, bearbeitet. Das ist wirklich ein irres Spiel. Da ist alles dabei - das Spontane, wie das gewisse Kunstrichtungen hochhalten, dann aber, in der Nacharbeit, wird man auf eine ganze Wiese von Eindrücken, Gedanken und Gefühlen geführt. Eine spontane und gleichermaßen lautstarke Reaktion war nun bei Marina zu erleben; „Wobei einem bei dem krassen rohen Zeug, was einem so diese Spontanheinis zumuten, das große - ich möcht nicht sagen was, überkommt“. Mireille begab sich ein wenig auf die Seite der Spontanis. Nicht alles davon ist schlecht, meinte sie. Aber - (sie lächelte) – zur Selbstkritik sind diese Leute wohl leider oft nicht recht disponiert, wollen ihre Werke eben weitgehendst für genial gehalten wissen. Da sehen sie dann auch großzügig darüber hinweg, wenn so etwas den meisten Leuten - dem Pöbel auf der Straße also, wie sie meinen - überhaupt nicht gefällt.

      Und wie bist Du dann zu den verschiedenen Techniken gekommen? Es war klar, dass Marina sich bei dieser Frage entweder nicht mehr an Mireille´s „Erklärung“ zur Kreativität erinnern konnte oder auch nicht wollte. Irgendeine Spur einer begreiflichen Ursache, dachte sie wohl insgeheim, sollte es doch geben. (Philip andererseits hatte es schon seit vielen Jahren aufgegeben, darüber nachzudenken).

      Sie möchten vielleicht etwas mehr darüber wissen, wie man sich als Autodidaktin entwickeln kann, dachte Mireille. So begann sie zu erzählen von den verschiedenen Kursen, in denen sie vieles gelernt hatte im Zeichnen und Malen, und dabei aber auch bei den Techniken - wobei sie dann manches eigenständig ausprobiert hatte. Philip fühlte sich zuletzt ein wenig abgelenkt von Mireille`s Erzählungen. Der Anblick der Torte und ein etwas hohles Gefühl in seiner Magengegend wirkten dabei zusammen. Mireille merkte das und meinte, sie könnten ja schon mal anfangen mit Tee und Kaffee. Marina hatte ihr Interesse in diesem Augenblick allerdings mehr auf das Rezept für den „schwarzen Tiger“ gerichtet, und Mireille versprach es ihr - falls sie es denn, auch nachdem sie den Geschmack erlebt hätte, noch haben wolle. Im Moment allerdings (zu Philips Leidwesen) war ihr Appetit erst noch auf eine Antwort zu einer, wie sie meinte, zentral wichtigen Frage gerichtet. Sie wollte nämlich wissen, was denn eigentlich - „vielleicht auch erst mal viel später“ - mit den vielen Bildern geschehen solle? Mireille lächelte ein wenig und erzählte von ihren drei Ausstellungen, von denen Philip und Marina bislang gar nichts gewusst hatten. Es gab gute Kritiken in den Zeitungen, sagte Mireille, aber kaum ein Besucher wollte etwas kaufen. Es hängt ja auch schon so viel in den Wohnungen. Und in Verbindung mit Geld ist das noch eine ganz besondere Wertfrage! Geld! - braucht man eben meist für was ganz anderes. Für mich wär`s halt schön, wenn ich wüsste, dass das Zeug nicht alles im Müll landet. - also auch in der Zukunft irgendjemand daran Freude hat. Ja, und warum sie denn überhaupt einfach so weitermache, wollte Marina noch wissen. Mireille lachte. Es ist ganz einfach - - die Freude, die Spannung, das Risiko dabei! Und für die Zukunft - Mireille zögerte einen Augenblick und erzählte dann von ihren Versuchen, ihre Arbeiten Kunst sammelnden Institutionen zu schenken.

      Ich hatte die Idee, meine Arbeiten einer Kunstsammlung zu schenken. Zunächst habe ich eine große private Institution angeschrieben. Die Antwort möchte ich Euch vorlesen. Mireille schleppte einen prall gefüllten Aktenordner herbei und holte einen Briefbogen heraus: „Wir danken Ihnen für die Zusendung der ausführlichen Fotodokumentation Ihrer fulminanten, eindrucksvollen Arbeiten“. Danach sei dann eine mit entsprechenden „leider.leider“ geschmückte, sich windende Ablehnung erfolgt, garniert mit der keineswegs sehr tröstlich erscheinenden Empfehlung: „Vielleicht versuchen Sie es einmal bei einer kleineren staatlichen Einrichtung“. (Es war das erste Mal, dass Philip in ihrem Gesicht so etwas wie einen Hauch von Ironie bemerken konnte). Man könnte das, wenn man die heutige Situation in der Kunstszene ein wenig kennt, für blanken Zynismus halten. Aber - (nun lächelte sie wieder) die ganze Geschichte hat vermutlich einen doppelten Boden. Die mit der Anfertigung dieser Ablehnung beauftragte Dame, es könnte sich um eine ausgebildete Kunstwissenschaftlerin gehandelt haben, legt maskiert, sozusagen, ihre Zwangsjacke ab und äußert sich, symbolisch versteckt mit dem Wort `fulminant`. Wenn sie meine Arbeiten somit - und das wohl ganz persönlich - als „großartig“ charakterisiert und zugleich im Auftrag ihrer Institution, also den am aktuellen Kunstmarkt orientierten Maßstäben ablehnt, so ist das meiner Meinung nichts anderes als ein exemplarischer Fall der herrschenden Schizophrenie im Bereich der Kunst. (Philip nickte anerkennend). Mireille lachte: Damals war ich ja wirklich ungeheuer naiv - weil eben auch unwissend. Inzwischen hab ich eine gewisse Ahnung, was in dieser Institution so gesammelt und als wertvoll eingeschätzt wird. Das betrifft vor allem den Preis am Kunstmarkt - und danach kommt lange nichts! (Sie lacht nochmals, sehr „herzhaft“

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