Gruppensex, Lust und Hingabe. Regina Stanz

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Gruppensex, Lust und Hingabe - Regina Stanz

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weit entfernt wie der Tod eines Schauspielers im Fernsehen. Ich schien wie durch Elektronen von einer grausamen Wirklichkeit getrennt zu sein, durch den Kontinent überspannende Kabel und Sendesignale; ich fühlte überhaupt nichts.

      Mein Intellekt wusste es zwar, nicht aber mein Gefühl. Es war ein statistischer Tod: (1) Mein Nachbar im Untergeschoß hatte für immer sein Appartement geräumt. (2) Zwei Menschen, die bisher einen bestimmten Raum in meinem Leben eingenommen hatten, waren nicht mehr da, weg für immer; alle Fragen an sie würde man in Zukunft in der Vergangenheitsform formulieren müssen, Vorstellungen nur noch, die sich an einer verflossenen Wirklichkeit orientieren konnten, vielleicht auch phantastische Imaginationen, auf jeden Fall - vorbei.

      Information ohne Gefühl ist gleich der Trennung durch den Tod, die Abwesenheit eines Bildes, ein Vakuum in der gewohnten Kommunikation.

      So empfand ich es am Anfang. Kein Schmerz, nichts. Ich lief durch die Straßen und suchte nach ihnen, nach dem Begräbnis - ich fand nichts.

      Es ist der Schock, sagte ich zu mir selbst, der abstumpfende, schützende Schock nach einem harten Schlag. Aber ich war weder geschockt noch empfand ich einen Schmerz. Ich war nur verwirrt, aber irgendwo in mir verbarg sich etwas Angst, weit entfernt, nicht greifbar, vielleicht etwas Melancholie.

      Pless war tot, und alles, was er hinterlassen hatte, war ein Vakuum. Es fiel mir in jenen Tagen schwer, etwas Vernünftiges zu Papier zu bringen. Plötzlich wurde ich unbändig hungrig - ich wollte mich vollfressen, mich besaufen mit Wein, viel Wein und ficken, ja, vor allem wollte ich ficken. Ich wollte die vibrierenden Wände einer Fotze um meinen Schwanz spüren, den lüsternen Geschmack einer nassen Möse auf meiner Zunge spüren, den Pulsschlag einer erregten Klitoris, Stöhnen und Keuchen, eine schwanzhungrige Frau. Ich musste die Gedanken an meine eigene Sterblichkeit vertreiben, und ich glaubte dies erreichen zu können, wenn ich meinen Schwanz tief in die Körper irgendwelcher Frauen treiben würde.

      Ich wohnte jetzt bei Bridget; nachdem Flora mich wegen Pless angerufen hatte, wollte ich nicht mehr länger in dem Haus in der Turmstrasse bleiben. Ich sprach mir Adrian, dem Kerl, der durch die Wände hören konnte. Er suchte nach einer günstigen Wohnung, und ich sagte ihm, dass er meine gerne haben könnte. Ich traf ihn dann bei Max, um ihm die Schlüssel zu geben.

      „Ich hole die Möbel und den anderen Mist, sobald ich eine neue Wohnung gefunden habe.“

      „Möchtest du denn wirklich ausziehen?“, fragte er noch einmal. „Das ist doch ein fantastischer Platz. Du solltest dich nicht von Pless vertreiben lassen. Du hast doch mit seinem Tod nichts zu tun.“

      „Ich weiß, aber die Zeit, in der ich da wohnte, ist nun vorbei. Ich sollte jetzt woanders hinziehen, etwas Neues beginnen, neue Leute und so. Ich werde jetzt auf die andere Donauseite ziehen.“

      Adrian versprach mir, noch die Post zu sammeln, bis ich über eine neue Adresse verfügen würde. Dann ging er weg.

      Eine Frau mit ihrer Tochter betrat das Lokal, sie setzten sich in meine Nähe. Es waren offensichtlich Touristen, sie waren wie solche gekleidet. Sie tuschelten heftig miteinander, wobei sie sich dauernd umsahen. Die Tochter sah aus wie ein typisches Hochschul-Mädchen. Die Mutter war ungefähr sechsunddreißig, trug Ohrenringe mit Perlen besetzt und ein Kleid. Sie vertieften sich in die Speisekarte, starrten dann auf den engen Rock der Bedienung und steckten anschließend geheimnisvoll die Köpfe zusammen und wisperten irgendetwas, das die Tochter zum Kichern veranlasste.

      In der Nische hinter ihnen saßen drei feminin aussehende Homosexuelle und lachten über die beiden Touristinnen.

      An der Bar hockten schließlich vier Angestellte einer Bank, die sich über die drei Homos belustigten. Nur die Bedienung hatte keinen Spaß, denn sie musste doppelt so viel arbeiten als sonst, da ihre Kollegin fehlte, die zu Hause gerade mit einem Handwerker fickte.

      Mir war ebenfalls nicht zum Lachen zumute. Ich wollte ficken und Bridget war nicht da. Es war Herbst und wurde ziemlich kalt und eine Reihe von Leuten, die ich kannte, lagen mit Erkältungen im Bett.

      Am nächsten Abend traf ich Nestor Hackledt mit seinem Flötenkasten unter dem Arm und einem resignierten Lächeln im Gesicht.

      „Es stimmt, Carson hat mich sitzen lassen. Er spielt nicht mehr, sondern arbeitet in Zukunft für Lukas Oppenhaim. Er muss verrückt geworden sein.“

      Bridget kam gegen Ende der Woche wieder zurück und wir gingen auf Immobiliensuche. Schließlich fanden wir eine hübsche Wohnung in Floridsdorf. Es waren fünf Zimmer, groß genug um jedem von uns noch eine eigene Privatsphäre zu garantieren.

      An einem Sonntag zogen wir dann ein. Vorher fuhren wir mit einem gemieteten Lastwagen in die Turmstrasse. Adrian war nicht zu Hause. Wir holten uns alles an Möbeln, was wir gerade brauchten und hinterließen ihm eine Notiz, damit er nicht glauben musste, er sei etwa ausgeraubt worden.

      Pleite, aber geil.

      Weihnachten ging vorüber, ebenso der Januar und der Februar.

      Meine Arbeitslosenunterstützung wurde eingestellt, und ich dealte mit Flora zusammen etwas Gras, um mit dem Geld bis Frühjahr über die Runden zu kommen.

      Mit Gras zu handeln ist eine böse Angelegenheit. Handeln überhaupt ist schon zum Kotzen - aber Gras ist illegal, und man landet schnell im Knast. Trägt man mehr als ein Pfund Stoff mit sich herum, klingt jeder Schritt verdächtig, unheimlich, beängstigend. Man zieht sich von seinen Freunden zurück: ein Denunziant? ein Spitzel? - die meisten werden durch ihr unsicheres Verhalten erwischt.

      Es ist zum Beispiel verrückt, in einem Auto Gras zu transportieren, es sei denn, man hat es so gut versteckt, dass man selbst eine Stunde benötigt, um es wiederzufinden. Noch unsinniger ist es, einem Bullen, egal aus welchen Gründen, den Zutritt in die Wohnung zu gestatten, solange er keinen Durchsuchungsbefehl oder eine Axt besitzt, mit der er die Tür zertrümmern kann. Befindet sich ein Bulle erst einmal im Zimmer, dann kann er schnüffeln, wo immer er will - oder er schiebt einem einfach ein paar Gramm von dem Zeug unter. Es bleibt dann nur noch der Versuch, den Richter zu überzeugen, dass es die Polizei war, die den Stoff im Küchenschrank versteckt hat. Der sicherste Weg: nicht dealen!

      Im März rauchte ich sehr viel und brachte fast nichts zu Papier; dagegen erfuhr ich sehr viel über meine eigene Person, lernte dem Straßenlärm zuzuhören und der Musik.

      Letzteres begann, nachdem ich Nestor Hackledt in der Cascade Bar des Vienna Marriott Hotel getroffen hatte. Nestor war ein älterer farbiger Musiker. Er spielte die Flöte und leitete ein Quartett, das in einem der zahlreichen Jazz-Clubs in der Stadt auftrat. Er war einer derjenigen gewesen, der mir über Lukas Oppenhaims heimtückische Verträge erzählt hatte.

      Ich traf mich mit Nestor ein- oder zweimal in der Woche in einer Bar, wo wir zumeist tranken und die Serviermädchen in ihren knappen herausfordernden Uniformen beobachteten. Sie tänzelten zwischen den Tischen hin und her, in der Hand ein Tablett, und ihre Brüste, Ärsche, Mösen schienen das mystische Eigentum eines Phantoms zu sein.

      Eines Abends saß ich wieder in der Bar und beobachtete von meinem Platz aus in der Nähe des Fensters, wie der Regen gegen die Scheiben trommelte. Die Woche eines verhangenen finsteren Himmels und der durchweichten Schuhe. Ich war schon etwas angetrunken und lauschte den Erzählungen Nestors, der in die Zeit des Beginns seiner Musikerlaufbahn zurückschweifte, in das Jahr 1982:

      „Ich hatte keinen Cent – damals waren es noch Schilling -, war so richtig fertig und bezahlte nichts als Schulden. An öffentliche Auftritte war nicht zu denken, weil ich um mein Instrument fürchten musste.“

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