1 Ei muss her. Christine Jörg
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Eifrig nickt Robin. „Ja, er heißt Guy.“ Der Jungvogel drängt sich an seine Mutter. „Mama, ich habe Hunger.“
„Hast du nichts gefressen?“, will Rose besorgt wissen.
Robin druckst herum. „Doch ein bisschen. Aber deine Kropfmilch schmeckt einfach besser.“ Er drängt sich so nah an seine Mutter, dass diese beinahe das Gleichgewicht verliert.
„Na, dann komm mal her.“ Sie öffnet den Schnabel und gibt ihrem Sohn die leckere Mahlzeit.
Leider wird er davon nicht satt. „Mama, ich habe noch Hunger.“
Traurig schaut Rose ihren Robin an. „Mein Junge, du bist nun groß. Ich habe nicht mehr so viel Kropfmilch. Bald wird es gar keine mehr geben.“
„Ja, ja, Mama, ich weiß“, sagt Robin missmutig. „Dann geh ich mal.“ Er wendet sich von seiner Mutter ab.
Im Augenblick hat er keine Lust aus eigenen Stücken Nahrung zu suchen. Lieber schickt er sich an, seinen Vater ausfindig zu machen und den um Kropfmilch anzubetteln.
Behäbig stolziert er durch das seichte, warme Wasser der Lagune und hält nach seinem Vater Ausschau. Robin will schon aufgeben und sich selbst Fressen suchen, als er den Vater sieht.
Er schreitet auf ihn zu. Als er sich seinem Vater genähert hat, sagt Robin: „Papa, ich habe Hunger.“
Edgar, der damit beschäftigt ist, das schlammige Wasser, das der durch seine Schritte aufgewirbelt hat, zu durchseihen, schaut seinen Sohn an. „Robin, ein Flamingo in deinem Alter ernährt sich selbst.“
„Aber Papa“, wehrt sich der Junge, „so groß bin ich gar nicht. Und, deine Kropfmilch schmeckt besonders gut“, bezirzt er den Vater. Er weiß, der Alte kann seinem Charme nicht widerstehen.
„Na, dann komm, mein Kleiner“, fordert Edgar sogleich seinen Zögling auf. Er öffnet den Schnabel und lässt den Sohn die Kropfmilch aufnehmen. Aber auch hier ist die Nahrung nicht ergiebig.
„Ich habe noch Hunger“, vernimmt Edgar da schon die Stimme seines Sohnes. „Gib mir mehr!“
„Robin“, sagt Edgar daraufhin bedrückt. „Die Zeiten, in denen deine Mama und ich dir Fressen geben können, sind vorbei. Wir können keine Kropfmilch mehr erzeugen. Du bist nun alt genug, dich selbst zu ernähren.“
„Aber Papa, das möchte ich nicht“, widerspricht Robin.
Müde schüttelt Edgar den Kopf. „Mein Sohn du musst selbstständig werden. Du bist ausgewachsen. Jetzt solltest du dir eine nette, liebe Frau suchen und selbst eine Familie gründen.“
„Ich will aber keine Familie gründen!“, ruft Robin erbost aus. „Und mit einem Weibchen schon gleich gar nicht“, fügt er missmutig hinzu.
„Aber Robin!“ Edgar versucht seinen Sohn zur Vernunft zu bringen. „Das ist der Lauf der Dinge. Wenn wir erwachsen sind, suchen wir uns einen Partner und gründen eine eigene Familie. So ist das immer.“
Böse starrt Robin seinen Vater an. „Ich will das aber nicht!“
Auch Edgar wird ärgerlich. So ein störrisches Kind hatte er bisher noch nicht gehabt. „Nun wollen wir mal eines klarstellen, mein Lieber. Heute war es das letzte Mal, dass ich dir Kropfmilch gegeben habe. Du musst nun auf eigenen Beinen stehen. Dazu haben wir dich die ganze Zeit erzogen.“
Erstaunt glotzt der Sohn den Vater an. Robin wendet sich von ihm ab und sagt im Gehen: „Na gut, dann gehe ich eben zu Mama.“
„Dort wirst du auch nicht mehr Erfolg haben“, ruft ihm der Vater verzweifelt nach.
Erneut macht sich Robin auf die Suche nach seiner Mutter. Schließlich entdeckt er sie, bei der Futtersuche.
Klar, sagt sich Robin, er könnte tatsächlich selbst Futter aus dem Wasser der Lagune fischen. Die Nahrung schmeckt gar nicht so schlecht. So ehrlich will er sein. Aber er hat keine Lust dazu.
Langsam nähert er sich seiner Mutter. Mit säuselnder Stimme sagt er: „Mama, ich habe immer noch Hunger.“
Robin sieht sofort die Traurigkeit auf ihrem Gesicht. Dann schüttelt sie den Kopf. „Nein, mein Sohn. Die Kropfmilch kommt nicht mehr. Du bist erwachsen. Jetzt musst du dich selbst um dein Futter kümmern.“
„Aber Mama“, ist alles was Robin sagen kann.
„Schau dich an. Du bist ausgewachsen. Dein Schnabel ist voll entwickelt. Du musst jetzt deine eigenen Wege gehen und deine eigene Familie gründen. Papa und ich sind nicht mehr für dich verantwortlich.“
„Also gut, wenn ihr das so wollt“, Robin wendet sich ab, in der Hoffnung, die Mutter ruft ihn zurück. Doch nichts dergleichen geschieht.
Schließlich geht er seinen Weg. Es ist Zeit, dass du erwachsen wirst, sagt er sich.
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