"Vielleicht" ist nicht genug. Helene Hammerer

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ein Tisch mit Stuhl und ein schmaler Kleiderschrank. Außerdem hatte sie Imeldas altes Puppenhaus und den Korbpuppenwagen vom Dachboden geholt. Eifrig waren Sophia und das Säle dabei, die Spielsachen auszupacken, die sie von Salzburg hergeschickt hatten. „Schau, Mama, ich habe ein eigenes Zimmer, da kann ich jetzt immer spielen“, strahlte das kleine Mädchen, „aber schlafen will ich lieber bei dir im Bett.“ Die beiden Frauen sahen sich an und lächelten. „Natürlich kannst du bei mir im Bett schlafen“, versicherte Imelda ihrer Tochter und schaute dann nach Wolfgang. Er war völlig versunken in die Arbeit, seine Legobausätze, seine Bücher und die übrigen Spielsachen einzuräumen. Kurz schaute er auf und lächelte seine Mutter an. „Meine Sachen sind schon da, Mama, das Säle hat mir alles ins Zimmer gestellt. „Gut, dann ist dir in den Ferien zum Glück nicht langweilig“, meinte Imelda und schaute ihren Sohn prüfend an. Für seine knapp acht Jahre war er viel zu ernst und erwachsen. Seine blonden Haare waren zu lang und sein Gesicht mit den großen, grünen Augen viel zu blass und schmal. Hoffentlich tat ihm die klare Höhenluft in Auenfeld wirklich so gut, wie der Arzt gemeint hatte. Im Moment rang er jedenfalls nicht nach Atem und dafür war Imelda schon dankbar. „Elsbeth bringt den Teppich aus dem Kinderzimmer mit, wenn sie zur Hochzeit kommt. Den legen wir dann in dein Zimmer. Inzwischen kannst du einen aus meinem Schlafzimmer haben“, bot Imelda an. Wolfgang brummte Zustimmung und nickte. Seine Mutter holte den langen Läufer aus ihrem Schlafzimmer. Das Rosenmuster schien ihren Sohn im Moment noch nicht zu stören aber das würde sich bald ändern, wie sie wusste. Ihre Brüder hätten nie im Leben einen Rosenteppich in ihrem Zimmer geduldet.

      Nachdem sie oben nicht gebraucht wurde, ging Imelda in die Küche, um das Abendessen herzurichten. Im Kühlschrank fand sie Butter, Wurst und Käse, im Vorratsschrank Brot und ein Glas eingelegte Gurken, Kräutertee und Johannisbeersirup. Ihre Mutter hatte wirklich an alles gedacht. Nachdem sie die drei gerufen hatte, setzten sie sich um den großen, alten Küchentisch. Imelda bedankte sich bei ihrer Mutter für die Essensvorräte, aber diese winkte ab. „Greift tüchtig zu, ihr seid alle viel zu dünn“, forderte sie die Heimkehrer auf. Und zum ersten Mal seit Monaten, genoss Imelda eine Mahlzeit. Das dunkle Brot und der würzige Bergkäse aus der Sennerei im Dorf schmeckten besser als jedes Gourmetmenü. Nach dem Essen ging Balbina nach Hause um die Sonntagstorte und das Mittagessen vorzubereiten. Endlich war wieder einmal die ganze Familie versammelt. „Ich hol euch um zwanzig vor neun für die Messe ab“, sagte sie beim Gehen. Imelda nickte lächelnd: „Danke für alles, Mama.“ „Ist schon gut“, meinte diese, „Gott sei Dank seid ihr wieder da.“ Liebevoll tätschelte sie ihrer Tochter den Arm.

      Imelda ließ den Kindern ein Bad in der großen, altmodischen Wanne einlaufen. Sophia jammerte, dass es kein Kinderschaumbad gab, aber im Badezimmerschrank fand sich eine alte Bürste mit Stiel, mit der sich die Kinder gegenseitig den Rücken schrubben konnten, und bald lachten und kreischten die beiden ausgelassen. Frisch gebadet kuschelte sich Sophia in das dicke Federbett und wartete auf ihre Gutenachtgeschichte. Wolfgang schmökerte lieber selbst in seinen Sachbüchern oder las Abenteuergeschichten. „Mama, wo bleibst du denn so lange?“, rief das kleine Mädchen ungeduldig. „Bin schon da“, lächelte ihre Mutter, zog die Vorhänge zu und knipste die altmodische Nachttischlampe mit dem Seidenschirm und den kleinen Troddeln am Rand an. Sophia war entzückt davon und betätigte mehrmals den Schalter. Imelda setzte sich auf die Bettkante, um vorzulesen, und bevor die Geschichte zu Ende war, schlief die Kleine schon friedlich. Die langen Wimpern warfen Schatten auf die fast durchscheinende Haut und auf der kleinen Nase waren ein paar Sommersprossen. Sophia hatte die blauen Augen und die roten Haare ihrer Mutter geerbt, sehr zu deren Leidwesen. Zum Glück schienen die Kinder in der Stadt toleranter zu sein und ihre Tochter nicht zu hänseln. In Imeldas Schulzeit war es manchmal ein hartes Los gewesen, Fuchs zu heißen und rote Haare zu haben. „Schlaf gut, mein Mäuschen, und träum was Schönes“, flüsterte Imelda und strich ihrer kleinen Tochter leicht übers Haar. Sie ließ die Nachttischlampe brennen, falls Sophia aufwachen sollte, und ging zu Wolfgang, um ihm Gute Nacht zu sagen. Ihr Sohn blickte von seinem Buch über Meerestiere auf, als sie das Zimmer betrat. „Blauwale sind die größten Tiere auf der Erde“, erklärte er, „sie sind aber keine Fische, sondern Säugetiere, und müssen immer wieder auftauchen, um Luft zu holen.“ Imelda nickte und schaute mit ihrem Sohn in sein Buch, wo ein Blauwal abgebildet war. „Lies nicht mehr zu lange“, ermahnte sie ihn, wohl wissend, dass dies nicht viel nützte, wenn ihn etwas interessierte. Sie strich ihm übers Haar und drückte ihm einen leichten Kuss darauf. „Gute Nacht, Wolfi, schlaf gut.“ „Gute Nacht“, murmelte er abwesend und war schon wieder in sein Buch vertieft. Imelda beschloss, selbst noch ein Bad zu nehmen und sich die Haare zu waschen. Wenn sie morgen schon mit ihrer Mutter zur Sonntagsmesse gehen musste, wollte sie wenigstens einen guten Eindruck machen. In Salzburg waren sie nicht regelmäßig zur Messe gegangen. Als frisch vermähltes Ehepaar hatten sie gerne gemütlich gefrühstückt, wenn Max am Wochenende zu Hause war, und danach hatten sie kleine Ausflüge gemacht, waren im Sommer Radfahren oder Baden gegangen und im Winter Schi gefahren. Als Max immer häufiger weg war, hatte Imelda allein mit den Kindern etwas unternommen. Erst in den vergangenen Monaten hatten sie öfter die Messe besucht. Sie hatten sich schön angezogen und waren anschließend durch die Stadt spaziert oder auf den Schlossberg. Manchmal hatten sie auch den Zug nach Bad Hofgastein genommen und Elsbeth besucht. Einige Male verbrachten sie die Sonntage mit ihrer Nachbarin, einer älteren, vornehmen Dame. Von ihr wurden sie ins Museum oder zu Ausstellungen eingeladen, was für sie selbst und für Wolfi immer sehr spannend und interessant war, während Imelda das zweifelhafte Vergnügen hatte, die gelangweilte Sophia zu beschäftigen. Hinterher spendierte Frau Hofstätter jedoch immer Kuchen oder Eis in einem Café und so liebte auch die Kleine diese Ausflüge und vergaß ihre Langeweile schnell wieder. Hier im Dorf hatte sie kein Problem mehr mit langen Sonntagen, wurde Imelda bewusst. Hier stand der Sonntag im Zeichen von Kirche und Familie, des Sonntagsbratens und Bergen von Kuchen.

      3.

      Der Sonntagmorgen hielt mit strahlendem Sonnenschein Einzug ins Tal und Imelda stand vor ihrem Kleiderschrank und wusste nicht, was sie anziehen sollte. Das dunkelgrüne Dirndl war ihr viel zu weit, ebenso der cremefarbene Hosenanzug, den sie als nächstes probierte. Das schwarze Kleid hatte einen zu gewagten Seitenschlitz und das dunkelrote war zu weit ausgeschnitten, jedenfalls für einen Kirchgang in Auenfeld. Schließlich entschied sie sich für einen lachsfarbenen Wickelrock und ein Twinset in einer etwas helleren Farbe. Ihr langes, kupferrotes Haar wand sie zu einem Knoten im Nacken. Mit Schminke ging sie sehr dezent um, nur ein wenig, um ihre Blässe zu verdecken. Die lange Perlenkette und die passenden Ohrstecker dazu vervollständigten ihre Garderobe, während sich Imelda selbstironisch eine Grimasse im Spiegel schnitt. In Salzburg hatte sie nicht so lange gebraucht, um sich für die Oper oder einen Ball zurechtzumachen. Sie schloss ihre Schmuckschatulle und legte sie in die oberste Schublade der alten Kommode. Dass sie den teuren Schmuck noch hatte, verdankte sie Frau Hofstätter. Zu Beginn ihrer Ehe hatte sie von Max zu jedem Anlass edlen Schmuck bekommen, den sie auch häufig trug. Als einmal im Nachbarhaus eingebrochen worden war, hatte ihr Frau Hofstätter angeboten, den Schmuck in ihrem Safe zu verwahren. Imelda hatte eingewilligt, mehr um die alte Dame zu beruhigen, als aus Furcht, bestohlen zu werden. Als Max dann gesucht wurde, war der Schmuck bei Frau Hofstätter geblieben, während alle annahmen, er habe ihn mitgenommen. In Salzburg hatte Imelda nicht mehr gewagt, ihn zu tragen und ihre Nachbarin hatte ihr die Schatulle erst am Vorabend ihrer Abreise in die Hand gedrückt. „Das haben wir gut hinbekommen. Betrachten Sie ihn als kleine Entschädigung, mein Kind“, hatte sie augenzwinkernd gemeint. Sie würde der guten Frau Hofstätter bald schreiben, nahm sich Imelda vor.

      Als sie in ihre Schuhe schlüpfte, hörte sie schon die Kinder von unten rufen. Sie hatten das Säle abgeholt und warteten nun auf sie. Das anerkennende Lächeln ihrer Mutter sagte Imelda, dass ihre Kleidung passend war, und zu viert machten sie sich auf den Weg zur Kirche. Vor deren Haus trafen sie Onkel Kaspar und Frieda, die genau wie Balbina einen großen Strauß aus Gartenblumen in der Hand hielt, um ihn vor der Messe noch aufs Grab zu stellen. Kaspars Enkel, Jodok, der nur wenig älter als Wolfgang war, tat sich gleich mit diesem zusammen und die beiden Buben liefen voraus, während Sophia doch lieber an der Hand ihrer Mutter ging. Imelda spürte die neugierigen Blicke der anderen Kirchgänger, die höflich

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