"Vielleicht" ist nicht genug. Helene Hammerer
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6.
Am Sonntag fuhren Imelda und die Kinder mit dem Bus nach Schwarzach, um Meinrad und dessen Familie zu besuchen. Andrea hatte Wolfgang eingeladen, eine Woche bei ihnen zu verbringen. „Wenn Meinrad Urlaub hat, kann er mit den Buben etwas unternehmen“, hatte sie gemeint. „Wolfi tut unseren beiden gut.“ Imelda freute sich für ihren Sohn, dass er etwas Abwechslung hatte, denn in der Hochsaison im Sommer konnte sie sich nicht frei nehmen. Sophia war auch glücklich, da ihre kleine Freundin Marie-Theres mit ihrer Mutter noch einige Tage in der Alpenrose blieb.
Imelda wollte endlich das Haus neu gestalten, so gut es ging. Mit den Sachen, die Elsbeth noch aus Salzburg gebracht hatte, würde ihr schon etwas einfallen. Sobald Sophia im Bett war, nahm Imelda den Wäscheschrank ihrer Großmutter genauer in Augenschein. Da gab es Betttücher aus echtem Leinen, Zierkissen mit Lochstickerei und meterweise Spitzen, die ihre Großmutter auf Vorrat gehäkelt hatte, die aber nie gebraucht worden waren. Imelda inspizierte ihre Schätze und sah ihre Stube plötzlich mit weißen Leinenvorhängen vor sich. Aus den Zierkissen würde sie kleine Kissen für das Sofa und die Ofenbank nähen und der weiße Wollteppich, den Felicia ihr geschenkt hatte, würde das Ganze abrunden. Dann störte auch der beige-braune Bezug des alten Sofas nicht mehr. Hoffentlich ließ sich der hässliche Spannteppich leicht herausreißen, denn darunter war bestimmt ein alter Holzboden. Sie musste ihre Mutter um das Rezept für die Lauge fragen, mit der das Holz weiß gewaschen wurde, nahm sich Imelda vor. Sie legte die Sachen beiseite, die sie für die Stube brauchte, und wandte sich in Gedanken ihrem Schlafzimmer zu. Für die vier Fenster müssten die blassrosa Vorhänge aus ihrem Schlafzimmer in Salzburg genügen. Damit kamen auch die alten Teppiche mit dem Rosenmuster gut zur Geltung. Den blinden Spiegel der Frisierkommode warf sie am besten weg, dann sah man auch die weiße Marmorplatte besser. Felicia hatte ihr die Topfpflanzen aus der Schule überlassen. Die kleine Fächerpalme wäre auf der Kommode nett. Ihre Gedanken wanderten zum Bett und dem kitschigen Schlafzimmerbild. Aus dem goldenen Rahmen müsste sich etwas machen lassen, überlegte sie. Natürlich! Wenn sie den Rahmen hochkant nahm und sich von Onkel Kaspar ein Spiegelglas anpassen ließ, hatte sie einen hübschen, antiken Spiegel. Das schwere, dunkle Bett war ihr auch ein Dorn im Auge. Vielleicht konnte Onkel Kaspar es absägen und die Kanten schleifen. Es sah aus, als wäre es aus Massivholz. Sophias Zimmer wollte sie in Hellgelb einrichten. Dazu würde sie zwei Oberleintücher mit Lochstickerei und zwei Garnituren der weißen Damast-Bettwäsche färben. Wolfi bekam die Vorhänge und den Teppich aus dem Kinderzimmerin Salzburg. Imelda grinste vor sich hin und legte die Sachen für Sophia auf einen eigenen Stapel. Jetzt noch das Badezimmer. Nachdenklich öffnete sie die Tür und nahm den kleinen Raum in sich auf. Es war ihr immer potthässlich erschienen, mit den orangefarbenen Fliesen, der fleckigen Decke aus gemusterten Weichfaserplatten und dem schwarz-braun gesprenkelten Linoleum am Boden. Gut, die Decke musste weiß gestrichen werden. Als Vorhänge konnte sie wiederum weiße Leintücher nehmen, eventuell mit Spitzen. Unter dem Fenster hätte eine kleine Kommode Platz. Vielleicht fand sie im Dachboden etwas Passendes. Vor die Badewanne musste ein Duschvorhang und der Bodenbelag musste heraus, da half alles nichts. Sie würde Gregor bitten, ihr ein Stück Linoleum in einem hellen Braun zu verlegen. Imelda brachte ihre Beute in die Werkstatt und wollte ein Maßband holen, um Maß zu nehmen, für die Vorhänge. Da fiel ihr Blick auf die alte Uhr in der Stube. Oh je, schon halb zwölf. Sie ging wohl besser ins Bett und fing am nächsten Tag mit der Neugestaltung des Hauses an. Voller Vorfreude schlief sie ein. Am Montag arbeitete Imelda länger als ihre fünf Stunden, da noch schrecklich viel Wäsche vom Wochenende aufzuarbeiten war, obwohl sie beide auch am Samstag bis Mittag hier gewesen waren. Sophia war verschwunden, um mit Marie-Theres zu spielen und die Arbeit ging ihnen flott von der Hand. „Mit dir als Kollegin hab ich wirklich einen guten Fang gemacht“, bemerkte Balbina plötzlich. Imelda blickte auf und lachte: „Mensch Mama, da fühle ich mich ja direkt geehrt. Wenn du das sagst, muss es wohl stimmen.“ Die beiden lächelten sich zu und arbeiteten weiter. Es stimmte, sie arbeiteten gut zusammen. Auch Imelda war mit ihrer Mutter als Mitarbeiterin mehr als zufrieden. Trotzdem war es nicht ihr Lebensziel, immer und ewig in der Alpenrose die Wäsche zu machen. Sie erzählte ihrer Mutter von der geplanten Verschönerungsaktion und Balbina erinnerte sich daran, dass auch bei ihr im Dachboden noch einige Kartons mit Imeldas Sachen standen. Balbina versprach, am Abend danach zu suchen.
Sobald sie zu Hause war, holte Imelda einen Schraubenzieher um die Bodenleiste abzuschrauben. Wie sie vermutet hatte, war unter dem Spannteppich ein Holzboden. Nachdem sie die Leisten rundherum gelockert hatte, ließ sich der Teppich leicht herausnehmen. Der Boden sah allerdings ziemlich mitgenommen aus. Als Balbina mit einem großen Karton das Haus betrat, war Imelda dabei, mit dem Staubsauger den gröbsten Schmutzwegzusaugen. „Was machst du denn da?“, fragte Balbina erstaunt. Imelda grinste: „Ich hab den hässlichen Spannteppich herausgerissen und möchte Felicias Wollteppich herein legen. Meinst du, ich kann den Boden mit Lauge weißwaschen?“ Balbina wiegte zweifelnd den Kopf. „Ich weiß nicht, ob das geht, aber wir können es probieren. Sand zum Scheuern hast du auch genug.“ Die beiden Frauen trugen alle Möbel, bis auf den eingebauten Schrank, aus dem Zimmer. Balbina lief nach Hause um Lauge und eine Scheuerbürste zu holen und schon konnte es losgehen. Nach zwei Stunden harter Arbeit war der alte Fußboden kaum wiederzuerkennen. Sie ließen alle Fenster offen, damit das Holz trocknen konnte, und Imelda richtete eine Jause fürs Abendessen her. Gemütlich saßen die beiden Frauen und Sophia beisammen, sehr zufrieden mit ihrem Tagwerk.
Balbina ging nach Hause um die Nachrichten anzuschauen und die Beine hochzulegen. Imelda brachte Sophia ins Bett. „Würden dir gelbe Vorhänge für dein Zimmer gefallen?“, fragte sie ihre Tochter. „Nein, ich will pinkfarbene, wie Carina“, entschied die Kleine und daran bestand nicht der geringste Zweifel. „Tja, wenn du Pink möchtest, machen wir das natürlich so“, versprach Imelda. Aber dafür nehme ich kein besticktes Leintuch, dachte sie bei sich. Müde, wie sie war, schlief Sophia sofort ein und Imelda ging in die Werkstatt, um die Vorhänge zu nähen. Als sie am nächsten Morgen zur Arbeit ging, ließ sie die Fenster weit offenstehen, damit der Boden vollends trocknen konnte. Hier im Dorf würde keiner etwas stehlen, die Leute wurden höchstens neugierig. Kaum war Imelda wieder zu Hause, nähte sie verschiedene kleine Kissenbezüge. Einige mit Lochstickerei, andere mit Spitzen und Rüschen. Auch den alten, mit Kunsthaut bespannten Lampenschirm wollte sie mit weißem Stoff beziehen. Dann wäre die Stube auch nicht mehr so düster. Am späten Nachmittag half Balbina, die Möbel wieder an ihren Platz zu stellen. Sie bügelte die neuen Vorhänge, um sie gleich aufzuhängen und anschließend rollten die Frauen gemeinsam den weißen Wollteppich aus. Das Zimmer war wie verwandelt. Alles wirkte sauber und hell. Erstaunt schaute sich Balbina in dem altvertrauten Raum um. „Ich hätte nie gedacht, dass weiße Vorhänge so schön sind. Vielleicht sollten wir das in meiner Küche auch probieren“, rief sie aus. Imelda lachte: „Gerne, du musst mir nur Leintücher bringen.“ Als sie in dieser Nacht zu Bett ging, lagen auch die neuen Kissen auf dem Sofa. Die Lampe war mit weißer Spitze bezogen und an der Wand hingen statt der alten Heiligenbilder gerahmte Fotos von den Kindern. Langsam aber sicher wurde ihr Leben wieder besser, dachte Imelda zufrieden.
Am Mittwochnachmittag hatte sich Elsbeth zum Kaffee angekündigt. Also eilte Imelda nach der Arbeit heim, buk den Nusskuchen nach Balbinas Rezept und deckte den Tisch mit Großmutters Goldrand-Geschirr. Im Stubenkasten fand sie eine weiße Kerze mit einer Plakette von einem Wallfahrtsort, die sich jedoch ablösen ließ, und im Garten vor dem Haus holte sie ein paar Blumen. Als Elsbeth kam, war sie begeistert. „Imelda, du bist ein Genie!“, rief sie aus. „Darf sich Mama das einmal anschauen?“ „Ja, gerne, aber sie wartet besser, bis ich mit den anderen Zimmern fertig bin. Ich habe noch Einiges vor“, lachte Imelda glücklich. Während ihre Töchter friedlich spielten, genossen die beiden Frauen ihren Kaffeeplausch. „Ich bin so froh, dass es dir wieder besser geht. Ich hab mir schon richtige Sorgen um dich gemacht“, bekannte Elsbeth beim Abschied. Imelda nickte: „Ja, es ist, als ob ich eine schwere Krankheit hinter mir hätte.“Nach und nach wurden alle Räume