Traumspuren. Nadja Solenka
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5. Kapitel
"Fasten your seat belts, schnallen sie sich bitte an, ... . Wir erreichen bald Palma de Mallorca." Diese allbekannte Ermahnung drang nur diffus in meine Ohren.
Lieber, lieber Gott ich will auch all meine Sünden bereuen. Dass ich Denis damals nicht geheiratet hatte, dass ich mein Studium nicht beendete, und dass ich in den vielleicht letzten Stunden meines Todes fürchterlich beschwipst war vom Sekt, den ich mir an Bord der Maschine bestellt hatte. Arg wackelte und zitterte das Flugzeug dem Flughafen entgegen, und meine Seele fuhr wegen der ach so nahen Höhe Achterbahn.
Nach einer wie mir schien endlosen Zeit erreichte das Flugzeug seinen Hafen, nicht ohne vorher dreimal aufzusetzen. Schweißgebadet wischte ich mir meine brünetten Locken aus der Stirn und sicherlich die Hälfte unserer Mitreisenden atmeten erleichtert mit mir auf, als wir die Gangway hinunterstiegen, um zum Bus zu gehen. Jetzt war alles da: Der Wind, der nach Salz schmeckte, die Frühlingssonne und das Gefühl nach ewig langer Zeit wieder mitten im Leben zu sein.
Wind rauschte in den Palmen. Bunte Sträucher, sorgfältig gepflegt, verschönerten die Rasenfläche. Und Karla, die ja aus ihrer gewohnten Umgebung herausgerissen war, und eine anstrengende Reise hinter sich hatte, tobte mit zehn anderen Kindern um den Swimmingpool herum. Als wäre sie schon immer hier gewesen. Und hunderte goldener Sonnenlichter auf dem klaren Wasser des Schwimmbeckens tobten mit. Käthe und ich dagegen waren einfach nur müde und erschöpft und hatten es uns auf dem Balkon unseres Appartements gemütlich gemacht. Wir schauten auf das tiefblaue Wasser und sogen die unzähligen Düfte der Pflanzen und Menschen auf. Endlich, endlich war ich auf der spanischen Insel. Am Swimmingpool stand geschäftig nun ein netter Mensch, der mit einem Netz durch das Wasser fuhr. Spatzen pickten die Brotkrumen unter den Tischen auf. Braun gebrannte Touristen lagen auf weißen Liegen unter blau-weißen Sonnenschirmen an der Swimmingpool-Landschaft. Und alles war so ruhig und beschaulich.
Aus der Hintertasche meiner viel zu dicken Jeans holte ich ein Haarband und band meine Locken zu einem Zopf zusammen. Glücklich war ich wie eine Königin, die ein Diadem geschenkt bekommen hatte. Für zehn Tage konnte ich alle meine Sorgen vergessen. Ach wie herrlich. Ich verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Wer weiß, vielleicht war ja auch ein Urlaubsflirt drin?
Gerade, als ich das dachte, ging unten auf dem Weg ein hell-brauner Typ mit falsch herum aufgesetzter Schirmmütze und ausgefranstem Jeans vorbei, grinste freundlich zu mir hoch, und hob die Hand zum Gruß.
Käthe, die sich mit ihrem blütenweißen Taschentusch die Stirn abwischte, schaute mich missbilligend an und sagte dann mit zur Seite geneigtem Kopf, "damit wir uns verstehen Luise, keine Männer in diesem Urlaub, alles klar?"
Zum Glück kam Karla in dem Moment hoch gerannt und fragte atemlos: "Mama, darf ich ein Eis"?
Sie durfte. Sie durfte die mordsmäßige Maschinengewehr-förmige Wasserpistole, einen neuen Bikini und eine Schaufel mit Eimer in Luxusausfertigung. Und, und, und, ... . Und vor allem ein damenhaftes Strohhütchen, in dem sie wie ein Kinderstar aussah.
Bei Käthe durfte sich Karla eben fast alles leisten, ich hingegen gar nichts!
6. Kapitel
Am nächsten Tag lagen wir wieder am Strand nah bei den exotischen Bäumen und dem azurblauen Meer, und ließen uns die Sonne auf den Bauch scheinen. Ich fragte mich wohl zum hundertsten Mal, wie Käthe mit ihrem so sorgfältig lila getönten und gelegtem Haarschopf und ihrer streng moralischen Auffassung zu einem Sohn wie Denis gekommen war? Denis, der ein paar Jahre in Holland in einer Männer-WG gewohnt, der vor mir unzählige Frauen gehabt, ohne mit ihnen verlobt zu sein, und unehelich eine Tochter gezeugt hatte. Nun war Käthe Jahrgang 1949 und damit exakt mit neunzehn Jahren mitten hinein in die 68ger gelangt. Aber diese „unmögliche, renitente Zeit“, wie sie einmal sagte, hätte Käthe nicht mitgemacht, weil ihr Mann sowieso die ganz große Liebe ihres Lebens gewesen wäre, außerdem hätte sie eine monogame Ader. Spät erst hatte sie ihr einziges Kind bekommen, ihren geliebten und verwöhnten Denis. Es hatte nicht vorher geklappt, bei der Geburt von ihrem Sohn war Käthe schon achtunddreißig. Sie hatte ihren Mann, der vor sechs Jahren verstorben war, über alles geliebt. Und das ließ mich fast wirklich an das Glück glauben. Ich hatte Käthe irgendwann mal gefragt, warum sie Denis in der französischen Schreibweise wählte. Und sie erzählte mir leutselig, sie und ihr Mann Rudolf wären nach Jahren, wo sich kein Kind eingestellte, an die französische Riviera gefahren. Dort wären sie in einem Hotel untergekommen, dass „Chez Denis“ hieß und da hätte es dann direkt funktioniert mit der „Befruchtung“. Eingedenk des Hoteliers mit Namen Denis, der eine Weltschönheit als Mensch und Mann gewesen wäre, benannten sie ihren Sohn nach ihm.
Ich legte mich von der Bauch in die Rückenlage und betrachtete mein Umfeld. Neben uns lag eine Familie von zehn Personen, die mit Kind und Kegel, Oma, Opa und Tanten mit Wohlgefallen ihren ersten Urlaubstag gemeinsam zelebrierten.
Ich hatte nur Käthe und Karla mit, und das reichte mir voll und ganz, denn wenn ich darüber nachdachte, suchte ich eigentlich nicht das Abenteuer und einen Abenteuer-Urlaub, sondern eher Ruhe und Erholung. Alleine ein Kind großzuziehen und eine Trennung hinter sich zu bringen, stresste schon genug. Hätte ich gewusst, was alles auf mich noch zukommen würde, hätte ich gewiss versucht, mich meditativ zu wappnen. Jetzt saß ich noch vollkommen ahnungslos am Strand und betrachtete mit Wohlgefallen mein Töchterchen, das im türkis-rot-gelb-gepunkteten Bikini am Strand saß und voller Eifer Sand anhäufte und mit der Schaufel wieder platt haute. Käthe sammelte Muscheln und arrangierte sie Karla zu einem Muster, dann schaute sie mich stolz an und sagte: "Schau, was meine Enkelin alles kann." Dass diese Enkelin, die ihre Oma nur wenig im Jahr wirklich richtig sah, meine Tochter war, schien sie in dem Moment völlig vergessen zu haben.
Ich nickte aber, dann griff ich zum Sonnenöl, ölte mich ein und legte mich dann wieder auf dem Bauch, um doch ein wenig weiter zu dösen. Noch konnte ich mein Glück gar nicht so richtig fassen. Später ging ich mit Karla zum Meer, steckten nur einmal die Füße ins kalte, schäumende Meer, dann gingen wir zurück zu unseren Badehandtüchern. Es war April und im April ist manchmal sogar bei den Balearen das Wasser zu kalt, um schwimmen zu gehen. Schließlich gingen wir ein Eis essen und machten uns anschließend auf den Weg in die Zimmer, um etwas zu ruhen.
Nach einem Abendspaziergang und einem späten Essen, gingen wie früh zu Bett. Käthe ging es nicht so gut. Sie sah ganz blass aus, hoffentlich hatte sie nicht vor auf der Insel zu sterben.
7. Kapitel
Ein neuer Morgen brach an. Wohlig räkelte ich mich neben meiner schlafenden Karla in dem unbequemen Bett. Plötzlich kam eine ganze Armee von blau-bekleideten Putzfrauen in unser Zimmer, eine niederschmetternde Arie singend. Jene wischten um unser Bett, die "hola" riefen, im nu fegten, putzen und wischten und hinterher wie auf Kommando verschwanden, so wie die Aschenputtel.
Es war allerdings erst sieben Uhr, und ich hatte eigentlich einen ruhigen Morgen angehen wollen.
Gleichermaßen munter kam Käthe plötzlich in unser Zimmer hinein spaziert und sagte fröhlich: "Aufstehen Kinder, aufstehen. Los wir wollen noch etwas haben vom Tag. Kommt, wir gehen jetzt frühstücken."
Noch gar nicht richtig wach, schlug ich mich genervt aus dem Laken. Karla schaute fragend und müde zu mir hoch. Doch war sie, im Gegensatz zu mir, sehr schnell zu bewegen, sich anzuziehen. Wenn es auch etwas Zeit dauerte, sich der weltbewegenden Frage zuzuwenden, ob sie nun das rote Kleidchen, oder aber den bunt gemusterten Short mit zitronen-gelbem T-Shirt anziehen