Gottlos. Dietrich Novak
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Dietrich Novak
Gottlos
Der Todesengel
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Inhaltsverzeichnis
Prolog
Der Klinikdirektor nahm gewichtig die gesamte Fläche seines Chefsessels ein. Auf seinem wie leer gefegtem, poliertem Schreibtisch lag nur eine einzige Akte. Sein Gesicht wirkte wie gemeißelt; man konnte nicht erkennen, was in ihm vorging.
Sein Gegenüber verkrampfte die Hände im Schoß, die schweißnass waren, schon ahnend, was jetzt kommen würde. Es erkannte auf den ersten Blick, dass es sich um seine Personalakte handelte.
»So leid es mir tut, doch ich muss Ihnen kündigen«, sagte der Direktor. »Sie sind einfach für unser Haus nicht mehr tragbar. Das sehen Sie doch ein, oder?«
Ein kaum merkliches Nicken war die Reaktion.
»Ich will gar nicht hinterfragen, ob die wirklich unglaublichen Vorwürfe, die man gegen Sie vorbringt, der Wahrheit entsprechen. Das wäre ungeheuerlich und bisher einmalig in der Geschichte dieses Hauses. Tatsache ist, dass es in der letzten Zeit ungewöhnlich viele Todesfälle gab, meist nachts, wenn Sie Ihre Schicht angetreten hatten.«
»Es sind auch Leute gestorben, wenn ich keinen Dienst hatte …« Der Einwurf kam zaghaft und wurde mit leiser Stimme vorgetragen.
»Bisher waren wir mit Ihrer Arbeit sehr zufrieden, und Sie erfreuten sich einer gewissen Beliebtheit bei den Patienten, doch die Rufe werden immer lauter, dass diese … Vorfälle kein Zufall sein können.«
»Auf der Intensivstation haben wir es nun mal mit Schwerstkranken zu tun, die allesamt an der Schwelle des Todes stehen … da muss man gar nicht nachhelfen, wenn ihre Uhr abgelaufen ist. Ich habe mir jedenfalls in dieser Hinsicht keine Vorwürfe zu machen.«
»Das will ich Ihnen ja gerne glauben, aber wäre Ihnen eine polizeiliche Untersuchung lieber? Ich muss einfach reagieren, damit es nicht heißt, ich hätte alles vertuscht, um den Ruf der Klinik nicht zu gefährden. Das verstehen Sie doch?«
Das Nicken war schon etwas deutlicher.
»Beginnen Sie irgendwo neu. Am besten, wo Sie niemand kennt. Im Zeugnis, das wir Ihnen ausstellen, werden keine negativen Bemerkungen auftauchen, auch nicht zwischen den Zeilen, das verspreche ich. Solange es keinen Nachweis Ihrer Schuld gibt, will ich an Ihre Unschuld glauben. Ich habe mich immer sehr bemüht, nicht allzu viel auf das Gerede von Mitarbeitern zu geben und bin bisher ganz gut damit gefahren. Diesmal ist es anders ...«
»Mich würde interessieren, wer mich bei Ihnen angeschwärzt hat …«
»Darauf erwarten Sie nicht wirklich eine Antwort? Ich will nur so viel sagen, dass es sich um zwei Mitarbeiter handelt, die ich ebenso sehr schätze wie Sie. Seien Sie froh, dass es keine Angehörigen von Patienten waren, denn dann kämen wir an einer polizeilichen Untersuchung nicht vorbei … Wenn erst die Presse davon Wind bekäme … So etwas können wir uns einfach nicht leisten …«
»Verstehe, aber wer sagt Ihnen, dass die Kollegen sich nicht an die Presse oder Polizei wenden?«
»Darauf habe ich ihr Ehrenwort. Bedingung ist allerdings, dass Sie umgehend das Haus verlassen. Sie haben ja noch Resturlaub zu beanspruchen. Die verbleibende Zeit wird Ihnen selbstverständlich bezahlt.«
»Dann dürfte alles gesagt sein. Somit bleibt mir keine Wahl. Vielen Dank, dass Sie weiterhin an mich glauben.«
»Keine Ursache. Ich wünsche Ihnen alles erdenklich Gute für die Zukunft. In Ihrem Alter dürfte es nicht allzu schwer sein, etwas Neues zu finden. Gutes Pflegepersonal ist nach wie vor gefragt. Und leider kommt nicht genügend Nachwuchs hinterher, weil die Arbeitsbedingungen oft zu wünschen übrig lassen, das muss ich leider zugeben. Also, Kopf hoch. Irgendwie wird’s schon weiter gehen.«
Damit sollte der Klinikdirektor Recht behalten. Nur in einer Weise, die seine Vorstellungen übertraf und ihn später vor Selbstvorwürfen nicht mehr zur Ruhe kommen lassen sollte.
Kapitel 1
Das Pflegeheim Abendruh im Norden Berlins wirkte auf den ersten Blick wie ein ganz normales Krankenhaus, vielleicht sogar wie ein Altenwohnheim. Nur wer näher trat, bemerkte die besondere Atmosphäre dieses Hauses. Schon im Eingangsbereich saßen alte Menschen in Rollstühlen mit leerem Blick. Andere stierten auf der Sonnenterrasse vor sich hin oder lagen teilnahmslos in ihren Betten. Man spürte keine Fröhlichkeit oder banges Erwarten der bald bevorstehenden Entlassung, denn für viele war es die Endstation ihres Lebens. Ihre Krankheit war derart fortgeschritten, dass es keine Heilung mehr geben würde. Von den Angehörigen wegen Überforderung dort untergebracht oder einfach abgeschoben, sah man in den Augen der alten Menschen, dass sie mit ihrem Leben abgeschlossen hatten.
Wolfram Schmiedinger liefen Tränen über das faltige Gesicht, als er von seiner Tochter Sonja und ihrem Mann Horst im Rollstuhl hineingeschoben wurde.
»Hier riecht es nach Tod«, sagte der alte Mann.
»Vater, bitte, mach es uns doch nicht so schwer.« Sonja war nahe daran, auch zu weinen. »Du hast jetzt dreimal hintereinander hilflos in der Wohnung gelegen. Du kannst einfach nicht länger alleine zu Hause sein. Wir gehen beide arbeiten, und der ambulante Pflegedienst ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Wenn du ihn brauchst, ist gerade niemand da. So kann es doch nicht weitergehen. Hier kümmert man sich um dich, und wir