Gottlos. Dietrich Novak
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Gottlos - Dietrich Novak страница 4
»Sie wollten mich sprechen?« Valerie fand die Frau etwas seltsam, ließ sich aber nichts anmerken.
»Sie sollten das mal untersuchen mit den vielen Todesfällen. Hier sterben sie wie die Fliegen. Ich denke, das geht nicht mit rechten Dingen zu …«
»Wie kommen Sie darauf? Haben Sie konkrete Anhaltspunkte? Konnten Sie etwas Ungewöhnliches beobachten?«
»Natürlich. Ich kann nachts schon nicht mehr so gut schlafen, wissen Sie. Ich glaube, das nennt man senile Bettflucht, oder so. Na, jedenfalls schleiche ich manchmal über die Gänge. Sie ahnen nicht, was man da alles beobachten kann, wenn man in andere Zimmer sieht. Nicht mal die Mühe, die Tür zu schließen, macht sie sich, die Hexe, wenn sie ihre todbringenden Spritzen gibt.«
»Wen meinen Sie, eine Ärztin?«
»Nein, die würden sich keine Laus in den Pelz setzen. Die haben ihre Erfüllungsgehilfen. Diese Ruth ist eine von denen.«
»Glauben Sie nicht, dass Sie sich irren? Ich habe Schwester Ruth als eine sympathische Frau kennengelernt, die sich liebevoll um meinen Vater kümmerte.«
»Alles Fassade. Die sind wie Vampire. Nachts zeigen Sie ihr wahres Gesicht. Denken Sie an meine Worte.«
In dem Moment wurde die Tür mit einem Ruck geöffnet. Herein kam eine jüngere Pflegekraft, die ein finsteres Gesicht machte.
»Na, Oma Hildebrandt, erzählen Sie wieder Ihre Schauergeschichten? Ja, ich weiß, in dunklen Ecken lauern Gespenster und Dämonen, bis hin zu Vampiren. Alle wollen Ihr letztes bisschen Blut haben. Was soll die Hauptkommissarin nur von unserem Haus denken? Dass wir alten Menschen nach dem Leben trachten, damit möglichst schnell ein Zimmer frei wird?«
»Was wahr ist, muss wahr bleiben …«
»Ja, Oma Hildebrandt, wir alle haben unsere ganz spezielle Wahrheit, nicht? Ich bin übrigens Schwester Katja. Wir haben uns noch nicht kennen gelernt, glaube ich«, wandte sich die eher unscheinbare Frau mit dem wohlklingenden Namen, der nicht so recht zu ihr passen wollte, an Valerie.«
»Das dürfte ein kurzes Vergnügen sein, wo mein Vater gerade verschieden ist. Ich habe also keinen Grund, künftig hier zu verkehren. Es sei denn, hier geht etwas nicht mit rechten Dingen zu.«
»Sind Sie schon infiziert von dem Klatsch, den man hier mitunter verbreitet?«
»Sollte ich?«
Schwester Katja grinste verlegen. »Wir sollten uns draußen weiterunterhalten … So, Oma Hildebrandt, ich schließe dann mal wieder das Fenster, damit Sie keinen Husten bekommen. Und wenn ich wiederkomme, gibt’s ein zweites Frühstück, wie jeden Tag.«
»Och, den geschmacklosen Quark und die matschige Birne können Sie selber essen …«
»Sie sehen, unsereins hat es nicht leicht«, sagte Katja und zitierte Valerie hinaus.
»Glauben Sie bloß nicht den Unsinn, den Ihnen die alte Dame serviert«, sagte sie vor der Tür, »an sich ist sie ganz lieb. Nur manchmal geht etwas die Fantasie mit ihr durch, seit …, nun ja, seit sich nach einem Schlaganfall ihr Geist etwas verwirrt hat. Sie wartet auch täglich auf ihre Tochter, die sie nie hatte.«
»Dann ist also nichts dran, an den häufig auftretenden Todesfällen?«
»Bedenken Sie bitte, wo sie sich befinden. Das ist hier kein Kurheim, aus dem man frisch gestärkt entlassen wird. Natürlich sterben hier Menschen, das mussten Sie ja gerade schmerzlich erfahren. Doch die meisten haben ein hohes Alter erreicht. Euthanasie wird hier nicht praktiziert, sonst wären wir schon in Teufels Küche gekommen. In Deutschland versteht man aus gutem Grund damit keinen Spaß. Die Gespenster der Vergangenheit sind noch allgegenwärtig.«
»Also doch Gespenster. Hat Frau Hildebrandt nicht ganz Unrecht …«
»Wenn man es so sehen will …«
»Ich werde dann mal zu meiner Mutter eilen. Die ganzen Formalitäten zu erledigen, ist bestimmt nicht einfach für sie.«
»Ja, von der Wiege bis zur Bahre Formulare, Formulare. Auch das ist Deutschland.«
»Die beste Meinung scheinen Sie über ihre Heimat nicht zu haben. Oder sind Sie hier gar nicht geboren worden?«
»Bingo, meine Kindheit habe ich in Schweden verbracht. Trotzdem würde ich mich inzwischen als Deutsche bezeichnen.«
»Interessant, wie hält man es in Schweden mit der Sterbehilfe?«
»Soviel ich weiß, ist dort seit 2010 die passive Sterbehilfe legal, allerdings mit der Bedingung, dass er oder sie die Auskünfte der Ärzte und die Folgen der Entscheidung versteht. Wovon man in einer Einrichtung wie dieser meistens nicht ausgehen kann. Aber wenn es Sie beruhigt, ich halte nichts davon, Gott zu spielen, und behaupte, dass dies auch für meine Kollegen gilt. Ich bin also im richtigen Land und am rechten Ort.«
Valerie schmunzelte. Ihr gefiel die offene Art der Schwester. Und ihre Erfahrung gab ihr das Gefühl, nicht angelogen worden zu sein.
»Also, machen Sie es gut. Und lassen sie sich nicht allzu sehr ärgern.«
»Mit der Zeit bekommt man ein dickes Fell. Die Wenigsten meinen es böse.«
Schwester Katja verschwand freundlich nickend in einem Nebenraum, und Valerie fragte sich zum Verwaltungsbüro durch. Karen kam gerade aus dem Zimmer und machte ein entnervtes Gesicht. »Ich dachte schon, du kommst nicht mehr, weil wieder ein dringender Fall ruft …«
»Nein, ausnahmsweise mal nicht. Was sich jeden Moment ändern kann. Hast du alles erfahren, was du wissen wolltest?«
»Ja, man hat mir das Formular „Anzeige des Todes“ und die darin enthaltene „Todesbescheinigung“ ausgehändigt. Beide dienen der Eintragung im Sterbebuch beim Standesamt und dem Bestattungsunternehmen für die Durchführung der Bestattung. Wir haben natürlich die Wahl, welches Bestattungsinstitut wir beauftragen, aber das Heim arbeitet mit einem zusammen, das sie mir empfohlen haben.«
»Wahrscheinlich weil sie Prozente bekommen. So läuft das«, sagte Valerie.
»So sind die hier nicht. Wir bekommen sogar etwas von dem bezahlten Entgelt anteilig zurückerstattet.«
»Auch das ist gesetzlich geregelt, Mama, du Schaf. Es ist also keine besondere Kulanz. Sei froh, dass Papa keine eigenen Möbel hier hatte. Die müsstest nämlich du kostenpflichtig entsorgen.«
»Das habe ich schon dem Heimvertrag entnommen. Ganz so blauäugig, wie du glaubst, bin ich denn doch nicht. Ich werde mir das mit dem Bestattungsunternehmen also noch mal überlegen. Trotzdem muss ich nach Hause, um die Sachen für Papa herauszusuchen, die er anhaben soll.«
»Kein Problem, ich fahre dich. Und lass dir ruhig Zeit mit der Wahl des Institutes. Auf einen Tag kommt es nicht an.«
»Musst du nicht in deine Dienststelle?«
»Wenn ich dich heimgebracht habe. Soviel Zeit muss sein. Hat man dir eigentlich gesagt, woran Papa gestorben ist?«
»Natürlich. Die herbeigerufene Leichenbeschauärztin hat doch den Todesschein ausgestellt. Papa ist ganz normal an Herzversagen