Completely - Gesamtausgabe. Mej Dark
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„Da ist Post ist für dich angekommen!“, begrüßte mich mein Gastgeber beim Eintreten. Er saß am Feuer und hielt die Depesche interessiert ins Licht. Es war erstaunlich, dass der Postservice in dieser Einöde funktionierte.
Urgroßvater ahnte meine Frage.
„Eine Nachbarin hat ihn mitgebracht. Das gute Stück ist übrigens von einer Frau!“ Neugierig beobachtete er meine Reaktion und grinste über das ganze Gesicht.
„Jammerst du wegen ihr so viel im Traum herum? Hast du vielleicht Liebeskummer?“, fragte er spöttisch nach. Seine Augen musterten mich dabei flink. Wie konnte dieser Mann nur über hundert Jahre alt sein? Welches Geheimnis verbarg er?
Seit wann hatten wir Nachbarn? Mir waren keine bekannt. Das wollte ich später klären.
Ich stellte den gefüllten Sack auf den Boden und nahm die Sendung äußerlich scheinbar gleichgültig aus seiner Hand entgegen. Urgroßvater machte sich zwischenzeitlich daran, meinen Einkauf zu begutachten.
„Mhm, ob das schmeckt?“, nuschelte er die verschiedenen Lebensmittel auspackend und von allen Seiten begutachtend.
„Es ist anders, als du denkst!“, erwiderte ich etwas verspätet. Was sollte ich ihm auch erklären?
„Na klar doch!“, spottete er. „Mir machst du nichts vor. Auf diesem Gebiet bin ich Spezialist!“, gab er etwas an.
Das Schreiben roch ein wenig nach edlem Parfüm. Ein Stück meines früheren Lebens duftete mir entgegen. Die treue Grace hatte mir geschrieben. Sie hatte mich nicht vergessen. Froh darüber riss ich den Umschlag ungeduldig auf und las:
„Hallo Percy,
ich hoffe du bist gut angekommen und hast dich inzwischen auch etwas eingelebt. Einfach ist es als Großstädter sicher nicht dort. Wie ist dein Urgroßvater so? Er muss doch sehr alt und gebrechlich sein. Den Tag, an dem ich dich zum Bahnhof gebracht habe, kann ich nicht vergessen. Der Moment als sich unsere Lippen berührten, ist für immer tief in meine Erinnerung gemeißelt. Ich frage mich immer wieder, was bedeutete der Kuss? Liebst du mich vielleicht auch so, wie ich dich? In mir ist wieder Hoffnung. Ja, ich spreche es aus, mein Herz gehört dir allein und ich vermisse dich so sehr. Leider kann man dem Leben nur bedingt seinen Willen aufzwingen. Deswegen kann ich dir im Moment nur schreiben und nicht erneut deine Lippen fühlen. Genug, mir wird ganz heiß…
Jetzt komme ich zu den traurigen Nachrichten. Deine Mutter hat, nachdem du fort warst, Hals über Kopf diesen Arzt geheiratet. Keiner versteht das. Wusstest Du von diesem Plan?
Seitdem leidet sie merkwürdigerweise an einer seltsamen Krankheit und wird von Tag zu Tag schwächer und schwächer. Die viele Medizin, die ihr neuer Ehemann verschreibt, hilft offensichtlich nicht. Es ist unmöglich geworden, mit ihr selbst zu sprechen. Dein Stiefvater schirmt sie regelrecht vom Rest der Welt und natürlich auch von mir ab. Ich weiß aus verlässlicher Quelle, dass er vom Gericht im Eilverfahren nun sogar zu deinem Vormund bestimmt wurde. Deine Mutter hat dem angeblich zugestimmt, da sie einen baldigen Tod fürchtet. Er will dich für unzurechnungsfähig erklären lassen. Als Beweis dienen ihm deine Berechnungen. Nur ein Wahnsinniger könnte doch auf die Idee kommen, eine Braut mit Hilfe der Mathematik zu errechnen. Es fehlt nur noch deine persönliche Begutachtung. Stimmt das Gericht seinem Antrag zu, bekommt er die Verwaltung über dein Vermögen übertragen und man würde dich hier in eine Anstalt einweisen. Der Kerl ist durchtrieben und gefährlich. Ich habe große Angst. Komm keinesfalls nach New York zurück. Bleib bei deinem Urgroßvater oder versteck dich irgendwo bis du volljährig bist. Vielleicht sollten wir zusammen ins Ausland fliehen und von dort aus um deinen Besitz kämpfen. Viele verlassen ja das Land, da die Unruhen zunehmen. Du kannst immer auf mich zählen. Deine Grace“
Erschüttert ließ ich das Papier fallen. Mir wurde schwindelig, die Beine drohten wegzubrechen. Zugleich überkam mich unbändiger Zorn. Das Leben meiner Mutter und meine Freiheit waren in Gefahr. Was konnte ich nur tun? In diesem Moment fühlte ich mich hilflos und schwach. Der Boden meiner alten Welt brach einfach unter mir weg. Nur gut, dass ich noch Grace hatte. Ja, sie bedeutete mir vielleicht viel mehr als ich mir zugestand. Lebhaft stand mir ihr Bild vor Augen. War sie nicht wunderschön?
Große Gefahr
Seit dem Brief von Grace machte ich mir vielerlei Sorgen. Ich konnte einerseits nicht nach Manhattan zurück, andererseits wollte ich meine Mama und mein Vermögen nicht kampflos dem hinterhältigen Arzt überlassen. Was sollte ich nur tun? Half es, wenn ich Grace schrieb? Doch auch hierbei zögerte ich, da ich mir über meine wirklichen Gefühle nicht klar war.
Um mich abzulenken, suchte ich sogar die Trance. So konnte man die Sorgen der Welt hinter sich lassen und in eine neue bessere eintauchen. Mein schamanischer Lehrer hatte mir zudem bewiesen, dass man anderen auf diese Weise seinen Willen aufzwingen konnte. Wie ein Bär hatte ich getanzt, ohne es selbst zu wollen. Es gab mehr zu entdecken, als ich ursprünglich mit meinem wissenschaftlichen Verstand vermutet hatte.
Dies war im Augenblick vielleicht der einzige Weg, es dem hinterhältigen Medikus mit Zins und Zinseszins heimzuzahlen. Ich würde ihn hypnotisieren und dazu bringen, meine Mutter zu verlassen. Ich malte mir allerlei aus. Der Kerl sollte glauben, er wäre ein großer Maler und dabei nur Gemälde von Kreisen, Kegeln und Quadraten zeichnen. Sollte die ganze Welt über ihn lachen und ihn für verrückt halten. Die Großnase hatte es verdient. Nach meinem eigenen Bärenwalzer erschien mir dieser Plan realistisch.
„Du besitzt sogar etwas Talent!“, lobte Urgroßvater mich, der mein verändertes Treiben beobachtete.
„Etwas nur?“
„Du bist nicht schlecht! Weiter so, dann wirst du vielleicht tatsächlich eines Tages auch ein Schamane!“ Mein Lehrer schnappte sich eine Rassel. Sie bestand aus großen Muscheln, die mit kleinen Steinen gefüllt waren. Wie aus dem Nichts umhüllte Meeresrauschen mich. Er verstand sein Handwerk.
Im Nu war ich tief in mein Innerstes versunken und der Hüttenrealität entrückt. Eine faszinierende, seltsame Welt tauchte vor meinem inneren Auge auf …
Darin ging erneut diese schwarzhaarige junge Hexe, welche ich schon in einer früheren Trance gesehen hatte, mit einem Jungen an einem Fluss entlang. Ich wusste das ich träumte und war doch inmitten des Geschehens. Der Zustand war eigenwillig, somnambul und befreiend zugleich. Dieses Mädchen trug eine Tätowierung auf der Schulter und merkwürdigen Schmuck im Ohr. Seltsame Fahrzeuge, die aus der Zukunft stammen mussten, fuhren durch eine wiederum alte Stadt. Das Bild wurde überblendet. Nun saßen die beiden bärtigen Zwillinge, die ich im Dorf getroffen hatte, an einem Lagerfeuer und tranken mit der jungen Hexe, ihrer Freundin und … mit mir? Ja, ich sah alles durch die Augen dieses Jungen. Das konnte doch nicht ich sein!? Die Handlung wirkte so lebendig echt. Die junge Hexe ähnelte zudem einer Person, welche ich irgendwoher kannte. Ihre Konturen waren so scharf und genau wie noch nie zuvor. Plötzlich saß auch Ravenhort dort. War diese hübsche Hexe vielleicht sogar die Allervollkommenste, die ich suchte? Sie drohte im Nebel meiner Eingebung zu verschwinden. Meine Liebste, meine Teuerste bleib! Doch sie ging traurig weiter, entfernte sich immer weiter und ließ sich nicht aufhalten. Zwei wilde Wölfe tauchten die Zähne fletschend auf und suchten nach ihr. Es waren Lykaner. Auch der Ort war mir bekannt. Es war der Wald hier. Ich starrte ihnen verblüfft nach.
Unvermittelt stach mir nun ein Messer voller stählernem Schmerz in mein Herz. Das hübsche kleine Mädchen aus dem Dorf hatte es in der Hand und weinte. Vor Schreck darüber entglitt die Transzendenz