Mein Chef und andere Hürden. Monika Starzengruber

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Mein Chef und andere Hürden - Monika Starzengruber

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um mich bei meinen Kolleginnen in der Obstabteilung durchsetzen zu können. War nur zu bestrebt, mir durch Fleiß und Können ihren Respekt zu verschaffen. Doch nachdem Dorner mich wegen der faulen Melone vor allen abgekanzelt hatte, rückte ich kilometerweit wieder davon ab. Gerade als ein Schimmerchen Erfolg am Horizont sichtbar geworden war, musste er seine nicht zu unterschätzende Macht demonstrieren und mir in Sekundenschnelle die von mir hart erarbeitete Anerkennung meiner Kolleginnen vernichten. Mit ein paar läppischen Worten eliminierte er Wochen der Anstrengung, die sich mit Lichtgeschwindigkeit in ihren Gehörgängen festfraßen und hochkarätige Schadenfreude auslösten.

      Deshalb und nur deshalb hing er wie Blei an meinen Füßen, der vortägige Frust; ausgelöst durch Dorner, die faule Melone und den verräterischen Mücken.

      Mein geschundenes Ego galt es aufzupäppeln. Was zöge meinen angeschlagenen Selbstwert besser aus Dorners Trampelzone, als ein Erfolgserlebnis, inmitten dieser steifen Arbeitsrivalen? Ohne lange zu fackeln rief ich „Damenwahl“ aus, schnappte mir Fleischhacker und legte mit ihm einen nicht mehr ganz so kontrollierten Boogie aufs Parkett. Kleiner Versuch meinerseits, den verkrampften Haufen von Bereichsleiterkonkurrenten aufzulockern. (Kennzahlen lügen nicht.) Zum Gaudium der einen und zum Staunen der anderen. Zur Kategorie der Erstaunten zählte auch Dorner, der mich, wie die meisten der Anwesenden, von meiner vergnüglichen Seite noch nicht kannte. Fast ununterbrochen lugte er nach mir, während der Rhythmus des Boogies mich in immer ausgelassenere Tanzgebärden verfrachtete. Von seinem „Interesse“ animiert, offerierte ich mich keuchend: „Nächster Boogie gefällig?“ Worauf er pikiert auf die andere Seite sah und tat, als höre und sehe er nichts. Meine temporeichen Bewegungen forderten ihren Tribut und ich rettete mich atemlos aber happy auf einem Stuhl, der gut ein paar Pinselstriche Leim vertragen hätte. Besser ein Streichholz, korrigierte ich, weil die Lehne aus der Verankerung riss als ich ihr meinen Rücken anvertraute und ich damit beinahe umgefallen wäre. Und während mein Gleichgewicht noch mit meiner Sitzgelegenheit kämpfte, überkam mich blitzartig ein nicht zu übersehendes Detail, das ich unbedingt an den Mann, besser, an die Frau bringen musste. Und es sprudelte aus mir heraus: „Ist euch Weiber aufgefallen, dass Fleischhacker der einzige Mann in unserer Truppe ist?“ Diese höchst denkwürdigen Worte garnierte ich stolz mit einen Schluck Wein. Besser mit drei oder vier. Alle waren so steif hier. Nur zögernd gönnerhaft gestand ich zu, dass die grauen Zellen meiner Kolleginnen meinen nicht hinterher hinkten, als sie lautstark vermeldeten: „Und Dorner?“

      Demonstrativ schüttelte ich den Kopf, wobei vor meinen Augen eine „Karussellfahrt“ begann. „Der zählt nicht. Der ist ein Organ. Ein Überwachungsorgan.“

      Am Tisch fingen sie zu kichern an, nur Veronika zischte: „Psst, nicht so laut, wenn er das hört.“

      Gnädig nickte ich. Um dann mit verschwörerischer Miene, und vorgehaltener Hand zu flüstern: „Unser Leithund, sozusagen.“

      Und als mir zur fortgeschrittenen Stunde danach war, einen unüberhörbaren Toast auf unseren Leithund auszurufen, wurden die ersten Stimmen nach einem Taxi vernehmbar. Für mich. Drin sitzend, auf dem Weg nach Hause, fiel mir ein altes Wienerlied ein. Promillebeladen im Fond lehnend ließ sich gut trällern: „Sag beim Abschied leise servus, nicht Lebwohl und nicht ade, diese Worte tun nur weh ...“

      Immer wenn ich dem Bedürfnis nachkommen wollte zu schlafen, läutete verlässlich das Telefon. Na gut ..., fast immer. Zwischen Traum und Wirklichkeit schwebend gelang es mir, das in der Matratzenritze steckende Ding in die Finger zu bekommen, um dann schließlich noch ziemlich weggetreten zu hauchen: „Stören verboten.“

      „Verena, bist du das?“

      Unverkennbar Claudia, meine einzige Lieblingsschwester. Irrtum ausgeschlossen. Ich versuchte, die Augen zu öffnen, doch mehr als ein Blinzeln wurde nicht daraus.

      „Verena, sag doch was.“

      „Hmm.“

      „Verena, bist du dran?“

      „Was willst du mitten in der Nacht“, stöhnte ich.

      „Verena, hältst du den Hörer etwa wieder verkehrt rum?“

      Immer dieses feldwebelhafte Verena! Ich konnte es nicht mehr hören! Jedermann nannte mich Rena, aber bei meiner Schwester musste es unbedingt Verena sein. Und bei jeder Gelegenheit ihr lehrreicher Spruch: „Schließlich steht Verena Starz in deinem Taufschein.“ Hätte ich sonst glatt vergessen.

      Was sagte sie? Umständlich katapultierte ich den Hörer vor meine Augen. Tatsächlich - verkehrt - und drehte ihn um, sodass ich nun in die Sprechmuschel raunte: „Hoffe für dich, dass in deinem Haus der Blitz eingeschlagen hat oder so ähnlich.“ Anderen Falles würde ich sie für diese brutale Störung ebenso brutal ermorden.

      „Verena, Schätzchen, diesmal kommst du mir mit keiner deiner Ausreden. Abends um sieben bist du da - okay? Es gibt Hühnchen mit viel Gemüse.“

      Bei dem Wort Hühnchen, eine meiner Lieblingsspeisen, regte sich ... nichts in mir. Wunderte mich nicht. Im Moment hätte mich höchstens Kaffee beflügelt. Ich blinzelte abermals. Meine drückenden Lider besiegten schließlich meinen Willen und klappten endgültig zu. Wieder auf dem Turn ins Traumland lallte ich mit bleierner Zunge: „Bin eine Berufstätige Frau, falls dir das entgangen ist.“

      „Heute nicht, falls dir das entgangen ist. Oder willst du neuerdings auch Sonntagmittag arbeiten.“

      Ruckartig riss ich die Augen auf und schnellte in die Höhe. Sonntag? Du lieber Himmel, wo war der Samstag geblieben? Augenblicklich fiel mir alles wieder ein. Ich stöhnte. Dorner das Überwachungsorgan nebst Firmen-Weihnachtsfeier belegten unbarmherzig meine benebelten Sinne. Oh Gott, war das blöd gelaufen. Sehr blöd gelaufen. Zumindest wussten nun alle in der Firma, dass Rena Starz Spaß verstand. Hoffentlich Dorner auch! Der aufkommende düstere Gedanke auf Montag ließ sich nur mehr mit Gewalt verdrängen. Im selben Atemzug schoss es mir ein: „Ist das wieder einer deiner Kuppelversuche?“

      „Papperlapapp! Du sollst etwas Anständiges in deinen Magen bekommen, weiter nichts.“

      Stöhnend ließ ich mich rücklings auf die Matratze fallen und wälzte mich in eine angenehme Liegestellung, wobei mir das Telefon aus der Hand glitt. Dass es zu Boden fiel, bekam ich noch mit, war mir aber so was von Soße. Meine Lider wurden schwer und schwerer. Wohlig trug mich das Gefühl der einlullenden Entspannung fort … Als mich in diesem Nichtsdenken die Erinnerung plötzlich einholte, war es, als stünde ich unter Strom. Blitzartig durchfuhr es mich: Allmächtiger! Ob sie noch dran war? Ich stöhnte. Mich meinem Schicksal ergebend, streckte ich mich nach dem Plastikding, ergriff es ächzend, hielt es an mein Ohr und horchte hinein. Tut, tut, tut, tut. Aufgelegt. Auch gut. So war die ewige Debatte mir einen Mann suchen zu wollen, um mich mit ihm zu verheiraten, damit ich versorgt wäre, eben zu Ende, bevor sie begonnen hatte. Ein Los, das wohl auf jeden Single zukam, irgendwann. Mit einer Schwester an den Fersen, (ein paar Jährchen an Erfahrungen reicher, glücklich verheiratet - mit Kind) die die unumstößliche Meinung vertrat, die wahre Erfüllung fände man nur mit einem Mann auf diesem Planeten. Ein Urgesetz, das auch an mir nicht vorbei ginge, früher oder später, erklärte sie. Dabei probierte ich dieses Urgesetz vor Jahren schon mal aus und es war verdammt schief gelaufen. Falls es wirklich so etwas wie ein Urgesetz in dieser Richtung gäbe, war ich ein gebranntes Kind, mit Scheidung im Anhang und der weisen Einsicht, in Zukunft meine Finger davon zu lassen.

      Lieber konzentrierte ich mich auf meine angehende Karriere. Wenn man bei zukünftigem Bereichsleiter für Obst und Gemüse im Lebensmittel-Supermarkt von angehender Karriere überhaupt reden durfte.

      Den Hörer des Festnetztelefons auf die Gabel zurückgeworfen, drehte ich mich in eine gemütliche Lage

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