Mein Chef und andere Hürden. Monika Starzengruber
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Mein Chef und andere Hürden - Monika Starzengruber страница 3
„Wieso weißt du, dass ich dich einladen will, kannst du hellsehen? Und warum schreist du so?“
Eine Schrecksekunde brauchte ich schon, um meiner Verwirrung Herr zu werden und hervor zu stottern: „Mutter, du?“
„Ich wollte dich zum Mittagessen einladen, Liebes. Ja, ich weiß, es ist gleich ein Uhr und kurzfristig. Aber mir fallen heute zwei Gäste aus. Es wäre schade um das gute Essen. Lammbraten isst du doch so gern.“
„Mutter, ich kann heute nicht den Lückenbüßer spielen.“ Meine Lider ... blinzelten.
„Was heißt Lückenbüßer ... es kommen nette Leute, auch Willibald, erinnerst du dich an ihn?“
Lieber nicht. Aber nachdem sie von ihm gesprochen hatte, war es nur mehr ein Wunschdenken. Der gute Will - mein Sandkastengefährte aus Kindergartentagen und Völkerball Spielpartner in Teenie-Zeiten, mit abstehenden Ohren und Lispelzunge. Das Szenario ihn mir als erwachsenen Mann vorzustellen, ersparte ich mir. Wo in aller Welt hatte sie den aufgegabelt?
„Sag Will, ich wäre wild darauf, ihn zu treffen, nur bin ich leider nicht ganz momentan.“
„Nicht momentan? Was soll das heißen?“
Ja, was eigentlich. So genau wusste das keiner, wahrscheinlich nicht einmal Will selbst, der dieses Vokabular seinerzeit als Kind irgendwo aufgeschnappt und es dann ständig benutzt hatte. Bei jeder Gelegenheit, fast in jedem Satz. Was ihm den Spitznamen Momento-Will einbrachte. „Sag ihm das. Er kennt sich schon aus.“
„Soll das heißen, du kommst nicht?“
„Mir geht es heute nicht gut, Mutter.“
„Du kränkelst? Warst du beim Doktor?“
„Eine Mütze Schlaf tut es auch.“
„Wie immer treibst du Schindluder mit deiner Gesundheit, Rena. Geh zum Arzt, sonst tut es dir noch leid.“
Typisch Mutter. Die Sorge in Person zu mimen, ohne zu fragen, woran ich „erkrankt“ sei.
Im Hintergrund rief jemand: „Gerdi, wir warten auf dich!“
„Ich muss auflegen. Willst du bestimmt keinen Lammbraten?“
„N e i n.“
„Wie du magst.“
Aufgelegt. Entgeistert starrte ich auf den tutenden Hörer. Mein Zynismus ließ mich sagen: „Danke für die lieben Genesungswünsche“, und legte ebenfalls auf. Solchen Situationen ausgeliefert, steuerten meinen Gedanken automatisch hilfesuchend zu meinem Leitfaden fürs angenehme Dasein im Jetzt. Dem Buch mit dem Titel: Wünsche beim Universum bestellen. Darin stand, wie man Wünsche formulieren musste, um sie vom Universum auch richtig erfüllt zu bekommen. Stets positiv, nie negativ in der Aussage ausgedrückt. Und ich bestellte: „Universum, ich bestehe auf eine erholsame, schlafreiche Stunde.“ Mit Sicherheit würde nun Ruhe sein. Als esoterischer Anhänger überzeugte mich diese Methode voll und ganz, da sie bisher stets funktioniert hatte. Spätestens bei der Parkplatzsuche lieferte ich mich nach zwei Runden vergeblicher Suche diesem Ritual jedes Mal hingebungsvoll aus. Und es endete stets mit einem Spitzenparklatz. Unglaublich, aber wahr. Okay, manchmal mit vier Suchrunden zusätzlich.
Zufrieden rekelte ich mich in mein Kissen und stellte mich darauf ein, wieder in das Land der Träume zu segeln. Leider nicht, auf halbem Weg wieder umzukehren, weil irgendwo irgendwas immens schrillte. Schlaftrunken hob ich meinen Kopf, um mich zu orientieren, um herauszufinden, welcher Krach wo um mich wäre. Sekundenlang fehlte mir erst mal der Plan. Als sich mein benebeltes Denken stufenweise lichtete, ortete sich der Krach als „rufendes“ Telefon. Fauchend stülpte ich das Kissen über mein Gesicht, wobei mich die naive Hoffnung erfüllte, den nervigen Tönen so zu entkommen. Mit dem Resultat, dass kurz darauf jede einzelne meiner Nervenzellen K.O. gehend meinen Willen lähmten. Mit jeglichen Verwünschungen, die mir schlaftrunken in den Sinn kamen, grapschte ich nach dem misstönigen Ding.
„Verena, Schätzchen, bist du dran?“
Ich atmete durch.
„Verena, du kommst doch heute Abend?“
„Jaaa.“
Hörbares Rauschen und Knacksen. „Bist du verstimmt?“
Ich nickte. „Nööö.“
Kurze Stille. „Dann bis abends, okay?“
„Mhhh.“
Mich noch abmühend den Hörer zu bugsieren, wohin er gehörte, fiel mein Blick auf die Uhr und traute meinen Augen nicht. Waren wirklich erst zehn Minuten vergangen? Mit einem Schlag war ich hellwach. Wo war das zuverlässige Universum geblieben, das meine Wünsche erfüllte? Nach so einem Flop gab es nur eines für mich - mir den gesagten Wunsch ins Gedächtnis zu rufen. Wie war das? „Universum, ich bestehe auf eine erholsame, schlafreiche Stunde.“ Alles klar. Mein Fehler. Zu ungenau definiert. Es brauchte einen nochmaligen Start. „Universum, ich bestehe auf der Stelle, auf eine erholsame, schlafreiche Stunde.“ So ausgedrückt musste es funktionieren. Anderenfalls - nein, es gab kein anderenfalls. Zweifel verhinderten, dass das Universum zu einem durchkam. Positives Denken war unerlässlich. Gääähn. Na dann, gute Nacht.
Ein fünftüriger Schrank, vollgestopft mit Kleidern, war einem keine Hilfe. Nach meinem geruhsamen Nachmittag im Bett, übrigens, dafür vielen Dank, Universum, stand ich bereits eine Weile vor geöffneten Kastentüren und wurde nicht mit mir einig. Meine Entschlusskraft riss mich hin und her. Was ziehe ich an? Dabei war es nicht der Opernball, die Romy-Verleihung oder eine Gala, die auf mich warteten, sondern nur meine Schwester. Auf dem Bett türmten sich Blusen, Röcke und Hosen, die ich im Spiegelbild vor meinem Körper gehalten und danach beiseite geworfen hatte. Als es an der Wohnungstüre klingelte, kam das einer Erlösung gleich. Erstens war mir klar, wer klingelte, schon an der Art des Klingelns. Zweitens verstand sich für mich von selbst, dass endlich Hilfe für meine Outfitzweifel antanzte. Meistens zweifelten wir dann ja zu zweien ...
„Jaaa, ich komme!“
Elegant schwungvoll riss ich die Tür auf. Hielt das rote Etwas modellhaft vor meine Brust und sah der blondierten, mähnenartig hoch toupierten, beneidenswert jungen Simba, mit einem erwartungsvollen ‚geht das?‘, entgegen. Die fixierte sekundenlang die Bluse in meiner Hand, dann mich, rümpfte die Nase und schüttelte schließlich den Kopf. Hätte sie nicht zu tun brauchen. Verstand sich von selbst, dass dieser rote Fetzen längst in den gelben Sack gehörte. Ich wandte mich ab und eilte in mein Schlafgemach zurück, wo ein weiteres Textil samt Kleiderbügel auf dem Bett landete und ich rücklings oben drauf. Genervt krallten sich meine Finger in die verschiedenen Stoffe unter mir, während meine Stimme verschnupft plärrte: „Hab nichts anzuziehen.“
Simba