Vom Kap zum Kilimandscharo. Ludwig Witzani

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Vom Kap zum Kilimandscharo - Ludwig Witzani

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immensen Bodenschätze vermarkteten, die Südafrika noch immer zum wirtschaftlich stärksten Land Afrikas machten.

      Erst auf den zweiten Blick wurde eine Doppelbödigkeit sichtbar, die mir auf meiner Reise durch Südafrika noch oft begegnen sollte. In einem Hauseingang lag ein schwarzafrikanischer Obdachloser, betrunken oder vom Rauschgift benebelt. Bettler saßen vor den Eingängen der Kaufhäuser, und in den Seitenstraßen türmten sich die ersten Müllhaufen - wohlgemerkt, alles nicht so aufdringlich und bildfüllend wie in Daressalam oder Lusaka, aber unverkennbar gegenwärtig als Indiz dafür, dass auch diese Stadt der Ersten Welt von den Armeen der Armut bedroht wurde. Noch fuhren die Weißen in stattlichen Limousinen durch die Stadt, während ihnen die schwarzen Dienstleister die Parkplätze freihielten, aber die Zahl der bettelnden Kinder, die wie ausgemergelte kleine Trolle vorbeihuschten, nahm zu. So schnell konnte die Polizei sie gar nicht wegschaffen, dass die Touristen ihre Auftritte nicht bemerken würden.

      Beim Abendessen im Hotelrestaurant hoch über der Stadt saßen zwei Touristen aus England am Nebentisch, beide waren leger gekleidet, einer trug eine Kappe auf dem Kopf. Ein Kellner trat an den Gast heran und bat ihn, die Kappe abzunehmen, was den Gast offenbar erstaunte, ehe er nach kurzem Zögern dem Wunsch nachkam. Die Pointe dieser Szene bestand darin, dass der Restaurantangestellte, der den Gast aufgefordert hatte, seine Kappe abzunehmen, ein Schwarzer war und der Gast weiß. Ich blickte mich um und sah, dass alle Kellner schwarz waren und die Gäste weiß. Nur eine indische Familie, Mutter Vater, zwei Töchter, saßen an einem Fenstertisch, alle akkurat gekleidet und ersichtlich darauf bedacht, die Formen zu wahren.

      Eine Metapher von Peter L. Berger fiel mir ein, der in der globalisierten Welt zwei Kategorien von Menschen unterschied: die „Wahlschweden“ und die „Wahlperser“. Die „Wahlschweden“ lebten in der belle Etage, ihr Alltag und ihre Fortbewegung vollzogen sich einfach und unkompliziert, weil in der Parterre die „Wahlperser“ die Dienstleistungen und Kärrnerarbeiten ausführten

      In der Nacht fielen Schüsse. Dann hörte ich Geschrei auf den Straßen, schließlich die Sirene eines Polizeiwagens. Am Morgen wurde berichtet, dass sich vor dem Hotel ein Überfall ereignet hatte. Ein japanisches Paar war von einem Jugendlichen mit einer Pistole bedroht worden. Als die Angegriffenen fliehen wollten, hatte der Räuber geschossen, sein Ziel aber verfehlt. Dann war er verschwunden, die Polizei fahndete nach ihm.

      „Ist das normal hier in der Innenstadt?“ fragte ich den Rezeptionisten. Sein Name war William, er war ein junger Schwarzafrikaner, der seinen Dienst mit großer Zuverlässigkeit versah und den Touristen Taxifahrer für Stadtrundfahrten vermittelte. Williams Hemd war faltenlos gebügelt, die Krawatte saß wie angeschweißt, seine langen, schlanken Hände waren gepflegt. „Manchmal geschieht so etwas nach Anbruch der Dunkelheit“, antwortete er mit einer sonoren Stimme. „Meistens handelt es sich um Drogensüchtige, die Geld für ihre tägliche Ration benötigen“, fügte er hinzu. „Tik?“ fragte ich. „Ja, Tik und alles Mögliche“, antwortete er. „Aber die Polizei hat die Lage im Griff.“

      Da hatte ich meine Zweifel, denn bekanntermaßen war die Polizei chronisch unterbezahlt und für Mauscheleien und Schiebungen anfällig, Kaum ein Tag verging, in dem nicht ein entsprechender Fall im Fernsehen oder in den Tageszeitungen veröffentlicht wurde. Was sollten sich die Polizisten denn auch an Recht und Gesetz halten, wenn selbst der Präsident korrupt war? Als ich den Wagen aus der Tiefgarage fuhr, wartete ich an einer Kreuzung. Die Ampelanlage war ausgefallen, ein Polizist versuchte, den Verkehr zu regeln, doch niemand achtete auf seine Signale.

      ***

      „Das Wetter ist das Einzige, was sich in den letzten Jahren nicht verschlechtert hat“, hieß es in Kapstadt. Wenigstens das schien zu stimmen. Ein strahlender Himmel wölbte sich über der Stadt, keinerlei Schwüle war zu spüren, denn die Wärme des Indischen Ozeans wurde durch die kühlen Winde des kalten atlantischen Benguela-Stroms gemildert. Gemeinsam erzeugten sie eine Atmosphäre der Mediterranität, für die Kapstadt berühmt war. Auch von den Smogproblemen, unter denen andere afrikanische Großstädte litten, blieb Kapstadt verschont, denn der "Cape-Doctor", wie die Einheimischen den Wind von Kapstadt nannten, zog wie eine immerwährende Frischluftzufuhr durch die Stadt. Allerdings erzeugte der Cap Doktor zugleich eine nahezu notorische Wolke über dem Wahrzeichen Kapstadts, dem Tafelberg. „Tischtuch des Teufels“ nannten die Capetonians die schwarzdunkle Wolkenfront, die tatsächlich wie eine zu lang geratene Tischdecke über die Ränder des Tafelberges schwappte und fast bis an die Dächer der Wohnviertel reichte.

      Aber nicht heute. Der Berg war frei, keine Wolke nirgends. Ich fuhr zur Talstation der großen Tafelberg-Seilbahn, reihte mich in eine lange Menschenschlange ein, die sich aber schnell auflöste, weil die Gondeln riesig waren. Die Kabinen der Tafelberg-Seilbahn waren komplett verglast und drehten sich langsam um ihre eigene Achse, eine Vorsichtsmaßnahme, die verhindern sollte, dass Schieflagen während der Fahrt entstanden, wenn alle Insassen immer zu den besten Aussichtspunkten strebten.

      Der Rundblick von den Höhen des Tafelberges auf das Südende des afrikanischen Kontinents gehört zu den großen Panoramen der Erde. Wie der Fantasie von Renaissancemalern entsprungen, erhoben sich die Berge an den Rändern des Bildes und rückten an die Stadt heran. Es sah so aus, als griffe die afrikanische Topografie aus dem Norden nach Afrikas südlicher Stadt. Dann ein ganz anderer Anblick in südlicher Richtung. Von Wolken wie von Lametta umgeben, verloren sich die Ausläufer der Kap Halbinsel im Dunst, während sich tief unter mir die große Stadt wie ein weichgezeichnetes Fresko aus Straßen, Plätzen und Fassaden präsentierte. Und doch war es der Ozean, der mit seiner Unendlichkeit die Szenerie beherrschte. Seine undimensionierte Weite besaß eine fast bestürzende Präsenz, gerade so, als sei es möglich, mit bloßen Händen den Horizont zu berühren.

      Aber was war mit der Stadt zu meinen Füßen? Eine besondere Kontur konnte ich nicht erkennen, außer dem Signal Hill, der die Waterfront und das Hafenbecken von den Wohnvierteln am Atlantik trennte. Sonst erstreckte sich die Stadt in ganz leichter Schräge vom Tafelberg dem Meer entgegen, wurde immer flacher, je mehr der Blick in die Peripherie schweifte.

      Die ersten Europäer, die von der Spitze des 1085 Meter hohen Tafelbergs auf das südliche Afrika herabgeblickt hatten, waren die Portugiesen gewesen. Fast ein ganzes Jahrhundert lang hatten sie die Küsten Afrikas erkundet, um einen Seeweg nach Indien zu finden, immer weiter hatte sie der Drang nach Süden geführt, vorüber an Wüsten, Riffen und Urwäldern, bis der Portugiese Bartholomeo Diaz im Jahre 1487 das Kap erreichte. Hier war er in einen lebensgefährlichen Sturm geraten, den er nur mit Glück überstanden hatte, weswegen er dem Kap den Namen „Kap der Stürme“ gab. Bekanntlich hatte König Manuel I von Portugal diesen Namen später in „Kap der Guten Hoffnung“ geändert, seine Seefahrer aber trotzdem angewiesen, ihre Versorgungstationen etwas weiter östlich, in der Mossel Bay, einzurichten. Erst im Jahre 1503 - der unglückliche Bartholomeo Diaz war auf einer zweiten Kap-Reise bereits mit Mann und Maus ertrunken – hatte eine portugiesische Expedition den Tafelberg etwas genauer erkundet. Außer Heidekraut und Klippschiefern fanden sie nichts und rückten wieder ab.

      So gingen weitere anderthalb Jahrhunderte ins Land, ehe sich die Holländische Ostindiengesellschaft dazu entschloss, in der Tafelbucht einen Stützpunkt einzurichten. Längst hatte das portugiesische Kolonialreich den Zenit seiner Macht überschritten. Holländische Handelsschiffe beherrschten den Welthandel auf der langen Route zwischen Amsterdam und den Gewürzinseln östlich von Java. Gesagt, getan, mit drei Schiffen und neunzig Mann Besatzung landete der niederländische Expeditionsleiter Jan van Riebeeck am 6. April 1652 in der Bucht von Kapstadt. Allerdings traf er dort auf kein leeres Land. Schon seit vielen Jahrtausenden war der Süden Afrikas von dem kleinwüchsigen Volk der Khoisan bewohnt, die, aufgeteilt in zahllose Stämme, als Nomaden und Viehzüchter zwischen Sambesi und Kap lebten. Jan van Riebeeck hatte übrigens ausdrücklich nicht den Auftrag erhalten, eine Kolonie zu gründen. Seine Mission sollte sich auf die Sicherstellung der Versorgung holländischer Schiffe beschränken. Da kamen die Khoisan als Handelspartner und Fleischlieferanten ganz recht.

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