Die Brüder Karamasow. Fjodor Dostojewski

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Die Brüder Karamasow - Fjodor Dostojewski

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nur ein einziges Mal! So schnell, so schnell kam er manchmal zu mir gelaufen und schrie und lachte! Wenn ich doch nur seine Füßchen hören könnte, ich würde sie gleich erkennen! Aber er lebt nicht mehr, Väterchen, ich werde ihn nie wieder hören. Hier, das ist ein Gürtelchen, aber er selbst ist nicht mehr, ich werde ihn nie wieder sehen und hören!«

      Sie zog aus ihrem Busen ein kleines gesticktes Gürtelchen, doch kaum hatte sie einen Blick darauf geworfen, begann sie krampfhaft zu schluchzen, sie bedeckte die Augen mit den Fingern und konnte die Tränen nicht halten.

      »Das ist das alte Wort«, sagte der Starez, »Rahel beweint ihre Kinder und will sich nicht trösten lassen; denn es ist aus mit ihnen. Das ist nun einmal das Los, das euch Müttern auferlegt ist. Laß dich nicht trösten, du brauchst dich nicht trösten zu lassen. Laß dich nicht trösten und weine, nur erinnere dich jedesmal, wenn du weinst, daß dein Söhnchen einer der Engel Gottes ist und von dort auf dich herabschaut, dich sieht, sich deiner Tränen freut und sie Gott dem Herrn zeigt. Noch lange wird dir dieses große mütterliche Weinen beschieden sein; zuletzt aber wird es sich in eine stille Freude verwandeln, und deine bitteren Tränen werden nur noch Tränen stiller Rührung und der Läuterung des Herzens sein, die dich vor Sünden bewahrt. Deines Sohnes aber werde ich in meinem Gebet gedenken, ich will für die Ruhe seiner Seele beten. Wie hieß er denn?«

      »Alexej, Väterchen.«

      »Ein lieber Name. Nach Alexej, dem Gottesmann?«

      »Ja, Väterchen, nach Alexej, dem Gottesmann.«

      »Das ist ein großer Heiliger! Ich werde deines Sohnes in meinem Gebet gedenken, Mutter, und deiner Trauer werde ich gedenke, und deines Mannes, daß er gesund bleiben möge. Aber daß du ihn verläßt, ist eine Sünde. Geh zu deinem Mann und behüte ihn! Sonst wird dein Sohn von dort sehen, daß du seinen Vater verlassen hast, und er wird über euch weinen. Warum willst du seine Seligkeit stören? Er lebt ja, er lebt; denn die Seele lebt ewig. Wenn er auch leiblich nicht mehr im Hause weilt, ist er doch unsichtbar um euch. Aber wie wird er ins Haus kommen, wenn du sprichst, dir sei dein Haus verhaßt geworden? Zu wem wird er kommen, wenn er den Vater und die Mutter nicht zusammen findet? Sieh, jetzt träumst du von ihm und quälst dich im Traum; dann aber wird er dir sanfte Träume senden. Geh zurück zu deinem Mann, Mutter! Gleich heute geh zu ihm!«

      »Ich werde zu ihm gehen, du mein Bester, auf dein Wort hin werde ich zu ihm gehen. Du hast mein Herz ergründet. Nikituschka, du mein Nikituschka, du wartest ja auf mich, du wartest auf mich!« redete die Frau vor sich hin; doch der Starez hatte sich schon zu einer alten Frau gewandt, die nicht wie eine Pilgerin, sondern eher städtisch gekleidet war. Man sah es ihr an den Augen an, daß sie ein Anliegen hatte und gekommen war, um eine Mitteilung zu machen. Sie war, wie sie angab, die Witwe eines Unteroffiziers aus unserer Stadt. Ihr Sohn Wassenka habe in einem Militärbüro gedient und sei nach Sibirien gekommen, nach Irkutsk. Zweimal habe er geschrieben, aber seit einem Jahr nicht mehr. Sie habe sich nach ihm erkundigen wollen, wisse aber in Wirklichkeit nicht, wie sie das anstellen solle.

      »Da sagte mir neulich Stepanida Iljinitschna Bedrjagina, eine sehr reiche Kaufmannsfrau: ›Weißt du was, Prochorowna, schreibe den Namen deines Sohnes auf einen Zettel für das Verzeichnis der Verstorbenen‹, sagte sie, ›bring den Zettel in die Kirche und laß eine Messe für die Ruhe seiner Seele lesen. Dann‹, sagte sie, ›wird er sich in seiner Seele beunruhigt fühlen und dir einen Brief schreiben. Das ist ein zuverlässiges, ein vielfach erprobtes Mittel‹, sagte Stepanida Iljinitschna. Ich habe aber doch meine Zweifel ... Du unser Licht, ist das wahr oder nicht? Und ist es recht, so was zu tun?«

      »Wirf den Gedanken von dir! Du solltest dich schämen, danach überhaupt zu fragen. Wie ist es denn möglich, daß man für einen Lebenden eine Seelenmesse lesen läßt, und noch dazu als leibliche Mutter! Das ist eine ähnlich große Sünde wie Zauberei; nur wegen deiner Unwissenheit kann sie dir verziehen werden. Bete lieber zur Himmelskönigin, der willigen Beschützerin und Helferin, für seine Gesundheit und daß sie dir deinen unrechten Gedanken verzeihen möge. Und dann noch eines, Prochorowna: Entweder kommt dein Sohn bald selbst zurück, oder er schickt einen Brief. Das wisse! Geh und verhalte dich von nun an ruhig! Dein Sohn ist am Leben, sage ich dir.«

      »Du unser Lieber, Gott belohne dich, du unser Wohltäter, der du für uns und unsere Sünden betest!«

      Der Starez hatte in der Menge bereits die glühenden Augen einer abgezehrten, offenbar schwindsüchtigen jungen Bäuerin bemerkt. Schweigend sah sie ihn an, ihre Augen baten um etwas, aber sie schien sich zu fürchten, näher zu kommen.

      »Was führt dich her, meine Liebe?«

      »Erlöse meine Seele, Vater!« sagte sie leise und langsam, fiel auf die Knie und beugte sich bis zu seinen Füßen. »Ich habe gesündigt, Vater. Ich fürchte mich wegen der Sünde.«

      Der Starez setzte sich auf die unterste Stufe, und die Frau näherte sich ihm, ohne sich von den Knien zu erheben.

      »Ich bin das dritte Jahr Witwe«, begann sie fast flüsternd und schien dabei am ganzen Körper zu zittern. »Ich hatte es schwer in der Ehe, er war alt und schlug mich. Dann lag er krank, ich sah ihn an und dachte: Wenn er nun wieder gesund wird und aufsteht, was dann? Und da kam mir dieser Gedanke ...«

      »Warte!« sagte der Starez und brachte sein Ohr ganz dicht an ihre Lippen. Die Frau sprach flüsternd weiter, so daß die anderen kaum ein Wort auffangen konnten. Sie war bald fertig.

      »Das dritte Jahr?« fragte der Starez.

      »Ja, das dritte. In der ersten Zeit dachte ich nicht daran; doch dann wurde ich krank und kränker und verlor meine Ruhe.«

      »Kommst du von weit her?«

      »Fünfhundert Werst.«

      »Hast du es in der Beichte gesagt?«

      »Ja, ich habe es gesagt. Zweimal habe ich es gesagt.«

      »Hat man dich zum Abendmahl zugelassen?«

      »Ja, man hat mich zugelassen. Aber ich habe Angst. Ich fürchte mich vor dem Tod.«

      »Fürchte dich vor nichts und fürchte dich niemals, beunruhige dich nicht! Wenn die Reue in deinem Herzen nicht schwächer wird, so wird Gott dir verzeihen. Auf der ganzen Erde ist keine Sünde, die Gott einem, der aufrichtig bereut, nicht vergibt. Der Mensch kann auch gar keine so große Sünde begehen, daß die unendliche Liebe Gottes durch sie erschöpft würde. Oder kann es eine so große Sünde geben, daß sie über Gottes Liebe hinausgeht? Sorge nur, daß du bereust, ohne Unterlaß. Und vertreibe die Furcht! Glaube, daß Gott dich unausdenkbar liebt, trotz deiner Sünde und in deiner Sünde. Steht doch schon in der Schrift, daß über einen Sünder, der Buße tut, im Himmel mehr Freude ist als über zehn Gerechte. Gehe hin und fürchte dich nicht mehr! Sei nicht erbittert wider die Menschen und zürne nicht wegen erlittener Kränkung! Vergib von ganzem Herzen dem Verstorbenen, was er dir Leides angetan hat, und versöhne dich mit ihm aufrichtig. Wenn du bereust, so liebst du auch. Liebst du aber, so gehörst du schon Gott. Durch Liebe wird alles gutgemacht, alles gerettet. Wenn ich, ein sündiger Mensch wie du, schon über dich gerührt bin und Mitleid empfinde, um wieviel mehr dann erst Gott? Die Liebe ist ein unermeßlicher Schatz, für den man die ganze Welt kaufen kann. Nicht nur seine eigenen, auch fremde Sünden kann man damit loskaufen. Gehe hin und fürchte dich nicht!«

      Er schlug über ihr dreimal das Zeichen des Kreuzes, nahm ein kleines Heiligenbild von seinem Hals und hängte es ihr um. Sie verbeugte sich schweigend vor ihm bis zur Erde. Er erhob sich und schaute heiter eine kräftige Frau an, die einen Säugling auf dem Arm trug.

      »Ich bin aus Wyschegorje, lieber

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