Die Brüder Karamasow. Fjodor Dostojewski

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Die Brüder Karamasow - Fjodor Dostojewski

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      »Und was die Gedanken betrifft, die er im stillen aussinnt, so muß man den russischen Bauern im allgemeinen mit Ruten peitschen. Das habe ich immer gesagt. Unsere Bauern sind Spitzbuben, sie verdienen nicht, daß man sie bedauert. Es ist ein Glück, daß sie auch jetzt manchmal noch verprügelt werden. Unser russisches Vaterland ist stark durch die Birke. Holzt man die Birkenwälder ab, geht Rußland zugrunde. Ich stehe auf der Seite der Klugen. Wir haben aus Klugheit aufgehört, die Bauern zu verprügeln, sie jedoch prügeln sich selbst weiter. Und sie tun gut daran. Mit dem Maß, mit dem man mißt, wird man wieder gemessen, oder so ähnlich. Kurz, es wird einem alles vergolten. Rußland ist eine Schweinerei. Wenn du wüßtest, mein Freund, wie ich Rußland hasse! Das heißt, nicht Rußland, sondern all diese Laster ... Meinetwegen auch Rußland. Tout cela, c'est de la cochonnerie1. Weißt du, was ich liebe? Den Esprit!«

      »Sie haben schon wieder ein Glas ausgetrunken. Sie sollten aufhören.«

      »Warte ein bißchen. Ich trinke noch eins und dann noch eins, und dann mache ich Schluß. Nein, halt mal, du hast mich unterbrochen. In Mokroje sprach ich einmal auf der Durchreise mit einem alten Mann, und der sagte: ›Wir verurteilen die jungen Mädchen gern zu Rutenhieben und übertragen die Exekution gern jungen Burschen. Oft nimmt so einer das Mädchen, das er heute durchgepeitscht hat, morgen zur Braut, so daß selbst die Auspeitschung für die Mädchen etwas Verlockendes hat.‹ Was sagst du zu diesem Marquise de Sade?2 Mag man darüber denken, wie man will, auf jeden Fall ist es geistreich. Wollen wir nicht hinfahren und es uns ansehen, he? Du bist rot geworden, Aljoschka? Schäm dich nicht, Söhnchen! Schade daß ich heute nicht beim Abt geblieben bin und den Mönchen nicht von den jungen Mädchen in Mokroje erzählt habe. Sei nicht böse, Aljoschka daß ich deinen Abt heute gekränkt habe. Das Böse wird mitunter zu mächtig in mir, mein Lieber. Wenn es einen Gott gibt, wenn Gott existiert, na, dann habe ich mich freilich schuldig gemacht und muß es verantworten. Wenn er jedoch überhaupt nicht existiert, wozu brauchen wir dann deine frommen Väter? Ihnen die Köpfe abzuschlagen, wäre dann doch zu wenig, denn sie hemmen die geistige Entwicklung. Glaubst du

      wohl, Iwan, daß mich das in meinen Gefühlen schmerzlich berührt? Du glaubst, was die Leute sagen: Ich sei nur ein Possenreißer. Aber du, Aljoscha, du glaubst, daß ich nicht nur ein Possenreißer bin.«

      »Ja, ich glaube, daß Sie nicht nur ein Possenreißer sind.«

      »Und ich glaube, daß du das glaubst und aufrichtig redest. Du hast einen ehrlichen Blick und redest aufrichtig. Iwan dagegen nicht. Iwan ist hochmütig. Und trotzdem würde ich deinem Klösterchen ein Ende bereiten. Man sollte diese ganze Mystik im russischen Reich mit einem Schlag beseitigen, um alle Dummköpfe endgültig zur Vernunft zu bringen. Und wieviel Gold und Silber käme dann in den Münzhof?«

      »Aber warum sollte man sie denn beseitigen?« fragte Iwan.

      »Damit die Wahrheit schneller erstrahlt, darum!«

      »Und wenn die Wahrheit erstrahlt, sind Sie der erste, der ausgeraubt und ... beseitigt wird!«

      »Pah! Doch vielleicht hast du recht. Ach, ich Esel!« rief Fjodor Pawlowitsch und schlug sich leicht vor die Stirn. »Na gut, wenn es so ist, dann mag dein Klösterchen bestehenbleiben, Aljoscha. Wir Klugen aber wollen im Warmen sitzen und uns am Kognak erfreuen. Weißt du, Iwan, daß Gott selber es so gewollt hat? Sag, Iwan, gibt es einen Gott oder nicht? Warte noch, sprich aufrichtig, sprich ernsthaft! Warum lachst du wieder?«

      »Weil Sie selbst vorhin über Smerdjakows Glauben gewitzelt haben, es existierten zwei Einsiedler, die Berge versetzen könnten!«

      »Habe ich denn mit ihm Ähnlichkeit?«

      »Große Ähnlichkeit!«

      »Na, dann bin ich also auch ein Russe mit einem russischen Charakterzug. Aber auch an dir Philosophen kann man einen derartigen Charakterzug entdecken. Wenn du willst, tue ich es. Wetten wir, daß es mir gleich morgen gelingt? Aber sage mir trotzdem, gibt es einen Gott oder gibt es keinen? Aber ernsthaft! Ich möchte ein ernsthaftes Gespräch führen.«

      »Nein, es gibt keinen Gott.«

      »Aljoscha, gibt es einen Gott?«

      »Ja, es gibt einen Gott.«

      »Und gibt es Unsterblichkeit, Iwan? Irgendeine, und sei sie noch so klein?«

      »Nein, es gibt keine Unsterblichkeit.«

      »Gar keine?«

      »Nein, gar keine.«

      »Das heißt, da ist ein völliges Nichts. Ist nicht vielleicht doch irgend etwas vorhanden? So daß da nicht ein reines Nichts ist?«

      »Nein, da ist ein reines Nichts.«

      »Gibt es Unsterblichkeit, Aljoschka?«

      »Ja.«

      »Einen Gott und Unsterblichkeit?«

      »Ja, einen Gott und Unsterblichkeit. In Gott ist auch Unsterblichkeit.«

      »Hm! Wahrscheinlicher ist, daß Iwan recht hat. Herr Gott, wenn man bedenkt, wieviel Glauben, wie viele Kräfte aller Art die Menschen umsonst auf dieses Traumbild verwendet haben, und das schon seit vielen Jahrtausenden! Wer macht sich dann über den Menschen so lustig, Iwan? Zum letztenmal und definitiv: Gibt es einen Gott oder gibt es keinen? Ich frage zum letztenmal!«

      »Und zum letztenmal sage ich nein.«

      »Wer macht sich dann über die Menschen lustig, Iwan?«

      »Wahrscheinlich der Teufel!«, erwiderte Iwan Fjodorowitsch lächelnd.

      »Also einen Teufel gibt es auch?«

      »Nein, es gibt auch keinen Teufel.«

      »Schade. Zum Teufel, was würde ich unter diesen Umständen demjenigen antun, der Gott zuerst erdacht hat! Ihn aufzuhängen wäre zuwenig.«

      »Es gäbe keine Zivilisation, hätte man Gott nicht erdacht.«

      »Keine Zivilisation ohne Gott?«

      »Nein. Auch Kognak nicht. Aber den muß man Ihnen nun doch wegnehmen.«

      »Halt, halt, mein Lieber, ein Gläschen noch! Ich habe Aljoscha gekränkt. Du bist mir doch nicht böse, Alexej? Du mein Alexejtschik, mein lieber Alexejtschik!«

      »Nein, ich bin Ihnen nicht böse. Ich kenne ihre Gedanken. Ihr Herz ist besser als Ihr Kopf.«

      »Mein Herz ist besser als mein Kopf? Herrgott, und wer sagt mir das? Iwan, hast du Aljoschka lieb?«

      »Ja, ich habe ihn lieb.«

      »Hab ihn lieb!« Fjodor Pawlowitsch war jetzt stark betrunken. »Hör mal, Aljoscha, ich habe mich heute unpassend gegenüber deinem Starez benommen. Ich war aufgeregt. Dabei hat dieser Starez doch Esprit. Was meinst du, Iwan?«

      »Schon möglich, das er welchen hat!«

      »Er hat welchen, er hat welchen, il y a du Piron la-dedans3. Er ist Jesuit, das heißt ein russischer. Da er eine anständige, vornehme Gesinnung besitzt, kocht in ihm eine geheime Entrüstung, daß er sich verstellen und die Rolle eines Heiligen spielen muß.«

      »Aber

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