Mausetot auf hoher See. Inge Hirschmann
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Читать онлайн книгу Mausetot auf hoher See - Inge Hirschmann страница 13
»Einsamer Wolf?«
»Wieso Wolf?«
»Keine Ahnung. Er hatte etwas Raubtierhaftes an sich. - Es stimmt doch, dass er tot ist?«
»Mensch, die Buschtrommeln klappern aber schnell hier!«
»Die Buschtrommeln haben kürzlich eine Anfrage erhalten, betreffend einen trink- und spendierfreudigen russischen Bären, der sich auf einmal unsichtbar gemacht hat«, erwiderte Luc mit bedauernder Miene. »Wir reden doch von dem gleichen Mann?« Soviel zu der Frage, wie lange es dauern würde, bis an Bord das Verschwinden eines Passagiers auffiel. Die »Symphony« war ein schwimmendes Dorf, dagegen sah selbst Adams Heimatort Hallerbach direkt nach Weltstadt aus.
»Keine Ahnung. Erst war's ein Wolf, dann auf einmal ein Bär?«
»Ist da was faul an seinem Tod? Oder warum bist du hier und fragst mir ein Loch in den Bauch?«
»Faul... nein, ich denk nicht. Wir können nur seine Angehörigen nicht auftreiben, und spätestens bis Hamburg muss ich jemanden finden, der ihn abholt. Drum frag ich eben mal dich: Ist der wirklich ganz allein an Bord gewesen?«
»Wieso sollte das ausgerechnet ich wissen?«
»Weil sich bei dir erfahrungsgemäß jeder irgendwann mal ausheult. Du bist hier der Barkeeper. Der Beichtvater, der keine Buße aufgibt. Darum halt.«
Scheinbar fühlte sich Luc geschmeichelt, denn er ging tatsächlich die zahlreichen Register früherer Bargäste durch, die er in seinem Gehirn angelegt haben musste, um seine von Fahrt zu Fahrt wechselnden Kunden emotional einschätzen und zufriedenstellen zu können.
»Ab und zu hat er sich schon mit anderen unterhalten. Aber nicht so intensiv, dass ich das für eine Freundschaft gehalten hätte. Eher mal ein paar Worte seitlich weg, dann wieder Poker Face nach vorne, ein paar Worte auf die andere Seite... Weißt du, wie die sind, diese Leute aus der ehemaligen Sowjetunion? Die vertrauen keinem, Mann!«
»Bloß, dass er Litauer war. Das sind keine Russen, jedenfalls heutzutage nicht mehr.« Mensch, nicht schon wieder Russen! Adam lief es kalt den Rücken hinunter. War sein Zeugenschutzprogramm aufgeflogen? War dieser seltsame Oligarch womöglich gar hinter ihm her gewesen?
Und hatte er etwa ums Haar noch einmal Glück gehabt?
Aber welche Organisation würde so marode Spione auf ihn ansetzen, die auf starke Medikamente angewiesen waren?
Die Klänge von »The Final Countdown« verfolgten ihn, als er fast fluchtartig die Bar verließ.
Kapitel 8
»Irgendwas stimmt nicht mit dem Russen«, grübelte er laut und warf seinem Onkel einen interessanten Happen hin. Der hing seit zwei Stunden in der »Aurora-Bar« herum, zu Tode gelangweilt, nachdem er bereits das sechste SuDoku der gehobenen Schwierigkeitsklasse geknackt hatte. Seniorensport der anderen Art.
»Wennst dir das neuerdings zur Gewohnheit machst, muss ich mir noch einen Krimi ausleihen oder gleich selbst anfangen, welche zu schreiben, wenn ich mit dir verabredet bin«, grummelte Max vorwurfsvoll. Dann, nachdem sein etwas ausgeleiertes Gehör endlich die Meldung ans Gehirn geliefert hatte: »Was -? Was hast grad gesagt? Welcher Russe? Und wo stimmt was nicht?«
Hasso, fass! »Ach so, ist die Nummer ›grimmiger, grantiger Griesgram‹ damit vorbei?«
»Ich helf dir gleich, du Lausbub. Aber sag endlich!«
»Ja, ich weiß auch nicht. Der Mann hat irgendwie keine... keine Umgebung, keinen Hintergrund. Gehabt, meine ich.«
»Wie - schon wieder ein Toter?«
»Nein, der erste. Der mit dem Marcumar. Ich hab versucht, herauszukriegen, ob er Kontakte an Bord hatte. Aber scheinbar ist der seit drei Monaten hier herumgeschippert, ohne groß mit irgendwem Bekanntschaft zu schließen.«
»Wieso sagst denn auf einmal ›der Russe‹? Ich denk, der ist aus Litauen?« Leise Besorgnis nunmehr auch in Max' Stimme. Die Russenmafia, hieß es, hielt eine Menge von Sippenhaftung.
»Als der Bursche groß geworden ist, war das noch Russland. Oder besser Sowjetunion. Alle, die ich gefragt hab, sagen, er hat sich benommen wie ein russischer Oligarch. Die meisten Oligarchen sind Oligarchen geworden, weil sie es mit der Nächstenliebe nicht übertrieben haben, Onkel Max.«
Max Leitner saß da wie erstarrt, die Schuhbürsten, die er Augenbrauen nannte, grimmig zusammengezogen. Das Weißbier - ein Luxus, der hier an Bord so viel kostete wie daheim ein ganzes Tragerl - wollte ihm auf einmal nicht mehr recht schmecken.
»Magst auch einen Schluck?«
»Nein, danke. Ich brauch noch einen klaren Kopf. Dieser Hurvinek - der andere Tote - war zum zweiten Abendessen eingeteilt, und das müsste jetzt allmählich dem Ende zugehen. Da muss ich hin, weil wir über den guten Mann genauso wenig herausbringen wie über den Litauer.« Ein wenig Überstunden schieben konnte nicht schaden, schließlich war Adam noch auf Probezeit.
Tatsächlich erwies sich diese Aussage als prophetisch: Hurvinek hatte an seinem Achtertisch zwar viel über seinen Burnout geredet, aber erstaunlich wenig über sich selbst. Jedenfalls war dies die Essenz all dessen, was seine Tischgenossen - Adam nannte sie in Gedanken »Mitesser«, weil er ein bisschen schwarzen Humor ab und an brauchte - über den Verblichenen von sich gaben. Die Firma, bei der er gearbeitet hatte, nannte sich »Vartalux« oder so ähnlich und hatte ihren Hauptsitz in München, das hatten ein paar von ihnen behalten. Familie? Nein, angeblich Single.
Schon wieder ein einsamer Wolf, war das nicht seltsam? Bei den Frauen kam das oft vor, aber ein Mann allein auf Kreuzfahrt? Adam schrieb sich die Namen der Tischnachbarn auf, insgesamt fünf an der Zahl. Zwei fehlten. »Sind die schon gegangen?«, fragte er in die Runde.
Worauf sich ein Mann Ende vierzig meldete, neben dem sich die beiden leeren Plätze befanden. »Meine Frau ist wieder in unserer Kabine, anders geht es nicht, weil meine Mutter allein völlig hilflos ist. Wir müssen deshalb in Schichten essen. Der weitere leere Platz ist der meiner Mutter.«
»Und wovon lebt die, wenn ich fragen darf?«
»Astronautenkost. Ihr Magen musste vor drei Jahren komplett entfernt werden. Sie leidet an einem extremen Fall von Morbus Bechterew, der nicht nur das Rückgrat, sondern auch die Eingeweide angegriffen hat. Früher war sie Hostess auf einem Schiff wie diesem, deshalb war es ihr letzter sehnlicher Wunsch, noch einmal eine Kreuzfahrt mitzumachen. Wir begleiten sie dabei.«
»Da kann ich Sie nur bewundern«, brachte Adam befangen hervor. Die Mumie im Rollstuhl gehörte also zu diesem Mann und seiner offenbar extrem aufopferungsfähigen Ehefrau. »Hostess« hörte sich nicht nach einer besonders üppigen Erbschaft in Aussicht an.
Die übrigen vier Gäste an diesem Tisch waren: zum einen ein Ehepaar in den Siebzigern, beide breitschultrig, schmalhüftig, halslos. Einander so ähnlich, dass Adam sie auf den ersten Blick für Geschwister gehalten hatte, bis sie sich ihm vorstellten. Zuerst ein wenig reserviert, aber nach einer kurzen Auftauphase recht umgänglich. Eine natürliche Reaktion, wenn man es auf einmal mit einer polizeinahen Institution zu tun bekam, ohne vorher geahnt zu haben, dass es etwas Derartiges