Der letzte Schnappschuss. Thomas Riedel

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Der letzte Schnappschuss - Thomas Riedel

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musste gezittert haben. Ein heller Fleck zeigte an, dass sie während des Schreibens geweint hatte.

      Er las: »Bitte verzeih mir, Malcolm. Ich wusste nicht mehr weiter.«

      Das ist alles?, dachte er und knüllte das Papier verzweifelt zusammen. Was ist das für ein Brief? Was soll ich damit anfangen? Der Brief gibt mir keinen Aufschluss, warum Whitney sich das Leben genommen hat. »Warum, Whitney?«, rief er gequält. »Warum hast du das getan?«

      *

      Zwanzig Minuten, nachdem Finley den Hausarzt angerufen hatte, traf Dr. Wellington ein. Er war ein kleiner Mann mit schlohweißem Haar, einer stabilen Hornbrille auf der Nase und Tausenden von Sommersprossen im faltenreichen Gesicht. Während der Mediziner die Tote untersuchte, mussten McFlaherty und sein Diener vor dem Schlafzimmer warten. Nervös rauchte der Hausherr zwei Zigaretten hintereinander.

      Dann öffnete sich wie in Zeitlupe die Schlafzimmertür.

      Dr. Wellington brauchte kein Wort zu sagen. Sein Gesicht sprach Bände.

      McFlaherty starrte den Arzt, mit dem er schon seit Jahren eng befreundet war, fassungslos an. Es schien, als würde er durch ihn hindurchsehen.

      Bedauernd zuckte Wellington die Achseln. Auch ihn traf der Tod der Frau seines Freundes schmerzlich. »Es tut mir sehr leid, Malcolm.«

      »Sie ist ...?«

      »Ja«, bestätigte er die unausgesprochene Frage. »Ich konnte nichts mehr für sie tun.«

      Wenngleich McFlaherty mit dieser Nachricht gerechnet hatte, war er von der Gewissheit so niedergeschmettert, dass er wankte und sich kaum noch auf den Beinen halten konnte.

      »Soll ich dir eine Beruhigungsspritze geben, Malcolm?«, fragte sein Freund besorgt.

      McFlaherty hörte ihn nicht. Er schüttelte zwar den Kopf, doch das galt seiner Frau und ihrem Freitod, den er einfach nicht begreifen konnte.

      4

      McFlahertys weitläufiges Grundstück wurde von hohen, beinahe gewaltig wirkenden, immergrünen Klebsamen-Sträuchern eingesäumt, die sich auf den Britischen Inseln ohne weiteres im Freien kultivieren ließen und kalte Winter gut überstanden.

      Colin Bradley ließ seinen blauen ›Cunningham‹ vom Typ ›Series V3‹ auf das Haus des Limonadenproduzenten zurollen. Es war eine imposante Villa im viktorianischen ›Queen-Anne-Stil‹, zu dessen Merkmalen die Verbindung verschiedener Materialen gehörte, wie feingliedriges und warmes Ziegelmauerwerk mit weiß gestrichenen Holzfassaden und hellem Kalkstein. McFlahertys Villa beeindruckte durch ihre zahlreichen Erker, zum Teil übereinandergestellt, ihre Ecktürme und die pittoreske, unsymmetrische Fassade – auch war der Hausgang tiefgelegen und mit breitem Vordach versehen.

      Er stieg aus dem Wagen, klingelte und wartete darauf, dass man ihm öffnete.

      »Sie wünschen, Sir?«, erkundigte sich Finley keine Minute später und sah ihn fragend an.

      »Mein Name ist Colin Bradley. Mr. McFlaherty erwartet mich«, erwiderte Bradley freundlich lächelnd.

      »Folgen Sie mir bitte, Sir.« McFlahertys Diener führte ihn durch eine recht düstere Halle an einem prunkvollen Lehnstuhl vorbei und weiter durch eine schwere Mahagonitür in eine ebenso getäfelte, geräumige Bibliothek, aus deren großen Fenstern man einen herrlichen Ausblick auf das Grundstück hatte.

      An einem dieser Fenster saß ein Mann in einem Lehnstuhl. Auf seinen Knien lag ein aufgeschlagenes Buch, aber er las nicht. Sein Gesicht war fast genauso weiß wie die Decke des Raumes.

      »Mr. Bradley, Sir«, sagte Finley leise, als wollte er seinen Arbeitgeber nicht erschrecken.

      Der Hausherr nickte wie in Trance. Er erhob sich mechanisch und lächelte, doch Bradley wusste nur zu gut, was von diesem Lächeln zu halten war. »Guten Tag, Mr. Bradley«, begrüßte er ihn, wobei er ihm seine kraftlose Hand reichte. »Vielen Dank, dass Sie gleich gekommen sind.«

      »Guten Tag, Mr. McFlaherty«, erwiderte Bradley und drückte nicht sehr fest zu.

      »Bitte, … nehmen Sie doch Platz.«

      »Danke«, lächelte Bradley und ließ sich auf dem ledergepolsterten Fauteuil nieder, auf den McFlaherty gezeigt hatte.

      »Möchten Sie einen Drink, Mr. Bradley?«, erkundigte sich McFlaherty.

      »Einen Whisky, wenn das möglich ist.«

      McFlaherty nickte. »Natürlich ist das möglich ... Sie haben es gehört, Finley!«

      Der Diener nickte dienstbeflissen und begab sich zur Bar. Er brachte das Gewünschte und stellte das Glas vor Bradley auf den niedrigen Rauchertisch.

      McFlaherty setzte sich auf den Fauteuil, der Bradley gegenüberstand, während sich Finley, auf ein Nicken des Hausherrn, lautlos aus der Bibliothek zurückzog.

      Bradley nippte schweigend am Drink, während er den Hausherrn musterte, der auf den Boden starrte und nach Worten zu suchen schien.

      »Ich weiß nicht recht, wie ich beginnen soll«, stellte sein Gastgeber nach einer Weile, mit einem hilflosen Achselzucken, fest. »Sie müssen verstehen: Es ist sehr schwer für mich ... Whitney … meine Frau … Sie hat sich gestern mit Schlaftabletten das Leben genommen.«

      »Mein Beileid«, nickte Bradley aufrichtig.

      McFlaherty schüttelte den Kopf. Er biss sich in die Unterlippe und legte die Stirn in Falten. »Ich … ich kann es immer noch nicht begreifen, Mr. Bradley.«

      »Ich kann Sie sehr gut verstehen.«

      »Whitney und ich ... Nun, wir führten, was man allgemein eine gute Ehe nennt. Es hat fast nie ein böses Wort zwischen uns gegeben. Deshalb verstehe ich nicht, wie es zu solch einer Kurzschlusshandlung kommen konnte ... Sie hatte alle Annehmlichkeiten, die man sich vorstellen kann, und ich war bestrebt, ihr jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Dann passiert plötzlich so etwas ...« Er kämpfte mit seiner immer wieder versagenden Stimme und aufsteigenden Tränen. »Sie bringt sich mit Schlaftabletten um. Ich habe nicht die geringste Ahnung, warum sie das getan hat. Das macht mich fast wahnsinnig. Können Sie das verstehen?«

      »Natürlich, Mr. McFlaherty.« Bradley nickte und nahm einen Schluck vom Whisky. Nachdem er das Glas abgesetzt hatte, sagte er: »Menschen, die einen Suizid begehen, hinterlassen im allgemeinen einen Abschiedsbrief, in dem sie ihre Verzweiflungstat begründen.«

      McFlaherty wischte sich mit zitternden Fingern über die müden Augen. Man sah ihm an, dass er während der vergangenen Nacht kein Auge zugetan hatte.

      »Meine Frau hat einen Brief hinterlassen, Mr. Bradley. Aber sie erklärt darin nichts. Überhaupt nichts.«

      »Darf ich das Schreiben einmal sehen?«

      McFlaherty nickte. Er griff in die Innentasche seiner Anzugjacke und brachte

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