Der letzte Schnappschuss. Thomas Riedel

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Der letzte Schnappschuss - Thomas Riedel

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entfaltete den Bogen, las die wenigen Worte und gab das Schreiben wieder zurück. »Ihre Frau muss sich in einer ausweglosen Lage befunden haben, Mr. McFlaherty.«

      »Aber genau das ist es ja, was ich mir nicht vorstellen kann. Sie hätte mir sicher gesagt, was sie bedrückt. Sie hat es mir immer erzählt. Wir hatten keine Geheimnisse voreinander.«

      Bradley hob leicht die Hand. »Mit aller Bestimmtheit können Sie das nur von sich selbst behaupten, Mr. McFlaherty«, gab er zu bedenken.

      »Ich bin mir diesbezüglich ganz sicher ...«

      »Kein Mensch vermag in die Seele des anderen hineinzusehen«, widersprach Bradley kopfschüttelnd. Lächelnd fügte er hinzu: »Auch, wenn es Dichter gibt, die der Ansicht sind, dass der Frauen Seele so winzig sei, dass man annehmen könne, sie würde gänzlich fehlen.«

      »Ich kannte meine Frau so gut wie mich selbst«, beharrte McFlaherty.

      »Vielleicht hatte sie nur ein einziges Geheimnis vor Ihnen und gerade das wurde ihr zum Verhängnis."

      Sein Gegenüber seufzte. »Deshalb habe ich Sie durch meinen Diener verständigen lassen und um Ihr Kommen gebeten, Mr. Bradley. Ich gebe zu, es besteht die Möglichkeit, dass meine Frau ein solches Geheimnis gehabt hat … Obwohl, … glauben kann ich das nicht. Es ist eine furchtbare Ungewissheit ...« Er erhob sich und ging mit steifen Schritten in der Bibliothek auf und ab.

      Bradley sah ihm bei seiner ziellosen Wanderung zu, sagte aber kein Wort. McFlaherty war ein gebrochener Mann, ein Mann, den der Blitz aus heiterem Himmel getroffen hatte. Er hielt sich an seinen Whisky, trank aus und schob das Glas von sich, was jedoch nicht heißen sollte, dass er noch einen weiteren Drink haben wollte – es war eine abschließende Geste.

      Nach einer gefühlten Ewigkeit blieb der Hausherr vor ihm stehen und Bradley sah zu ihm auf. Aus unendlich traurigen Augen sah ihn der Mann lange an, ehe er sagte: »Diese Ungewissheit macht mich ganz krank, Mr. Bradley.«

      »Das würde mir an Ihrer Stelle nicht anders gehen, glauben Sie mir.«

      »Ich muss mir Klarheit verschaffen, Mr. Bradley.«

      »Natürlich«, nickte Bradley.

      »Ich muss einfach wissen, warum meine Frau so etwas Schreckliches getan hat.«

      »Aber glauben Sie, dass Sie sich danach besser fühlen werden?«, fragte Bradley mitfühlend.

      »Dass kann ich erst sagen, wenn ich den Grund kenne … Ich bitte Sie, finden Sie die Wahrheit heraus, Mr. Bradley«, erwiderte er ernst. Seine Kiefer mahlten und seine Backenmuskeln zuckten. »Ich will es wissen. Ich muss es wissen. Ich muss alles wissen. Selbst wenn es sehr bitter für mich sein sollte.«

      5

      Der Mann, der aus dem schwarzen ›Ford Modell T‹ stieg, trug einen grauen altmodischen Anzug, der vor dem großen Krieg einmal modern gewesen sein mochte. Er sah abgetragen aus und war an den Ärmelstößen und Ellenbogen deutlich abgestoßen. Das ließ schon auf den ersten Blick darauf schließen, dass der Mann in diesem Anzug nicht gerade mit irdischen Gütern gesegnet war.

      Der Mann im grauen Anzug war von mittelgroßer Statur, sein Gesicht rund und pockennarbig. Er schien von slawischer Herkunft zu sein. Seine Augen erinnerten an zwei schwarze Knöpfe. Er hatte einen dicken muskulösen Nacken und Hände, mit denen er sicher fest zupacken konnte, wenn es verlangt wurde. Sein Äußeres hatte nichts Gewinnendes an sich. Sein Blick war verschlossen, grimmig, unaufrichtig. Er hatte mit den Zähnen einen großen Kaugummiklumpen geknetet, der ihm nun zu geschmacklos geworden war. Deshalb spuckte er ihn in hohem Bogen auf den Gehsteig. Die Kugel rollte in die Gosse. Der Mann holte zwei neue Pfefferminzkaugummi-plättchen aus der Tasche und schob sich die weißgraue Masse zwischen die vom Kariesteufel angenagten Zähne.

      Er blickte auf das Grundstück von Malcolm McFlaherty. Genauer gesagt auf die Villa. Dann bückte er sich in den Wagen, klappte das kleine Türchen des Handschuhfachs nach unten und holte ein handliches Fernglas heraus. Er setzte sich die Stielaugen vors Gesicht und blickte durch das Fernglas auf das Haus. Als sich das Eingangstor öffnete, straffte sich der Körper des Mannes.

      Bradley trat mit McFlaherty aus dessen Villa. Die beiden Männer reichten sich die Hände. Es war ein kurzes Schütteln, gefolgt von ein paar Worten, die der Mann über die Distanz nicht hören konnte. Dann tippte Bradley lächelnd mit einem Finger an die Krempe seines ›Homburger‹, nickte McFlaherty noch einmal und ging zu seinem ›Cunningham‹. Der Wagenschlag schwang auf und er ließ sich hinter das Lenkrad fallen.

      Der Mann sah die kleine weiße Wolke aus dem Auspuff fliegen. Bradley hatte den Anlasser betätigt und den Motor gestartet. Gleich darauf setzte sich der sportliche Zweisitzer in Bewegung.

      Der Unbekannte im abgenutzten Anzug nahm das Fernglas von den Augen. Er handelte jetzt schnell, beinahe überstürzt. Er sprang in seine schwarze ›Tin Lizzy‹, warf die Fahrertür hinter sich zu, legte das Fernglas in das Handschuhfach, klappte den Deckel zu und wartete geduckt, bis der blaue Sportwagen zur Grundstücksausfahrt kam. Kauernd wartete er, während er den Motor seines eigenen Wagens kommen ließ.

      Bradleys ›Cunningham‹ rollte auf die Straße heraus und fädelte sich nach rechts in den Verkehr ein.

      Der Mann wartete noch eine halbe Minute, ehe er Bradley folgte.

      6

      Bradley dachte über den neuen Fall nach. Es war ein ungewöhnlicher Auftrag. Der Tod der Frau war ein Geheimnis, denn schließlich brachte sich niemand ohne Grund um. Nichts ließ darauf schließen, dass Whitney McFlaherty zum Zeitpunkt, als sie zu dieser Verzweiflungstat geschritten war, geistig umnachtet gewesen war. Dass sie sich in einer aussichtslosen Situation befunden hatte, hatte sie in ihrem Abschiedsbrief angedeutet. Eine Zeile mehr wäre schön gewesen und hätte vielleicht erklärt, warum sie sich für diesen Schritt entschieden hatte. Doch diese Zeile war nicht geschrieben worden.

      Seine Aufgabe bestand nun darin, den Abschiedsbrief um genau diesen Punkt zu ergänzen. »Das wird keine leichte Aufgabe«, seufzte er halblaut vor sich hin, während er das Autoradio einschaltete. Der Sender spielte gerade ›When the Moon shines on the Moonshine‹ von Bert Williams. Er mochte das Stück und seine Finger klopften den Takt auf dem Lenkrad mit. Er hörte erst auf, als er wieder einen Routineblick in den Seitenspiegel warf. Wie sonderbar, dachte er, dieses schwarze ›Ford Modell T‹ ist ja immer noch da.

      Bradley hatte ihn zum ersten Mal bemerkt, als er McFlahertys Grundstück verlassen hatte. Inzwischen war er eine Viertelstunde unterwegs, und der ›Ford Modell T‹ folgte immer noch seinen Stopplichtern. Er machte das Radio aus, um sich nicht ablenken zu lassen. »Da stimmt doch irgendetwas nicht. Kann das ein Zufall sein?«, murmelte er halblaut.

      Im Vokabular eines Privatdetektivs durfte es das Wort Zufall nicht geben. ›Zufälle‹ durfte nicht vorkommen, sonst geriet er eines Tages ganz zufällig

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