Ein Kind unserer Zeit. Ödön von Horváth

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Ein Kind unserer Zeit - Ödön von Horváth

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hab mit meinem Vater nichts mehr zu tun.

      Ich kann es nicht ausstehen, das ewige Geweine!

      Immer wieder hören müssen: »Vor dem Krieg, das war eine schöne Zeit!« – da werd ich ganz wild.

      Mir hätt sie nicht gefallen, deine schöne Zeit!

      Ich kann sie mir genau vorstellen nach den alten Photographien.

      Du hattest eine Dreizimmerwohnung, warst noch nicht verheiratet und führtest, wie es seinerzeit hieß, ein flottes Junggesellenleben.

      Mit Weibern und Kartenspiel.

      Alle Welt hatte Geld.

      Es war eine verfaulte Zeit.

      Ich hasse sie.

      Jeder konnte arbeiten, verdienen, niemand mußte hungern, keiner hatte Sorgen –

      Eine widerliche Zeit!

      Ich hasse das bequeme Leben!

      Vorwärts, immer nur vorwärts!

      Marsch – marsch!

      Wir stürmen vor – nichts hält uns zurück!

      Kein Acker, kein Zaun, kein Strauch –

      Wir treten es nieder!

      Marsch – marsch!

      So stürmen wir vor und gehen auf einer Höhe in Deckung, um die Straße, die unten vorbeizieht, zu beherrschen.

      Vorerst sinds nur noch Manöver.

      Aber bald wirds ernst, die Zeichen werden immer sichtbarer.

      Und der Krieg, der morgen kommen wird, wird ganz anders werden als dieser sogenannte Weltkrieg! Viel größer, gewaltiger, brutaler – ein Vernichtungskrieg, so oder so!

      Ich oder du!

      Wir schauen der Wirklichkeit ins Auge.

      Wir weichen ihr nicht aus, wir machen uns nichts vor –

      Jetzt schießen Haubitzen.

      In der weiten flimmernden Ferne.

      Man hört sie kaum.

      Sie schießen vorerst noch blind.

      Unten auf der Straße erscheinen zwei radfahrende Mädchen. Sie sehen uns nicht.

      Sie halten plötzlich und sehen sich um.

      Dann geht die eine hinter einen Busch und hockt sich hin. Wir grinsen und der Leutnant hinter mir lacht ein bißchen.

      Der Feldwebel schaut mit dem Feldstecher hin.

      Jetzt surrt es am Himmel. Ein Flieger. Er fliegt über uns hinweg.

      Das Mädchen läßt sich nicht stören, sondern blickt nur empor.

      Er fliegt sehr hoch, der Flieger, und kann sie nicht sehen. Das weiß sie.

      An uns denkt sie nicht.

      Und derweil werdens doch immer wir Infanteristen sein, die die Kriege entscheiden – und nimmer die Flieger! Obwohl man von ihnen so viel spricht und von uns so wenig. Obwohl sie die eleganteren Uniformen haben – werden sehen, ob sie das taugen, was sie sich einbilden! Die denken, sie legen ein Land von droben einfach in Trümmer und wir Infanteristen hätten dann einfach die Trümmer nur zu besetzen – ohne jede Gefahr! Eine bessere Polizei. Abwarten!

      Werden sehen, ob wir überflüssig sind! Oder gar zweiten Ranges!

      Nein, ich mag die Flieger nicht!

      Ein hochnäsiges Pack.

      Und die Weiber sind auch so blöd, sie wollen nur einen Flieger.

      Das ist ihr höchstes Ideal!

      Auch die zwei da drunten auf der Straße – jetzt winken sie ihm begeistert zu.

      Alle Kühe wollen mit einem Flieger tanzen!

      Winkt nicht, ihr Tiere – er schaut auch auf euch herab, weil ihr nicht fliegen könnt!

      Jawohl, wir schlucken den Staub der Straßen und marschieren durch den Dreck! Aber wir werden dafür sorgen, daß der Dreck himmelhoch staubt!

      Nur keine Angst!

      »Um Gotteswillen!« kreischt der Leutnant.

      Was ist denn los?!

      Er starrt auf den Himmel –

      Dort, der Flieger!

      Er stürzt ab!

      »Der linke Flügel ist futsch«, sagt der Feldwebel durch den Feldstecher.

      Er stürzt, er stürzt –

      Mit einer Rauchwolke hinter sich her –

      Immer rascher.

      Wir starren hin.

      Und es fällt mir ein: Komisch, hast du nicht grad gedacht: stürzt ab –?

      »Mit denen ists vorbei«, meint der Leutnant.

      Wir waren alle aufgesprungen.

      »Deckung!« schreit uns der Feldwebel an.

      »Deckung!« – – –

      Drei Särge liegen auf drei Lafetten, drei Fliegersärge. Pilot, Beobachter, Funker. Wir präsentieren das Gewehr, die Trommel rollt und die Musik spielt das Lied vom guten Kameraden.

      Dann kommt das Kommando: »Zum Gebet!«

      Wir senken die Köpfe, aber wir beten nicht.

      Ich weiß, daß bei uns keiner mehr betet.

      Wir tun nur so.

      Reine Formalität.

      »Liebe deine Feinde« – das sagt uns nichts mehr. Wir sagen: »Hasse deine Feinde!«

      Mit der Liebe kommt man in den Himmel, mit dem Haß werden wir weiterkommen – –

      Denn wir brauchen keine himmlische Ewigkeit mehr, seit wirs wissen, daß der einzelne nichts zählt – er wird erst etwas in Reih und Glied.

      Für uns gibts nur eine Ewigkeit: das Leben unseres Volkes.

      Und nur eine himmlische Pflicht: für das Leben unseres Volkes zu sterben.

      Alles andere ist überlebt.

      Wir treten an.

      Ausgerichtet,

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