Die Pyrenäenträumer - Band 2. Wolfgang Bendick

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Die Pyrenäenträumer - Band 2 - Wolfgang Bendick Zu Wasser und zu Lande

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hast du mir mein Land genommen, diesmal werde ich es zu verhindern wissen! Dieser ‚Garce‘ werde ich das Leben schwermachen, das kannst du ihr ruhig sagen!“ Und er ließ mich stehen. Zumindest war mir jetzt einiges klarer! Ich rief Marinette an und teilte ihr das Gespräch mit. „Dem wird ichs zeigen! Der denkt gerade, er kann machen, was er will! Es bleibt beim Verkauf!“ Doch dessen war ich mir nicht mehr so sicher…

      Drei Tage später sah ich ihr Auto vor Adrien seinem Haus stehen. Am nächsten Morgen stand es immer noch da. Mehrere Jahre später erbte es Adrien, und ihr Land dazu…

      MADAME BERNAGOU

      Den Sommer über kamen wir nun alle zwei Wochen nach Sentein zum Markt machen. Eigentlich hat der Ort einen richtigen Dorfcharakter, da er nicht, wie die meisten anderen Ortschaften, auf beiden Seiten der Hauptstraße liegt. Das Zentrum bildet zweifelsohne die uralte Wehrkirche mit ihren drei verschiedenen Türmen. Von hier aus führt eine winkelige Straße nach Antras hinauf, eine andere weiter das Tal des Lez hoch zu den alten Minen von Bocart und dann als Piste in die Berge bis zum Stausee von Araing. Auf den Hängen erheben sich noch viele der eisernen Masten, die meisten ihrer Seile beraubt, an denen das Erz zu Tale gefördert worden war. Dieser Ort, früher sogar erreichbar mit einer Tramway, faszinierte uns und wir kamen des Öfteren her zum Wandern und Erkunden.

      Manche der Bauern hatten nach dem Schließen der Werke die rostigen Tragseile von den Masten abgenommen, um sich damit kleinere Seilbahnen für den Transport von Mist und Heu zu bauen. Andere hatten die dicken Trossen aufgetrennt, und mit den dünneren Strängen Zäune gebaut, die einem endlosen Korkenzieher ähnlich sahen. Die Gebäude unten im Tal enthielten noch die Maschinen zum Zerkleinern und Vorsortieren der Minerale, die per LKW und später mit der Straßenbahn nach St. Girons transportiert wurden und von dort per Zug weiter zu den Verarbeitungsbetrieben. Unter rostigen Blechdächern fanden wir die mitten im Betrieb angehaltenen Maschinen vor, deren Verwendung wir nur ahnen konnten. Fässer mit Chemikalien zum Herauslösen der Metalle standen oder lagen herum, der sicherlich giftige Inhalt überall verstreut, sei es von Vandalen oder der Zeit. Zwei nagelneue VW-Kübelwagen, Geländefahrzeuge standen noch im Hof, Stromgeräte, nie in Betrieb genommen befanden sich, noch verpackt, in den Gängen, die Holzbaracken waren zum Teil niedergerockt, um anderswo als Baumaterialien zu dienen. Faszinierend, aber gefährlich! Vor allem auch für die Umwelt, das Wasser. Denn darin würde früher oder später alles landen!

      1975, nicht lang vor unserem Kommen, waren die Minen geschlossen worden, nachdem sie über Jahrhunderte in Betrieb gewesen waren und im 19. Und 20. Jahrhundert ihre ‚Blütezeit‘ erreicht hatten. Es hieß, dass damals eine deutsche Firma die Schürfstellen übernehmen und weitermachen wollte. Oder aber, dass EDF, der Stromkonzern alles übernahm und dicht machte. Als gute Patrioten wählten die Verantwortlichen die zweite Lösung und die damit verbundene Arbeitslosigkeit der lokalen Bevölkerung und Verschmutzung.

      Die Stollen befanden sich zum Teil in 2000 Metern Höhe, gingen stellenweise durch den ganzen Berg bis auf die spanische Seite. Wir liefen nie weit hinein, denn es gingen bisweilen Schächte senkrecht nach unten, natürlich ungesichert! Das Mineral wurde damals in Loren an Seilbahnen zur ersten Bearbeitung ins Tal gebracht. Die bekannteste Mine war die von Bentaillou, die ‚Menschenfresserin‘ genannt, weil bei ihrer Konstruktion und Nutzung viele Menschen starben. Aber außer an ‚Männern und Eisen‘ hatte das Land für die Kriege oder den darauf folgenden Wiederaufbau einen großen Bedarf an Blei, Zink, Tungstene, Kupfer und was alles noch!

      Das Gelände war wie ein Selbstbedienungsladen. Maschinen verschwanden, die Autos, die Generatoren. Freunde von uns hatten einen ganzen LKW damit vollgepackt, plus Wellbleche und Holzteile. Bei Nacht fuhren sie zurück, um nicht gesehen zu werden. Doch an Carerat, wer stand da? Die Bullen, die anscheinend jemand informiert hatte! Da es spät war, ließen diese sie nach einer kurzen Inspektion weiterfahren, mit der Auflage, am nächsten Tag mit dem Fahrzeug an der Wache vorbei zu kommen! Dieses taten sie, aber erst, nachdem sie alles Wertvolle bei sich abgeladen hatten. Als dann die Polizei die restliche Ladung begutachtete, stellte sie fest, dass nichts Brauchbares dabei war und ließ die Anzeige wegen Diebstahls fallen. Doch mussten sie unter Begleitung alles zurück zu den Minen kutschieren, wo sie es freudig abkippten. Da die Geländewagen schwierig mitgenommen werden konnten, bauten sie später noch die Motoren aus.

      Nach Jahren sollte die Anlage ‚gesichert‘ werden. Endlich! Dachten die Anwohner. Also baute eine Firma einen Maschendrahtzaun herum und stellte ein paar Schilder auf. Und so vergingen weitere Jahrzehnte, der Zaun wurde zerschnitten, um an die noch vorhandenen Edelmetalle der Kabel zu kommen oder um drinnen Feten zu feiern. Die Vegetation und das Vergessen versteckten langsam diese ökologische Katastrophe.

      *

      Eines Sonntags kam ein Auto zu uns an den Hof. Ihm entstieg die alte Bäckerin von Sentein, sofort erkenntlich an ihrer Größe, eine andere ältere Dame und zwei etwas jüngere Leute. Ich konnte mir denken, wer das war! Freudig erregt gingen wir sie begrüßen. Wie vermutet war die andere ältere Frau die Enkelin des damaligen Bauern hier oben und deren Sohn und Frau. Diese zwei hatten das Anwesen bisher nur aus den Erzählungen ihrer Mutter gekannt.

      Deren Mutter, Josephine, war 1908 nach Amerika gegangen, als ihre Tochter nicht mal ein Jahr alt war. Das Kind hatte sie bei Verwandten in Galey untergebracht, die selber keine Kinder hatten. Später zogen diese mit ihr nach Paris, wo sie dann auch zur Schule ging und anschließend bei der Post arbeitete. Dort traf sie auch ihren Mann, mit dem sie kurz nach der Rente nach St. Girons zog, wo sie noch Familie hatte.

      Während ihrer Kindheit hatten die Pflegeeltern sie jedes Jahr während der Sommerferien und manchmal auch in den anderen zu den Großeltern geschickt. Mit der Eisenbahn, ein wahres Abenteuer! Später hatte sie sie ebenfalls des Öfteren besucht, auch ihre Tante und die Onkel, die mit auf dem Hof lebten. Sie hatte nur schöne Erinnerungen an diese Zeit, da sie als einziges Kind hier oben von allen verwöhnt wurde. Wir führten sie durch das Haus, etwas stolz, wenn sie uns erzählte, wie es früher hier gewesen war und sie staunte über die Veränderungen! Das Wasser holten sie damals gut 200 Meter weiter, wo ich erst letztlich die Quelle gefasst und zum Haus geleitet hatte. Ich sagte, sie könne das am Brunnen laufende Wasser trinken, es sei genau diese Quelle! Das tat sie auch, benässte sich das Gesicht und erzählte: „Damals stand immer ein Glas an der Quelle, woraus jeder trank, der dort vorbeiging. Das Bächlein neben dem Haus diente zum Tieretränken und Abwaschen, auch zum Wäschewaschen. Das geschah zweimal im Jahr.

      Während des Jahres wurde zu diesem Zweck die Asche des Kaminfeuers gesammelt. Eigentlich wurde alles gesammelt und nichts weggeworfen. Denn alles war irgendwann mal zu irgendetwas zu gebrauchen! Mit der Asche zum Bespiel konservierten ihre Großeltern in hölzernen Kisten auf dem Dachboden auch Würste und die fertigen Schinken. Somit konnten keine Fliegen und andere Schädlinge sich darüber hermachen. Zum Waschen wurde die Asche zuerst durchgesiebt. Dann gab die Großmutter eine Lage Wäsche in den Kessel, streute darauf eine dünne Schicht Asche, dann eine weitere Lage Wäsche, dann Asche und so weiter, bis der Waschkessel voll war. Dann schüttete sie langsam kochendes Wasser darüber, welche in die Wäsche einsickerte. Der Waschkessel besaß unten einen Hahn, durch den nach einer Weile das Wasser austrat, welches dann, oft nach nochmaligem Erhitzen wieder oben drüber gegossen wurde. Dadurch wurde das Wasser zu einer starken Lauge. Über Nacht machte man den Hahn zu, damit alles eingeweicht blieb. Das zog sich manchmal über zwei oder drei Tage hin. Anschließend wurde die Wäsche mit dem Wasser des Bächleins hinterm Haus gespült und gut auseinandergezogen auf die Wiesen zum Trocknen und zum Bleichen gelegt. Die Stücke die am weißesten sein sollten, durfte sie mehrmals am Tag mit etwas Wasser bespritzen, dass sie gut gebleicht wurden.

      Ansonsten wurde Wasser nicht groß zum Waschen verschwendet. Die eigene Wäsche wurde manchmal im Bach gespült, das Geschirr mit einem Stück Brot ausgewischt, gab es Suppe, schüttete jeder am Ende etwas Rotwein hinein und machte „chabrol“, wie man das nannte, indem er

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