Suche Stelle als Talk-Gast. Anne Swalski

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Suche Stelle als Talk-Gast - Anne Swalski

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gibt heute Prominente, die so häufig zu Talk-Shows eingeladen werden, dass sie ihren Beruf aufgegeben haben und ein zufriedenstellendes Einkommen über die Honorare als Talk-Gast verbuchen können. Sogar die Industrie- und Handelskammer war schon bei dem einen oder anderen Sender vorstellig geworden, um etwas über die Voraussetzungen für den neuen Beruf als Talk-Gast zu erfahren. Auch Personen in der zweiten Reihe des öffentlichen Lebens, wie beispielsweise Köche oder Herrenausstatter, haben erkannt, dass sie sich mit Reden vor einer Kamera ein erkleckliches Zubrot verdienen können.

      So hatte auch ein Herr Möhre ebenfalls schon von dem neuen Berufsbild gehört, und nach einigem hin und her entschieden, sich als Talk-Gast zu verdingen. Es lag ihm daran, sich beruflich neu zu orientieren, denn er war Sex-Schriftsteller der mehr oder minder härteren Sorte und hatte bei sich einen Burn-Out diagnostiziert. Seit er um die fünfzig war, fiel es ihm zunehmend schwerer, sich etwas Schlüpfriges einfallen zu lassen. Immer häufiger musste er in seinen Erinnerungen nach Lampenschirmen und ähnlichem suchen, um einen neuen Story-Mix zu kreieren, den er, statt mit ‚Frühlingsrollen‘, mit ‚Augenrollen‘ nach oben begleitete. Während andere noch mit 55 eine neue Ehe eingingen, kam er sich wie leer geschossen vor.

      Herr Möhre suchte also die Casting-Agentur Rhing-Gold in Kölle auf, ein Unternehmen, das u.a. Personen auf ihre Fernseh-Tauglichkeit untersuchte. Talkgäste sollten ihre Meinung zu biblischen Offenbarungen aufwerten können, flunkern erlaubt, und auch weitere Qualifikationen - wie Unterscheidungsvermögen zwischen Reden und Labern - entwickelt haben: Der Moderator darf labern, tut es aber nicht, der Gast darf auf keinen Fall labern, tut es aber manchmal doch. Nachdem Herr Möhre beim Telegen-Test ganz gut abgeschnitten hatte, er trug ein vorteilhaftes Toupet, ging es ans Eingemachte.

      „Was können Sie denn?“ fragte der junge Angestellte. Auf seinem Schreibtisch standen mehrere beschriftete Boxen mit Datenträgern, und aus der ihm nächsten entnahm er eine Disc und lud sie in den Computer.

      „Ich bin Schriftsteller“, antwortete Herr Möhre, glaubend, dass damit nun alles gesagt wäre. Doch der junge Mann runzelte die Stirn und suchte weiter auf dem Schirm, und als hätte er verstanden, was sein Gegenüber gedacht hatte, widersprach er:

      „Das reicht heute nicht mehr.“

      „Ach, was!“

      „Wir müssten Sie auch in Spielshows unterbringen können, das würde dann gehen.“ Herrn Möhre wurde mulmig. Der Angestellte setzte seine Fragerei fort.

      „Haben Sie irgendeine besondere Neigung oder Fertigkeit? Können Sie Sackhüpfen?“ Sein Gesprächspartner kannte das Wort in einem anderen Zusammenhang über gut.

      „Sackhüpfen? Nein, kann ich nicht.“ Er schüttelte den Kopf.

      „Wie ist es mit ‚auf dem Strich gehen‘? Das wird bei Spielshows häufig erwartet.“ Herr Möhre schüttelte wieder den Kopf. Nicht er. Das Thema hatte er satt.

      „Schade, die Sendung ‚Kinderschreck‘ lädt auch Erwachsene ein, die für ein Spiel eine sportliche Qualifikation aufweisen können. Im Moment ist Sackhüpfen und Auf-dem-Strich-Gehen der Renner, die Leute lachen sich kaputt. Aber das ändert sich alle paar Monate. Im nächsten Quartal kann es ‚Blindekuh‘ sein.“

      „Ah, ja“, sagte der Schriftsteller. Er verfiel eine Sekunde in Nachdenken, denn das Wort erinnerte ihn an etwas. Richtig, er hatte mal was geschrieben. Jahre her, aber er hatte das Stück ‚Die blinde Kuh‘ genannt.

      „Was gäbe es denn noch, womit Sie aufwarten könnten?“ Der junge Mann wandte sich vom Computer ab, holte einen weiteren Kasten mit Discs vom Regal und suchte darin.

      „Ich bin gut im Assoziieren“, fiel Herrn Möhre ein, „gibt es nicht Spielshows, wo man etwas erraten muss?“

      „Doch, schon, aber da nehmen wir zur Zeit verarmten Adel.“

      „Politische Diskussionen?“

      „Dafür kommen im Moment nur Behinderte in Frage - wegen der Teilhabe. Sie müssten schon irgendetwas Besonderes können. Etwas, was andere nicht können.“ Herr Möhre überlegte angestrengt. Ihm fiel ein, dass er als junger Mann Sprachen studiert hatte und warf diese Karte ins Spiel:

      „Ich kann einige Brocken Rätoromanisch sprechen …“

      „Ach“, winkte der Angestellte kopfschüttelnd ab, „so oft haben wir keine Schweizer Bergvölker zu Besuch!“

      „Das kann aber nicht jeder!“ erwiderte Möhre trotzig. Ihm sank der Kopf; er hatte sich vorgestellt, dass es einfacher wäre. Aber einen Angebotspool von solchen Leuten wie er einer war, gab es offensichtlich en masse. Der junge Mann stellte den Kasten zurück und holte aus einer Schublade Listen hervor und sah sie durch. Herrn Möhre war nicht klar, ob die Listen irgendetwas mit diesem Interview zu tun hatten und sagte in das Blättern hinein:

      „Ich bin schon Spezialist. Aber ich möchte auf diesem Gebiet nicht mehr arbeiten.“ Er machte eine Pause und fuhr fort:

      „Sieht nicht gut aus, wie?“

      „Ja, sieht schwierig aus. Sagen Sie mal, was schreiben Sie denn als Schriftsteller?“ Vor diesem Augenblick hatte Herr Möhre gezittert.

      „Ja, ich, wie gesagt, ich wollte da eigentlich nicht mehr arbeiten auf dem Gebiet.“

      „Ach, Gott, kommen Sie, sagen Sie schon, vielleicht lässt sich da etwas machen.“ Möhre war im Zwiespalt und wand sich innerlich.

      „Ja, was denn nun?“ Der junge Mann von Rhing-Gold fixierte Möhre aufmerksam. In einem augenblicklichen Anfall von Schwachsinn antwortete dieser:

      „Ich schreibe über Sex. Ich denke mir Geschichten aus, kurze, lange, manchmal wird es ein Roman, dann schreibe ich Drehbücher für Sexfilme und bediene die Werbebranche mit diesem oder jenem Slogan, der eindeutig zweideutig ist. Ich bin dafür bekannt.“ Nun war es heraus.

      „Ja, Mann!“, rief der Angestellte aus, und eine steile Falte bildete sich auf seiner Stirn, „warum sagen Sie das denn nicht gleich? Lassen mich hier wulachen wie einen Verrückten, ganze Listen durchkämmen, und dann sagen Sie, dass Sie W-Vorlagen herstellen können. Mann!“ Der Schriftsteller war etwas irritiert. Er wusste, dass normale Bundesbürger erschreckt auf den Inhalt seiner Schreiberei reagierten, aber diesen freizügigen Ausbruch bei einem relativ so jungen Mann hielt er denn doch für übertrieben. Der Angestellte regte sich langsam ab und kam zur Sache zurück. Er legte den Stapel Papiere beiseite und wählte aus der zweiten Box auf seinem Schreibtisch eine CD, die er in den Computer lud.

      „So“, sagte er, „dann wollen wir mal. Ich kann Ihnen eine ganze Reihe von Shows nennen, die in Frage kommen. Nicht alle deutschlandweit, auch regionale, aber die sind ja über Satellit mindestens europaweit zu empfangen. Es geht nicht immer so simpel um Sex, etwas schlauer schon. Einmal steht der eine Aspekt im Vordergrund, dann ein anderer. Sie müssen sich ganz klar daran halten. Abweichungen werden nicht geduldet. Wenn Sie das nicht können, ist es aus.“ Der Schriftsteller lehnte sich in seinem Sessel zurück, er wusste nicht, wie ihm geschah. War er etwa engagiert?

      „Ja, aber das ist noch nicht alles“, hörte Möhre wie von fern, „ich kann Ihnen noch Beraterverträge anbieten. Und natürlich Verträge als Autor bei der Themenfindung. Herr Möhre“, der junge Mann redete ihn zum ersten Mal an diesem Nachmittag mit Namen an, „Herr Möhre, Sie sind eine Goldgrube.“ Der junge Mann lachte ihn an, und ein Virus von ihm sprang zu seinem Besucher hinüber.

      „Übrigens

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