Suche Stelle als Talk-Gast. Anne Swalski

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Suche Stelle als Talk-Gast - Anne Swalski

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wissen Sie, richtig Schotter. Wenn Sie bei uns unterschreiben, Herr Möhre, mach ich Ihnen die Frühlingsrolle!“ Der junge Mann beugte sich vor, klopfte seinem unerwartet interessanten Gast freundschaftlich auf die Schulter und sagte:

      „Nehmen Sie es nicht so schwer.“

      „Ich wollte doch nicht mehr.“

      „Ach, kommen Sie. Sie müssen nichts Neues machen. Sie schöpfen ausschließlich aus Ihrem Fundus. Wissen Sie, die Leute sind eigentlich bescheiden. Ein Teil unserer Klientel will nichts mehr als immer nur dasselbe. Und zwar immer wieder. Jeden Tag tun sie so, als müssten sie es neu erfinden.“

      „Das ödet mich ja so an!“

      „Ach, Herr Möhre, wenn Sie es verstehen, ziehen Sie doch Kapital daraus. Es kommt nur auf Ihre Haltung an. Es ist doch für Sie Routine. Alles wird mal zur Routine, glauben Sie mir. Nun?“ Möhre war überrascht, was dieser Wolf da so von sich gab. Klug war er. Und er hatte offenbar mehr Realitätssinn als er, der wohl doppelt so alt war.

      „Vielleicht haben Sie angefangen über Sex zu schreiben, als Sex noch nicht gesellschaftsfähig war.“ Möhre musste husten. Offenbar las der junge Mann in ihm wie in einem Buch.

      „Machen Sie sich frei davon. Heute wird Gangbang-Sex den Grundschülern beigebracht und ist nicht nur gesellschaftsfähig, für die Medienschaffenden ist er sogar eine Quelle des Wohlstands geworden.“

      ‚Wie für die Zuhälter‘, dachte Möhre. Wolf Müller lud eine andere Disc in den Computer und tippte Möhres Namen ein.

      „Herr Möhre, ich habe mir hier ein Vertragsformular auf den Schirm geholt. Wir können es danach gleich ausdrucken.“

      „Vielleicht doch nicht so schnell“, stoppte er den jungen Mann.

      „Kein Problem, Sie können es sich ja immer noch überlegen. Sie müssen nicht unbedingt heute unterschreiben. Erst sage ich Ihnen noch, was es dafür gibt.“ Der junge Mann machte eine Pause.

      „Also“, fuhr er fort, während er die Tastatur des Computers näher zu sich schob, „Sie kriegen natürlich nur ein Honorar, wenn Sie für eine Sendung arbeiten.“ Tippen.

      „Neben dem Honorar gibt es im dritten Stock hier ein größeres Büro mit einigen Arbeitsplätzen für freie Mitarbeiter, das von einer Sekretärin betreut wird.“ Er wandte sich kurz zu Möhre:

      „Dort können Sie ungestört arbeiten.“ Tippen.

      „Mit diesem Arbeitsplatz ist auch eine Pauschale für private Telefongespräche verbunden.“ Tippen.

      „Dann gibt es eine Pauschale für Besuche von Lokalen. Wissen Sie, Sie müssen sich ja auf dem Laufenden halten und daher gehört es zur Ausstattung dieses Arbeitsplatzes, dass Sie einschlägige Lokale besuchen, um sich neue Ideen zu holen.“ Tippen.

      „Ebenso können Sie Dienstreisen abrechnen, wenn Sie Recherchen in Hamburg auf der Reeperbahn machen oder in Berlin.“ Tippen.

      „Dann können Sie unseren Fuhrpark benutzen. Wenn Sie ein Auto brauchen, dann melden Sie das an.“ Tippen.

      „Sie kriegen ebenso Freikarten für alle Veranstaltungen der Sender bzw. für Veranstaltungen, an denen die Sender beteiligt sind, wie Medien-Preisverleihungen und so weiter.“ Tippen.

      „Sie erhalten einen Ausweis, der Sie berechtigt, Studios und Produktionsräume der Sender zu betreten, selbstverständlich auch die Kantinen.“ Tippen.

      „Über die Inanspruchnahme von Sonderurlaub und anderen freien Tagen sowie Überstundenvergütung erhalten Sie auf einer dem Vertrag beiliegenden Anlage Auskunft.“ Tippen.

      „Wenn Sie Wert darauf legen, können wir Sie in die ‚Liste zum Frühstück mit dem Geschäftsführer‘ aufnehmen. Sollte sonst noch etwas sein, können wir über alles reden“. Der junge Mann hatte offenbar den Befehl zum Drucken gegeben, denn der Drucker ratterte nun leise und gab ein paar Blätter aus.

      Herr Möhre hatte in den letzten Minuten, wo jener Wolf Müller den Computer bedient und gesprochen hatte, die Gelegenheit genutzt, durch eine Metamorphose zu gehen. Erst hatte sich sein zusammen gesunkener Körper aufgerichtet, dann hatten sich seine Muskeln gestrafft, er würde nun schlanker und größer wirken, dann hatte er seine Vergangenheit abgestreift: Nie mehr billige Hotels und nie mehr noch billigere Studios, und als Wolf Müller beim Ausweis angelangt war, war Herr Möhre nur noch dynamische Gegenwart mit noch dynamischerer Zukunft. Selbstverständlich würde er den Vertrag unterschreiben. Aber nur, wenn die Zahlen stimmten. Er würde das kurz überschlagen und mit seinem Rechtsanwalt bereden, ob er sich nicht noch – im Falle, er würde doch aussteigen wollen – eine Summe als Abfindung ausbedingen sollte, vielleicht ein Jahresgehalt oder ähnlich. Man hatte ihm ja das Reden angeboten, und er würde das zu nutzen verstehen. Er dachte nun nicht mehr daran, dass es Schwachsinn gewesen war, sich zu öffnen. Nein, er hatte sehr viel eher Realitätssinn bewiesen.

      Als ihn Wolf Müller zum Schluss fragte, was ihn am meisten überzeugt hätte, nun doch weiter zu machen, da sagte er, dass es das Angebot gewesen wäre, mit dem Geschäftsführer zu frühstücken. Da lachte Wolf Müller und sagte:

      „Ja, das überzeugt die meisten.“

      2 Zwischenspiel: Kölle

      Ich war - wie Herr Möhre – nach meinem Umzug von Mainz nach Kölle auch auf der Suche nach einem Job bzw. nach Jobs als freie Mitarbeiterin mit Beiträgen für den Hörfunk, Vorschlägen für TV-Sendungen oder Assistenz und andererseits für Leerzeiten als Komparse und Statist bei Film und Theater. Da war ich in Kölle am Rhing durchaus richtig mit seinen vielfältigen Möglichkeiten, dem R-Sender, mehreren Privatsendern im Funk- und TV-Bereich sowie großen Hallen für Talk- und Spielshows im Umland, und Filmproduktionsstätten vor allem in Hirtentornister, einem südlichen Vorort. Diese Konstellation versprach beruflich eine längere Verweildauer für mich zu werden und sollte mir privat auch Chancen bieten können.

      An der Casting-Agentur Rhing-Gold kam man vor allem im Anfangsstadium eigentlich nicht vorbei. Ich war dort schon im Vorfeld aktiv geworden, wo mich eine Kollegin von dem eben vorgestellten Herrn Wolf, eine Frau Kratzfuß, übernommen hatte. Leider war ihr Name Programm für mich, denn Leute wie ich müssen ständig antichambrieren. Sie schien aber durchaus für mich ein positiver Faktor zu werden, denn sie hatte mir gleich die ersten Anlaufstellen diktiert und Tipps mit Hintergrundinformationen gegeben, so z.B. zu dem privaten ‚Radio Kardinal‘, der mein bevorzugter Arbeitgeber werden sollte. Der ‚Kardinal‘ war der größte Radiosender am Ort und von einem Chefredakteur geleitet, der ständig durch die Flure schlich und sich überall einmischte.

      Frau Kratzfuß, auch mit Kontakten zur Wohnungswirtschaft, hatte mir sogar die Adresse einer Wohnungsgesellschaft genannt, über die ich – allen Unkenrufen wegen Wohnungsmangel zum Trotz - relativ unproblematisch eine Souterrain-Wohnung in einer Wohnanlage auf der sogenannten ‚Schäl Sick‘ der Stadt mieten konnte. Dort angekommen, war ich überrascht, die Häuserblocks auf grünen Rasenflächen mit altem Baumbestand vorzufinden. In dem Haus, wo sich meine Mietwohnung befand, lagen ungewöhnlicherweise vor jeder Wohnungstür in den langen Gängen mindestens zehn Paar Schuhe. Na, dachte ich, das Reinigungspersonal freut sich sicher, oder es putzt einfach rund. Ich aber war fürs erste zufrieden, denn es kam in dieser neuen Stadt viel Kennenlernarbeit auf mich zu, auf die ich mich fokussieren musste.

      Meinen ersten Einsatz hatte ich beim ‚Kardinal‘. Gleich nach meiner

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