Der falsche Tote. Carlo Fehn

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Der falsche Tote - Carlo Fehn

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der Schneider und der Behrschmidt wollte es sich noch überlegen.«

      »Oh Gott, der auch?«

      Pytlik hatte ja grundsätzlich nichts gegen den Chef der Kronacher Dienststelle einzuwenden, aber in diesem Fall würde er ihm lieber einen angenehmen Sonntagabend zuhause gönnen.

      »Mach dir mal keine Gedanken, Franz! Bei dem kommt doch am Schluss wieder etwas dazwischen. Das war bisher immer so.«

      »Stimmt auch wieder. Na, egal, der macht das Kraut auch nicht mehr fett.«

      Pytlik war vom vielen Erzählen schon etwas müde geworden, Adelgunde Reif schien völlig vergessen zu haben, dass ihr Arbeitsplatz eigentlich im Büro gegenüber war. Beide saßen nun stumm wie Fische da und hatten Daumen und Zeigefinger an ihren Kaffeetassen.

      »Irgendwie ist das heute komisch«, brach Adelgunde Reif die Stille.

      »Was meinst du?«

      »Ich weiß auch nicht. Liegt das am Wetter? Am liebsten würde ich jetzt gar nichts mehr tun und nach Hause gehen.«

      Pytlik schaute aus dem Fenster und dann wieder zu seiner Sekretärin.

      »Hast du denn noch viel zu tun?«

      »Eigentlich…«

      »Du hast doch noch so viele Überstunden. Mach dir einen schönen Nachmittag!«

      »Meinst du?«

      »Meine ich!«

      »Und du?«

      Pytlik lehnte sich in seinen Stuhl zurück, legte die Füße auf den Schreibtisch und hielt das Blatt Papier mit dem Text vor seine Nase.

      »Ich werde jetzt endlich mal in aller Ruhe versuchen, mir diesen unendlich langen Text zu merken, damit ich heute Abend bei der Generalprobe nicht negativ auffallen werde.«

      Während er das sagte, schaute er schmunzelnd zu Gundi Reif, die im gleichen Augenblick aufstand und ihm mit einem strahlenden Gesichtsausdruck und überbetont freundlich noch einen schönen Nachmittag wünschte.

      »Schönes Wochenende!«

      »Danke, dir auch!«

      »Bis Sonntagabend! Ich freue mich schon.«

      Adelgunde Reif hatte noch nicht richtig die Tür hinter sich zugezogen, da klingelte Pytliks Telefon. Die Nummer auf dem Display war ihm unbekannt. Er überlegte nicht lange und hob ab.

      »Polizei Kronach, Hauptkommissar Pytlik am Apparat.«

      Nachdem Pytlik die Stimme am anderen Ende der Leitung gehört hatte, schoss er wie von einer Tarantel gestochen hoch, saß aufrecht in seinem Stuhl und merkte, wie ihm plötzlich ganz warm wurde.

      »Lisa! Was für eine, äh, ich meine, was für eine Überraschung!«

      ***

      Nach dem Telefonat hatte auch Pytlik beschlossen, diesen Arbeitstag etwas eher zu beenden. Ohne, dass er jemals damit gerechnet hätte, hatte sich die ehemalige Mitwitzer Staatsanwältin Lisa Strehmel bei ihm gemeldet. Nachdem er mit ihr jahrelang zusammengearbeitet hatte, beide eine Affäre hatten und sie ihm einmal sogar das Leben rettete, war sie im Jahr vorher aus Kronach weggegangen und hatte einen Job im Allgäu angenommen. Pytlik hatte es immer als Flucht interpretiert. Seitdem hatten sie sich weder gesehen noch voneinander gehört. Und so sehr er sich auch gefreut hatte, ihre Stimme an seinem Ohr zu haben, so sehr hatte es ihn gleich wieder aufgewühlt und die alte Wunde aufgerissen. Sie hatte den Eindruck gemacht, glücklich zu sein und in ihrem Job aufzugehen. Nach anderen Dingen hatte Pytlik – so gerne er es auch getan hätte – nicht gefragt. Es ging ihn ja auch eigentlich nichts an. Nur ein bisschen aufgewühlt hatte es ihn eben. Auf seinem Weg mit dem Fahrrad nach Hause hatte er deswegen kurzfristig beschlossen, im Bistro auf dem Gelände der Landesgartenschau bei einem kühlen Bierchen über diese vergebene Chance noch ein bisschen nachzudenken.

      ***

      Jeder weitere Schluck ließ Pytliks Schwermut etwas leichter werden, jede Minute mehr, die die Sonnenstrahlen auf sein Gesicht trafen, ließ ihn um sich herum alles mehr vergessen – ja sogar fast, dass er heute Abend noch diesen Termin in Stockheim hatte.

      »Mist«, zischte er leise vor sich hin, als er nach einem kurzen Dösen im Strandkorb erwachte und auf seine Armbanduhr blickte.

      »Ich möchte gerne zahlen bitte!«, rief er die Bedienung zu sich, um die Rechnung zu begleichen. Hatte nicht Ralf Wich etwas von 30 Minuten eher gesagt? Pytlik schaute noch mal auf seine Uhr.

      »Verdammt!«

      Kurz nach fünf! Eine knappe Stunde blieb ihm, um geduscht, motiviert und einigermaßen textsicher auf der Bühne zu stehen.

      ***

      Pytlik hatte sich um kurz vor sechs auf den Weg nach Stockheim gemacht. Nachdem er in Haßlach die scharfe Rechtskurve genommen hatte, konnte er nach wenigen hundert Metern links im Industriegebiet schon das in grelle Farben getauchte Firmengebäude von Werner Schuster sehen – WESCHU war in großen Lettern zu lesen. Irgendwie empfand er es so wie früher, wenn man in die Schule gegangen ist und auf dem Schulhof das Auto des Lehrers sah, den man am wenigsten mochte. Ja, dieser Werner Schuster, wirklich ein Mensch, der nicht einmal sehr polarisierte. Es gab nicht welche, die ihn entweder mochten oder nicht mochten, sondern eigentlich nur Menschen, die ihn nicht mochten. Das lag aber weniger daran, dass er sehr erfolgreich ein Unternehmen für Karnevals- und Ramschartikel leitete, sondern ganz einfach an seiner arroganten und überheblichen Art. Pytlik hatte Werner Schuster – genau wie alle anderen Schauspieler, die mit seinem Kollegen Ralf Wich der Laienschauspielgruppe Stockheim angehörten – vorher noch nicht gekannt. Schon nach den ersten Zusammenkünften war dem Hauptkommissar allerdings aufgefallen, dass dem Unternehmer Schuster Menschenführung – was auch immer er darunter verstand – und das Erteilen von Befehlen anscheinend in die Wiege gelegt worden waren. Warum sich ein Mann wie er, der vor Geld regelrecht stank und der sicherlich noch andere Hobbys hatte, als sich die Abende mit Schauspielerei um die Ohren zu schlagen, genau dafür interessierte, hatte Pytlik bisher nicht richtig verstanden. Vielleicht würde er es noch herausfinden. Eine Generalprobe und vier Aufführungen lang hätte er ja noch Zeit.

      Pytlik stellte sein Fahrzeug auf dem Parkplatz des Gasthofes »Zum Maxschacht« ab. Bevor er den Schlüssel abzog und noch ein letztes Mal auf das Manuskript auf dem Beifahrersitz schaute, fiel sein Blick auf die Cockpitanzeige: Fünf nach sechs! Pytlik war zufrieden und dachte, dass man seinen Eifer sicherlich auch dankend anerkennen würde. Nachdem er sein Auto verlassen hatte, stellte er fest, dass der Parkplatz ziemlich gut gefüllt war und wegen des Dankes für seinen Eifer war er sich plötzlich nicht mehr so sicher.

      Der Hauptkommissar betrat den imposanten Gasthof, dessen große Gaststube nicht nur sehr einladend wirkte, sondern der schon nach kurzen Augenblicken den Eindruck eines kleinen, feinen Museums der Geschichte des Steinkohlebergbaus im Haßlachtal vermittelte. Hier wurde die Vergangenheit nicht nur gepflegt, sondern auch gelebt.

      »Servus, Franz!«, wurde der Kronacher Ermittler vom Inhaber des Gasthofs, Anton Hofer – oder wie alle ihn nannten: Hofer Toni – freundlich begrüßt. Der hagere Mann in Bergmannskluft stand hinter seinem Tresen, trocknete ein Glas, sah Pytlik mit einem Lächeln an und deutete mit einer kurzen Kopfbewegung hinüber in den Gang, der in den großen Festsaal

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