Der Kampf mit dem Dämon. Stefan Zweig

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Der Kampf mit dem Dämon - Stefan Zweig

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schon grell und gefährlich über den Lidern der Blitz des Dämons, dem seine Seele verfallen ist. Schließlich ermüdet auch in den Jahren der Vergessenheit die hohe Gestalt, sie beugt sich – furchtbares Symbol! – dem drückenden Haupte nachsinkend vornüber, und wie dann fünfzig Jahre später, ein halbes Jahrhundert nach dem Jünglingsbilde, eine Bleistiftzeichnung den »in himmlische Gefangenschaft Verkauften« zum erstenmal wieder sinnlich zeigt, sehen wir erschüttert jenen Hölderlin von einst als hageren zahnlosen Greis, der am Stocke vorwärts tappt und mit feierlich erhobener Hand Verse ins Leere, in eine fühllose Welt spricht. Nur das natürliche Ebenmaß der Züge spottet der inneren Zerstörung, und die Stirne bleibt noch im Sturze des Geistes gewölbt: wie eine Statue blank unter dem Dickicht des grauverwirrten Haares hält sie eine ewige Reinheit unverstellt dem erschütterten Blicke entgegen. Schaudernd schauen die seltenen Besucher auf die gespenstische Larve Scardanellis und suchen vergebens in ihr den Künder des Schicksals zu erkennen, der die Schönheit und gefährlichen Schauer der Mächte ehrfürchtig wie keiner verkündet. Aber der ist »ferne, nicht mehr dabei«. Nur der Schatten Hölderlins tappt noch im Dunkel vierzig Jahre über die Erde: der Dichter selbst ist weggetragen von den Göttern im Bildnis des ewigen Jünglings. Seine Schönheit strahlt rein bewahrt und alterslos in anderer Sphäre weiter: in dem unzerbrechlichen Spiegel seines Gesanges.

      Mission des Dichters

      An das Göttliche glauben

      Die allein, die es selber sind.

      Die Schule war für Hölderlin Kerker gewesen: voll Unruhe und doch voll leiser, ahnender Angst tritt er nun der Welt, der ihm ewig fremden, entgegen. Was an äußerer Wissenschaft zu lehren war, hat er im Tübinger Stift empfangen, er bemeistert vollkommen die alten Sprachen, Hebräisch, Griechisch, Latein; mit Hegel und Schelling, den Stubengenossen, hat er emsig Philosophie getrieben, und durch Siegel und Brief wird ihm außerdem bezeugt, daß er im Theologischen nicht müßig gewesen, daß er »studia theologica magno cum successu tractavit. Orationem sacram recte elaboratam decenter recitavit«. Er kann also schon gut protestantisch predigen, und ein Vikariat mit Beffchen und Barett wären dem Studiosus gewiß. Der Wunsch der Mutter ist erfüllt, die Bahn steht offen zu bürgerlichem oder geistlichem Beruf, zu Kanzel oder Katheder.

      Aber Hölderlins Herz fragt von der ersten Stunde an niemals nach einem weltlichen oder geistlichen Berufe: er weiß nur von seiner Berufung, von seiner Mission höherer Verkündung. In der Schulstube schon hat er – »literarum elegantiarum assiduus cultor«, wie das Zeugnis barock floskelt – Gedichte geschrieben, elegisch-nachahmende zuerst, dann feurig dem Klopstockschen Schwunge nachtastende und schließlich jene »Hymnen an die Ideale der Menschheit« in Schillers rauschendem Rhythmus. Ein Roman »Hyperion« ist begonnen: von der ersten Stunde wendet der Schwärmer entschlossen das Steuer seines Lebens dem Unendlichen zu, dem unerreichbaren Strande, an dem es zerschellen soll. Nichts kann ihn beirren, diesem unsichtbaren Ruf mit selbstzerstörender Treue zu folgen.

      Von vornherein lehnt Hölderlin jedes Kompromiß des Berufes, jede Berührung mit der Vulgarität eines praktischen Erwerbs ab, er weigert sich, »in Unwürdigkeit zu vergehen«, zwischen die Prosaik einer bürgerlichen Stellung und die Erhobenheit des innern Berufes irgendeine noch so schmale Brücke zu bauen:

       Beruf ist mirs,

       Zu rühmen Höhers, darum gab die

       Sprache der Gott und den Dank ins Herz mir

      verkündet er stolz. Er will rein bleiben im Willen und geschlossen in seiner Wesensform. Er will nicht die »zerstörende« Wirklichkeit, sondern sucht ewig die reine Welt, sucht mit Shelley

       some world

       Where music and moonlight and feeling

       Are one

      wo nicht Kompromisse nötig sind und Vermengungen mit dem Niedrigen, wo der Geist rein im reinen, ungemischten Element sich behaupten darf. In dieser fanatischen Unerschütterlichkeit, in dieser großartigen Inkonzilianz gegenüber der realen Existenz offenbart sich, stärker als in jedem einzelnen Gedicht, Hölderlins herrlicher Heroismus: er weiß von allem Anbeginn, daß er mit solchem Anspruch auf jede Sicherung, auf Haus und Heim, auf alle Bürgerlichkeit verzichtet, er weiß, daß es leicht wäre, »glücklich zu sein mit seichtem Herzen«, er weiß, daß er ewig »ein Laie in der Freude bleiben muß«. Aber er will sein Leben nicht als ein braves Geborgensein, sondern als ein dichterisches Schicksal: starr den Blick nach oben gerichtet, unbeugsam die Seele im dürftigen Leibe, entbehrungsvoll den Leib im ärmlichen Gewand tritt er vor den unsichtbaren Altar, dem er Priester wird und Opfer zugleich.

      Dieser Wille, nur an das Ganze des Lebens mit ganzer Seele sich hinzugeben, ist Hölderlins, ist dieses zarten, demütigen Jünglings wahrste und wirksamste Kraft. Er weiß, daß Dichtung nicht mit einem Teil, einem abgelösten und flüchtigen des Herzens und des Geistes, das Unendliche erreicht werden kann: wer das Göttliche verkünden will, muß sich ihm weihen, muß sich ihm opfern. Hölderlins Auffassung von der Poesie ist eine sakrale: der Wahre, der Berufene muß alles darbringen, was die Erde den andern zuteilt, für die Gnade, dem Göttlichen nahe sein zu dürfen, er muß, der Diener der Elemente, selbst unter ihnen wohnen in der heiligen Ungewißheit und der läuternden Gefahr. Von erster Stunde erfaßt Hölderlins Sinn die Notwendigkeit des Unbedingten: noch ehe er das Stift verläßt, ist er entschlossen, nicht Pfarrer zu werden, niemals dauernd an irdische Existenz sich zu binden, sondern einzig »Hüter der heiligen Flamme« zu sein. Er weiß nicht den Weg, aber er kennt sein Ziel. Und aller Fährlichkeiten seiner Lebensschwäche mit wunderbarer Stärke des Geistes bewußt, ruft er sich selbst seligsten Trost zu:

       Sind denn dir nicht verwandt alle Lebendigen,

       Nährt die Parze denn nicht selber im Dienste dich?

       Drum, so wandle nur wehrlos

       Fort durchs Leben, und fürchte nichts!

       Was geschiehet, es sei alles gesegnet dir.

      Und so tritt er entschlossen unter den Himmel seines Schicksals.

      Aus dieser Entschlossenheit zur reinen Selbstbewahrung wächst Hölderlins selbstgewolltes Schicksal und Verhängnis. Tragik und innere Lebensnot wird ihm aber dadurch frühzeitig zugeteilt, daß er diesen heroischen Kampf zunächst nicht gegen die Gegenwelt seines Hasses, gegen die brutale Welt also, durchkämpfen muß, sondern – dem Fühlenden furchtbarste Herzensnot – gerade gegen seine liebsten und die ihn am meisten liebenden Menschen. Die wahren Widerparte seines heroischen Willens im Kampf um das Leben als Dichtung sind die zärtlich ihn liebende, die zärtlich geliebte Familie, Mutter und Großmutter, seine nächsten Menschen, die er in ihren Gefühlen nicht verwunden mag und doch früher oder später schmerzhaft zu enttäuschen genötigt ist: wie immer hat das Heldenhafte eines Menschen keinen gefährlicheren Widersacher als gerade die zärtlich Wohlmeinenden, die innig Gutmütigen, die alle Spannung gütlich beschwichtigen wollen und das »heilige Feuer« mit sorglichem Atem niederdrücken zur häuslichen Herdflamme. Und dies ist nun herrlich rührend zu sehen, wie – fortiter in re, suaviter in modo – unerschütterlich im Tiefsten und doch sanft in den Formen, dieser Demütige seine geliebten Menschen ein ganzes Jahrzehnt lang mit Ausflüchten hinhält, sie tröstet und sich dankbar entschuldigt, daß er ihren liebsten Wunsch – Pfarrer zu werden – nicht erfüllt. Ein unbeschreibliches Heldentum des Schweigens und des Schonens ist in diesem unsichtbaren Kampf, denn was ihn zutiefst beseelt und stählt, seine dichterische Berufung, hält Hölderlin keusch, ja schüchtern verborgen. Er spricht von seinen Versen immer nur als von »poetischen Versuchen«, und das Äußerste,

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