Jenseits von Gut und Böse: Zur Genealogie der Moral. Friedrich Nietzsche

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Jenseits von Gut und Böse: Zur Genealogie der Moral - Friedrich Nietzsche

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      105. Dem freien Geiste, dem »Frommen der Erkenntniss« – geht die pia fraus noch mehr wider den Geschmack (wider seine »Frömmigkeit«) als die impia fraus. Daher sein tiefer Unverstand gegen die Kirche, wie er zum Typus »freier Geist« gehört, – als seine Unfreiheit.

      106. Vermöge der Musik geniessen sich die Leidenschaften selbst.

      107. Wenn der Entschluss einmal gefasst ist, das Ohr auch für den besten Gegengrund zu schliessen: Zeichen des starken Charakters. Also ein gelegentlicher Wille zur Dummheit.

      108. Es giebt gar keine moralischen Phänomene, sondern nur eine moralische Ausdeutung von Phänomenen...

      109. Der Verbrecher ist häufig genug seiner That nicht gewachsen: er verkleinert und verleumdet sie.

      110. Die Advokaten eines Verbrechers sind selten Artisten genug, um das schöne Schreckliche der That zu Gunsten ihres Thäters zu wenden.

      111. Unsre Eitelkeit ist gerade dann am schwersten zu verletzen, wenn eben unser Stolz verletzt wurde.

      112. Wer sich zum Schauen und nicht zum Glauben vorherbestimmt fühlt, dem sind alle Gläubigen zu lärmend und zudringlich: er erwehrt sich ihrer.

      113. »Du willst ihn für dich einnehmen? So stelle dich vor ihm verlegen –«

      114. Die ungeheure Erwartung in Betreff der Geschlechtsliebe, und die Scham in dieser Erwartung, verdirbt den Frauen von vornherein alle Perspektiven.

      115. Wo nicht Liebe oder Hass mitspielt, spielt das Weib mittelmässig.

      116. Die grossen Epochen unsres Lebens liegen dort, wo wir den Muth gewinnen, unser Böses als unser Bestes umzutaufen.

      117. Der Wille, einen Affekt zu überwinden, ist zuletzt doch nur der Wille eines anderen oder mehrer anderer Affekte.

      118. Es giebt eine Unschuld der Bewunderung: Der hat sie, dem es noch nicht in den Sinn gekommen ist, auch er könne einmal bewundert werden.

      119. Der Ekel vor dem Schmutze kann so gross sein, dass er uns hindert, uns zu reinigen, – uns zu »rechtfertigen«.

      120. Die Sinnlichkeit übereilt oft das Wachsthum der Liebe, so dass die Wurzel schwach bleibt und leicht auszureissen ist.

      121. Es ist eine Feinheit, dass Gott griechisch lernte, als er Schriftsteller werden wollte – und dass er es nicht besser lernte.

      122. Sich über ein Lob freuen ist bei Manchem nur eine Höflichkeit des Herzens – und gerade das Gegenstück einer Eitelkeit des Geistes.

      123. Auch das Concubinat ist corrumpirt worden: – durch die Ehe.

      124. Wer auf dem Scheiterhaufen noch frohlockt, triumphirt nicht über den Schmerz, sondern darüber, keinen Schmerz zu fühlen, wo er ihn erwartete. Ein Gleichniss.

      125. Wenn wir über Jemanden umlernen müssen, so rechnen wir ihm die Unbequemlichkeit hart an, die er uns damit macht.

      126. Ein Volk ist der Umschweif der Natur, um zu sechs, sieben grossen Männern zu kommen. – Ja: und um dann um sie herum zu kommen.

      127. Allen rechten Frauen geht Wissenschaft wider die Scham. Es ist ihnen dabei zu Muthe, als ob man damit ihnen unter die Haut, – schlimmer noch! unter Kleid und Putz gucken wolle.

      128. Je abstrakter die Wahrheit ist, die du lehren willst, um so mehr musst du noch die Sinne zu ihr verführen.

      129. Der Teufel hat die weitesten Perspektiven für Gott, deshalb hält er sich von ihm so fern: – der Teufel nämlich als der älteste Freund der Erkenntniss.

      130. Was jemand ist, fängt an, sich zu verrathen, wenn sein Talent nachlässt, – wenn er aufhört, zu zeigen, was er kann. Das Talent ist auch ein Putz; ein Putz ist auch ein Versteck.

      131. Die Geschlechter täuschen sich über einander: das macht, sie ehren und lieben im Grunde nur sich selbst (oder ihr eigenes ideal, um es gefälliger auszudrücken –). So will der Mann das Weib friedlich, – aber gerade das Weib ist wesentlich unfriedlich, gleich der Katze, so gut es sich auch auf den Anschein des Friedens eingeübt hat.

      132. Man wird am besten für seine Tugenden bestraft.

      133. Wer den Weg zu seinem Ideale nicht zu finden weiss, lebt leichtsinniger und frecher, als der Mensch ohne Ideal.

      134. Von den Sinnen her kommt erst alle Glaubwürdigkeit, alles gute Gewissen, aller Augenschein der Wahrheit.

      135. Der Pharisäismus ist nicht eine Entartung am guten Menschen: ein gutes Stück davon ist vielmehr die Bedingung von allem Gut-sein.

      136. Der Eine sucht einen Geburtshelfer für seine Gedanken, der Andre Einen, dem er helfen kann: so entsteht ein gutes Gespräch.

      137. Im Verkehre mit Gelehrten und Künstlern verrechnet man sich leicht in umgekehrter Richtung: man findet hinter einem merkwürdigen Gelehrten nicht selten einen mittelmässigen Menschen, und hinter einem mittelmässigen Künstler sogar oft – einen sehr merkwürdigen Menschen.

      138. Wir machen es auch im Wachen wie im Traume: wir erfinden und erdichten erst den Menschen, mit dem wir verkehren – und vergessen es sofort.

      139. In der Rache und in der Liebe ist das Weib barbarischer, als der Mann.

      140. Rath als Räthsel. – »Soll das Band nicht reissen, – musst du erst drauf beissen.«

      141. Der Unterleib ist der Grund dafür, dass der Mensch sich nicht so leicht für einen Gott hält.

      142. Das züchtigste Wort, das ich gehört habe: »Dans le véritable amour c'est l'âme, qui enveloppe le corps.«

      143. Was wir am besten thun, von dem möchte unsre Eitelkeit, dass es grade als Das gelte, was uns am schwersten werde. Zum Ursprung mancher Moral.

      144. Wenn ein Weib gelehrte Neigungen hat, so ist gewöhnlich Etwas an ihrer Geschlechtlichkeit nicht in Ordnung. Schon Unfruchtbarkeit disponirt zu einer gewissen Männlichkeit des Geschmacks; der Mann ist nämlich, mit Verlaub, »das unfruchtbare Thier«.

      145. Mann und Weib im Ganzen verglichen, darf man sagen: das Weib hätte nicht das Genie des Putzes, wenn es nicht den Instinkt der zweiten Rolle hätte.

      146. Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehn, dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.

      147. Aus alten florentinischen Novellen, überdies – aus dem Leben: buona femmina e mala femmina vuol bastone. Sacchetti Nov. 86.

      148. Den Nächsten zu einer guten Meinung verführen und hinterdrein an diese Meinung des Nächsten gläubig glauben: wer thut es in diesem Kunststück den Weibern gleich?

      149. Was eine Zeit als böse empfindet, ist gewöhnlich ein unzeitgemässer Nachschlag dessen, was ehemals als gut empfunden wurde, – der Atavismus eines älteren Ideals.

      150. Um den Helden herum wird Alles zur Tragödie, um den Halbgott herum Alles zum Satyrspiel; und um Gott herum wird Alles – wie? vielleicht zur »Welt«?

      151.

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