Your Man. Sarah Glicker
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Mir ist bewusst, dass sie sich nur unterhalten und mehr über mich erfahren will und sich deswegen darüber informiert, beziehungsweise mich ausfragt. Dennoch ist es kein Thema, über das ich mich unterhalten will. Und das vor allem aus dem Grund, weil ich keine Ahnung habe, was ich gerade darauf von mir geben soll. Unter anderem auch deswegen, weil es nicht leicht ist, das einer außenstehenden Person zu erklären.
Unsere Geschäfte sind kompliziert und definitiv nicht ungefährlich. Daher ist es besser, wenn so wenig wie möglich darüber Bescheid wissen.
„Meine Familie hat in vielen Bereichen ihre Hände drin“, gebe ich als nur von mir und zucke mit den Schultern. Gleichzeitig hoffe ich, dass sie es einfach so stehen lässt.
Irgendwann werde ich ihr vielleicht die Wahrheit sagen, doch das hier ist definitiv nicht der geeignete Zeitpunkt dafür.
Neugierig betrachtet sie mich einige Sekunden.
„Also ungefähr so wie mein Vater. Manchmal glaube ich, dass er selber nicht mehr weiß, was er eigentlich alles macht“, gibt sie lachend zurück. „Auf jeden Fall habe ich keine Ahnung.“
Da ich die Befürchtung habe, dass sie weiter nachfragt, gehe ich nicht näher darauf ein. Stattdessen fahre ich zum Strand, wo ich einen freien Parkplatz suche. Dabei muss ich aber zugeben, dass sie mein Interesse geweckt hat.
Nachdem ich den Wagen abgeschlossen habe, gehen wir gemeinsam den Weg hinunter, bis wir das Wasser erreicht haben. Hand in Hand laufen wir durch den Sand, wobei Natalie ihre Schuhe auszieht, damit sie diese nicht verliert. Dabei unterhalten wir uns über alles Mögliche. Natalie berichtet mir, wie ihr Tag auf dem College war und ich erzähle ihr mehr über meine Familie.
Neugierig hört sie mir zu und stellt dabei viele Fragen, vor allem, was Rachel und Laura angeht.
„Hast du keine Geschwister?“, frage ich sie nun.
„Ich hatte einen Bruder“, murmelt sie vor sich hin.
Von einer Sekunde auf die andere macht sie den Eindruck auf mich, als wäre sie traurig. Sie scheint sich in ihrer eigenen Welt zu befinden. Doch ich kann es nicht genau einordnen. Bevor ich allerdings weiter fragen kann, fährt sie fort.
„Er ist vor ungefähr einem Jahr bei einem Unfall gestorben. Er ist bei rot über eine Ampel mit dem Motorrad gefahren. Ich habe keine Ahnung, wieso er das getan hat. Ich kann es nicht einmal ansatzweise sagen. Der LKW konnte nicht mehr ausweichen und hat ihn erwischt. Er war auf der Stelle tot.“
Einige Sekunden sieht sie an mir vorbei. Ich spüre, dass sie sich in ihren eigenen Gedanken befindet und gebe ihr die Zeit, die sie gerade braucht, um sich wieder zu fangen.
Schließlich konzentriert sie sich jedoch wieder auf mich.
„Vor allem für meinen Vater war es hart. Mein Bruder sollte irgendwann die Firmen übernehmen. Ich hingegen war nur froh, dass er nicht noch leiden musste.“
Sie zuckt mit den Schultern. Auf diese Weise will sie mir zeigen, dass sie sich damit abgefunden hat, was passiert ist. Doch der verlorene Blick spricht eine andere Sprache.
In mir macht sich die Vermutung breit, dass sie ihm nahestand. In diesem Fall ist so ein Unfall noch schwieriger zu verkraften.
Daher ziehe ich sie an mich, schließe sie fest in meine Arme und drücke ihr einen Kuss auf die Haare.
Einige Minuten bleiben wir so stehen. Keiner von uns sagt ein Wort. Als ich meinen Blick jedoch auf unsere Umgebung richte, erkenne ich in einiger Entfernung ein kleines Restaurant.
„Ich glaube, wir sollten etwas essen“, verkünde ich. Auf diese Weise versuche ich sie abzulenken und hoffe, dass sie mir diese Chance gibt.
Einen Moment scheint sie darüber nachzudenken, doch schließlich nickt sie und lässt sich von mir führen.
In den letzten Stunden sind wir uns eindeutig näher gekommen. Das kann man nicht von der Hand abweisen. Nicht nur, dass sie mir von dem Tod ihres Bruders erzählt hat, sondern auch körperlich. Während des Essens konnten wir kaum die Hände voneinander lassen.
Aber mir kam es so vor, als würde sie meine Berührungen und Zuwendungen eindeutig genießen. Daher habe ich auch keinen Grund gesehen, wieso ich damit hätte aufhören sollen. Hätte sie mir allerdings andere Signale gesendet, hätte ich das sofort gemacht.
Als wir mitten in der Nacht wieder vor dem Haus ihrer Eltern stehen bleiben, muss ich zugeben, dass es mir ein wenig schwerfällt, mich von ihr zu trennen. Ich will mehr Zeit mit ihr verbringen, sie besser kennenlernen. Ich will die Chance haben zu erfahren, wieso ich mich bei ihr so fühle.
„Sehen wir uns bald wieder?“, fragt sie mich, nachdem sie sich zu mir gedreht hat.
„Das hoffe ich doch“, entgegne ich schnell und ohne zu Zögern, da es die Wahrheit ist.
Ohne darüber nachzudenken, ob ich damit nun doch irgendeine Grenze überschreite, lehne ich mich zu ihr, nehme ihr Gesicht in meine Hände und küsse sie leidenschaftlich.
Im ersten Moment spannt sie sich an. Doch genauso schnell erwidert sie den Kuss.
Ich lasse meine Zunge in ihren Mund gleiten und spiele mit ihrer. Dieser Kuss dauert lange, doch ich genieße jede einzelne Sekunde davon.
Auf diese Weise gebe ich ihr zu verstehen, dass ich sie nicht einfach gehen lassen werde. Nein, irgendetwas ist da zwischen uns. Das habe ich heute Vormittag schon eindeutig gemerkt. Und jetzt will ich auch wissen, was das ist.
Mit einem sanften Lächeln im Gesicht sieht sie mich an und lässt ihre Stirn gegen meine sinken.
„Gute Nacht“, flüstert Natalie und steigt aus, bevor ich noch etwas erwidern kann.
Ich sehe ihr nach, bis sie im Inneren des Hauses verschwunden ist. Erst dann mache ich mich auf den Heimweg.
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