Bel-Ami. Guy de Maupassant
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Читать онлайн книгу Bel-Ami - Guy de Maupassant страница 14
Dann stießen sie zwei Polstertüren auf und kamen zum Direktor.
Die wichtige Konferenz, die schon eine Stunde dauerte, bestand in einer Partie Écarté mit einigen Herren, die Duroy gestern wegen ihrer flachen Zylinderhüte aufgefallen waren.
Herr Walter spielte mit angespannter Aufmerksamkeit und vorsichtigen, abgemessenen Bewegungen, während sein Gegner die leichten, bunten Blätter mit Gewandtheit, Geschicklichkeit und Anmut eines geübten Spielers nahm, ausspielte und durch seine Finger gleiten ließ. Norbert de Varenne saß im großen Lehnstuhl des Direktors und schrieb einen Artikel, Jaques Rival lag mit geschlossenen Augen lang ausgestreckt auf einem Sofa und rauchte eine Zigarre.
Es roch hier in dem abgeschlossenen Zimmer nach dem Leder der Möbel, nach altem Tabak und nach Druckerschwärze. Man spürte den eigenartigen Duft der Redaktionszimmer, der jedem Journalisten bekannt ist.
Auf dem schwarzen, kupferbeschlagenen Tisch lag ein gewaltiger Papierhaufen, Briefe, Karten, Zeitungen, Rechnungen der Lieferanten, Drucksachen aller Art. Forestier schüttelte den Wettenden, die hinter den Spielern standen, die Hand und sah dann schweigend der Partie zu. Sobald Vater Walter gewonnen hatte, stellte er vor:
»Hier ist mein Freund Duroy.«
Der Chef warf über die Gläser seiner Brille einen raschen Blick auf den jungen Mann und fragte:
»Sie bringen mir meinen Artikel? Er kommt heute gerade recht zur Diskussion Morel.«
Duroy zog die zusammengefalteten Blätter aus der Tasche.
»Hier, Herr Walter.«
Der Chef schien entzückt und sagte lächelnd: »Sehr schön, sehr schön. Sie halten Wort. Sie müssen mir das wohl durchsehen, Forestier.«
»Das ist nicht notwendig, Herr Walter«, erwiderte schleunigst Forestier, »ich habe den Bericht mit ihm zusammen geschrieben, um ihm eine Anleitung zu geben. Der Artikel ist tadellos.«
Der Direktor erhielt eben die Karten von einem großen, mageren Herrn, einem Abgeordneten des linken Zentrums. Er fügte gleichgültig hinzu:
»Dann ist also alles in Ordnung.«
Noch ehe er die neue Partie beginnen konnte, beugte sich Forestier zu ihm hinab und sagte:
»Sie wissen, Sie haben mir zugesagt, Duroy an Stelle von Marambot zu engagieren. Soll ich unter denselben Bedingungen mit ihm abschließen?«
»Ja natürlich.«
Der Journalist nahm seinen Freund beim Arm und zog ihn fort, während Herr Walter weiterspielte.
Norbert de Varenne hatte nicht den Kopf erhoben; er schien Duroy nicht gesehen oder nicht wiedererkannt zu haben. Jaques Rival dagegen hatte ihm demonstrativ die Hand kräftig geschüttelt, um zu zeigen, daß. er ein guter Kamerad sei, auf den man sich, verlassen könne.
Sie gingen wieder durch das Wartezimmer. Alle blickten auf, und Forestier sagte zu der jungen Frau so laut, daß auch die anderen Wartenden es hören könnten:
»Der Direktor wird Sie sogleich empfangen. Er hat jetzt gerade eine Konferenz mit zwei Mitgliedern der Budgetkommission.«
Dann ging er rasch weiter mit wichtiger und eiliger Miene, als wollte er eine Depesche von äußerster Wichtigkeit redigieren.
Als sie wieder in dem großen Redaktionssaal anlangten, griff Forestier sofort wieder zu seinem Bilboquet, vertiefte sich in das Spiel und sagte zu Duroy, indem er zwischen den Worten die Treffer zählte:
»Also: du kommst jeden Tag um drei Uhr hierher und ich werde dir sagen, welche Gänge und Besuche du am Tage, am Abend und am nächsten Morgen machen mußt. — Eins. — Zunächst werde ich dir ein Empfehlungsschreiben für den ersten Bureauchef in der Polizeipräfektur geben. — Zwei. — Der wird dich zu einem seiner Beamten weisen. Mit ihm setzt du dich in Verbindung über alle wichtigen — drei — Polizeinachrichten, offiziell und halboffiziell. Verstanden? Wegen aller Einzelheiten wendest du dich an. Saint-Potin, der Bescheid weiß. — Vier. — Du wirst ihn gleich oder morgen kennenlernen. Vor allen Dingen kommt es darauf an, die Leute, die du besuchst, zum Reden zu bringen — fünf — und überall Zutritt zu finden trotz verschlossener Türen. — Sechs. — Dafür bekommst du ein monatliches Gehalt von zweihundert Francs, außerdem zwei Sous pro Zeile für alle Neuigkeiten, die du selbst entdeckt hast. — Sieben. — Ebenso zwei Sous pro Zeile für alle Artikel, die du über vermischte Nachrichten zu schreiben hast. — Acht.«
Dann kümmerte er sich nur noch um sein Spiel und fuhr langsam fort zu zählen. Neun — zehn — elf — zwölf — dreizehn. Den vierzehnten Wurf verfehlte er, und er begann zu fluchen: »Die verfluchte Dreizehn bringt mir immer Pech. Verdammt noch einmal, am 13. sterbe ich sicher.«
Einer der Redakteure, der mit seiner Arbeit fertig war, nahm jetzt ebenfalls ein Bilboquet aus dem Schrank. Es war ein winziger Mensch mit einem Kindergesicht, obgleich er schon 35 Jahre zählte. Mehrere andere Journalisten kamen auch herein und gingen einer nach dem andern zum Schrank, um das Spielzeug zu holen, das ihnen gehörte. Bald waren es sechs, die mit den Rücken gegen die Wand nebeneinander standen und mit der gleichen regelmäßigen Bewegung die je nach der Holzart roten, gelben und schwarzen Kugeln in die Luft warfen. Es begann ein Wettkampf, und die beiden anderen Redakteure, die noch arbeiteten, standen auch auf, um als Schiedsrichter die Treffer zu zählen. Forestier gewann mit 11 Points. Der kleine Mann mit dem Kindergesicht hatte verloren. Er klingelte und rief dem eintretenden Boten zu: »Neun Bier!«. Dann begannen sie wieder zu spielen, in Erwartung des erfrischenden Getränks.
Duroy trank ein Glas Bier mit seinen neuen Kollegen und dann fragte er seinen Freund:
»Was soll ich jetzt tun?«
»Heute habe ich nichts mehr für dich«, erwiderte der andere, »du kannst gehen, wenn du willst.«
»Und ... unser ... unser Artikel, wird er noch heute Abend gedruckt?«
»Ja, aber du brauchst dich darum nicht zu kümmern, ich werde die Korrektur lesen. Mache morgen den zweiten Artikel fertig und sei, wie heute, um drei Uhr hier.«
Duroy schüttelte allen die Hände, ohne die Namen der dazu gehörenden Personen zu kennen und stieg dann wieder mit frohem. Mute und leichtem Herzen die schöne Treppe hinab.
IV
Georges Duroy hatte schlecht geschlafen. Die Sehnsucht, seinen Artikel gedruckt zu sehen, gab ihm keine Ruhe. Schon bei Tagesanbruch stand er auf und ging in den Straßen herum, lange bevor die Zeitungsträger von einem Kiosk zum andern die großen Papierbündel herumtrugen. Dann ging er zum Bahnhof, denn er wußte, daß die Vie Française dort eher eintreffen würde als in seinem Viertel. Aber es war immer noch zu früh und wieder mußte er in den Straßen auf und ab wandern.
Er sah die Zeitungshändlerin ankommen und ihr Glashäuschen aufschließen, und dann bemerkte er auch einen Mann mit einem dicken Zeitungsbündel auf dem Kopf. Er stürzte darauflos; es war der »Figaro«, der »Gil Blas«, der »Gaulois«, das »Evénements« und noch ein paar andere Morgenblätter, aber die Vie Française war nicht dabei.
Da ergriff ihn eine Furcht: »Wenn man die ‘Erinnerungen eines afrikanischen Jägers’ auf den nächsten Tag verschoben hätte oder womöglich hätten sie im letzten Augenblick