Der verliebte Lehrer (Teil 1). Caroline Milf
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„Ja, bitte?“, fragte sie freundlich.
„Ich bin Henri von Bartenstein“, stellte sich der Mann vor.
„Oh, Herr von Bartenstein“, rief die Hausfrau. „Gerade haben wir von Ihnen gesprochen.“
„Tatsächlich?“
„Aber ja. Ich habe meiner Schwester am Telefon erzählt, dass der neue Lehrer bei mir wohnen wird. Wie in alten Zeiten, habe ich gesagt. Sie müssen nämlich wissen, dass mein Mann auch Lehrer war. Aber nun kommen Sie doch erst einmal herein. Ich bin Resi Obermayr.“
Damit trat sie von der Tür zurück und bot ihm die Hand.
Henri betrat das Haus. Da er hier wohnen sollte, sah er sich mit einem raschen Blick genau um. Es gefiel ihm hier sofort: ein breiter Flur, glänzend gebohnerte Holzdielen mit einem rötlichen Teppich belegt, mehrere Türen und auf einer alten Kommode ein großer Asternstrauß. Henris Blicke verweilten einen Augenblick auf der Treppe, die sich in behäbiger Rundung nach oben in den ersten Stock erhob. Dann folgte er der einladenden Handbewegung von Frau Obermayr. Auf dem Tisch war für zwei Personen Kaffeegeschirr aufgedeckt. Ein frischer, duftender Napfkuchen stand in der Mitte.
„Mögen Sie Kuchen?“, fragte die Hausherrin.
„Meine heimliche Leidenschaft.“
„Ach“, rief sie freudig, „meine auch. Aber setzen Sie sich doch. Ich hole schnell den Kaffee. Dann können wir ein wenig plaudern. Oder möchten Sie erst Ihr Zimmer sehen?“
„Das kann noch warten. Aber wenn ich mir vielleicht zuerst die Hände waschen dürfte? Ich hatte nämlich eine Reifenpanne.“
„Na, so ein Pech. Kommen Sie, ich zeige Ihnen das Badezimmer.“
Einige Minuten später saßen sie sich bei Kaffee und Kuchen gegenüber. Henri genoss die gemütliche Atmosphäre. Er fühlte sich vom ersten Augenblick an wohl. Fast eine Stunde lang hörte er ihr zu, aß Kuchen, trank Kaffee und nickte.
Sehr bald kannte er ihre ganze Lebensgeschichte. Als Kind eines Bauern hatte Resi Obermayr das Licht der Welt erblickt, vor siebenundsechzig Jahren. Sie sieht eigentlich viel jünger aus, dachte Henri, sie hat so lebendige Augen und ein so fröhliches Lächeln. Mit achtzehn heiratete sie einen jungen Lehrer und zog mit ihm in die nahe Kleinstadt. Sie schenkte ihm eine Tochter und war eine gute Ehefrau. Später ging die Tochter nach Amerika und heiratete dort einen Farmer. Ihr Mann war vor einigen Jahren gestorben. Seit dieser Zeit lebte sie allein, aber sie schien sich mit dem Leben gut auszukennen, war rüstig und trotz allem guter Dinge.
Vor zwei Monaten hatte der Schuldirektor bei Resi Obermayr angefragt, ob sie nicht ein Zimmer an einen Lehrer aus München vermieten wolle.
Und ob sie wollte!
Wo sie doch so viel Platz hatte. Und so viel Zeit. Außerdem konnte sie viele gute Ratschläge geben.
„Ich schwatze doch zu viel“, sagte sie lächelnd, nachdem sie geendet hatte.
„Aber nein, ich höre Ihnen gern zu. Übrigens, Ihr Kuchen schmeckt ganz ausgezeichnet. Auch Ihr Kaffee ist so, wie ich ihn gern mag.“
„Sie sind sehr liebenswürdig, junger Mann“, bemerkte sie geschmeichelt.
„Nun möchte ich Ihnen aber auch etwas über mich erzählen“, sagte Henri. Im Gegensatz zu Resi Obermayr brauchte er nur wenige Minuten, um seinen Lebenslauf zu schildern. Alter vierunddreißig. Abgeschlossenes Studium an der Universität. Unverheiratet, keine Kinder.
„Ich habe fast zehn Jahre in München als Lehrer gearbeitet.“
„Warum haben Sie die Stadt verlassen? München ist doch sehr schön.“
„Ja, sicher eine der schönsten Städte in Deutschland“, antwortete Henri nachdenklich und kopfnickend.
„Warum haben Sie sich dann hierher versetzen lassen, in das einsame Allgäu?“
„Ich brauchte Abstand.“
„Warum?“
„Wegen der Schlangengrube.“
Die ältere Dame blickte Henri leicht verwundert an. „Ich verstehe nicht.“
„So nennen wir die Lehrer die Schüler im Alter von 18-20 Jahren, deren einziges Ziel es ist, erotische Reize an die Lehrer auszusenden und dadurch Erfolge zu erzielen.“
„Ich verstehe“, sagte Resi Obermayr nachdenklich. „Haben Sie schlechte Erfahrungen mit Schülern gemacht.“
„Ja, aber nicht nur ich, sondern auch Kollegen von mir. Die Schlangengrube an meiner damaligen Schule war sehr ausgeprägt.“
„Wollen Sie mir davon erzählen?“
Henri sah die alte Frau tiefgründig an, nickte dann mit dem Kopf. „Ja, das würde ich gerne, aber nicht jetzt. Vielleicht etwas später.“
Sie blickte ihm ernst in die Augen. Nach einer kurzen Pause stand sie auf.
„Möchten Sie jetzt Ihr Zimmer sehen?“
„Ja, sehr gerne.“
Henri ging mit ihr in den ersten Stock. Seine Hand strich dabei über das dunkel glänzende Eichenholz des Geländers, als er die Stufen hinaufging. Ein dicker Velourteppich schluckte jedes Geräusch der Schritte. Oben blieb er auf dem kleinen, blitzsauberen Vorplatz stehen. Resi Obermayr öffnete die Tür neben der Treppe und bat ihn einzutreten.
Henri blieb überrascht auf der Schwelle stehen.
Der Raum übertraf alle seine Erwartungen. Er war sehr geräumig; zwei Fenster gaben angenehmes Licht. Die Abendsonne sandte die letzten goldenen Strahlen herein. Auf dem hellen Riemenfußboden lag ein dicker, bunter Teppich. Am linken Fenster stand ein großer Schreibtisch aus Eichenholz, dessen Platte mit grünem Filz bezogen war. Deckenhohe Wandregale boten viel Platz für Bücher. Gleich neben der Tür stand eine behagliche, braunbezogene Sitzgruppe, daneben eine Blumenbank mit bunten Herbstblumen in einer Tonschale. Über dem Sofa hing an der weißen Wand eine Reproduktion von Manet, eine bunte Wiesenlandschaft mit weiblichen Figuren im Hintergrund.
Es war ein anheimelnder Raum.
„Das ist doch sicher das Arbeitszimmer ihres Mannes gewesen“, fragte Henri.
Resi Obermayr nickte. „Es steht schon so lange leer. Da habe ich mir gedacht ... äh, gefällt es Ihnen?“
„Und ob es mir gefällt!“
„Na, sehen Sie! Gleich nebenan ist Ihr Schlafzimmer. Auf der anderen Seite des Flurs liegen Bad und Toilette.“
„Es sieht alles wunderbar aus“, bedankte sich Henri.
„Also, ich lasse Sie jetzt allein. Sie wollen sicher Ihre Sachen aus dem Wagen holen und einräumen. Der Haustürschlüssel liegt auf dem Schreibtisch. Ich habe auch ein Klingelschild für Sie anfertigen lassen. Wäre es Ihnen Recht, wenn ich unter Ihrem Namen „Dreimal läuten“ draufschreibe? Dann wissen wir gleich,