Chicago Affair. Niko Arendt

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Chicago Affair - Niko Arendt

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paar Minuten, höchstens eine halbe Stunde, die er zu spät war.

      Sobald Sean aber das Prachtstück von Auto erblickte, vergaß er sein beschissenes Leben, seinen Chef und die Arbeit und erfreute sich stattdessen lieber an dem Anblick, der sich ihm bot.

      Vor ihm stand ein sturmgrauer Audi R8 V10 Spyder. In der nachmittägigen Sonne reflektierte der Lack Seans Abbild, als wäre es ein Spiegel. Das Licht und Schattenspiel erweckte den Eindruck von dynamischer Bewegung, obwohl das Fahrzeug still stand. Die Felgen und die ledernen Seitenteile der Sitze waren blutrot und untermalten die finstere Aura des metallenen Monsters vor ihm.

      Sean musste schwer schlucken. Speichel hatte sich in seinem Mund sinnflutartig zusammengestaut. Nicht selten hatte er Bourdains Auto aus der Entfernung bewundert, sich selbst darin vorgestellt, wie er mit der Hand über das in Leder eingefasste Lenkrad strich und seine Faust um den Schaltknüppel gelegt hätte. Er hatte sich das Gefühl vorgestellt, wenn er auf das Gaspedal trat, der Motor laut aufbegehrte und er das Untier zum Leben erweckte.

      Er wurde nicht enttäuscht. Die Realität war sogar um einiges besser, als seine Fantasien. Mit dunklem Grollen erwachte der Motor. Unmerklich schwoll Seans Brust an. Er kam sich nicht mehr ganz so bedeutungslos vor.

      Selbst die kurze Strecke, die er vom Parkplatz zu Bourdain zurücklegte, reichte bereits aus, damit er sich beflügelt fühlte. Er wurde eins mit dem Auto. In diesen wenigen Sekunden gab es Bourdain nicht. Keine Amanda. Keine Geldsorgen. Und vor allem keine Verpflichtungen mehr.

      Doch das Glück währte nicht lange. Sobald er das ungeduldige, genervte Gesicht seines Chefs erblickte, spielte Sean mit dem Gedanken diesen einfach zu überfahren und davonzubrausen. Nur er allein und der röhrende Motor. Allerdings verwarf er diese Idee schnell wieder. Fortuna wäre ihm nicht hold. Binnen weniger Minuten wären die Bullen da, er würde ins Gefängnis kommen. Bitter überrollte ihn die knallharte Realität. Er war nicht zum Vergnügen hier.

      ,Sklaventreiber‘, dachte er, als er vor Bourdain zum Stehen kam. Kein Stück Spaß war ihm vergönnt.

      Behutsam strich Sean über das perfekt geformte, rot-schwarze Lenkrad. Er seufzte schwer und wollte gerade aussteigen, bemerkte jedoch, dass sein Chef an der Beifahrerseite eingestiegen war. Verwundert runzelte er die Stirn.

      „Wenn Sie mit der Speichelsammlung fertig sind, könnten wir dann losfahren?“, fragte Bourdain sarkastisch. Seine Stimme hatte den größten Teil seiner Schärfe eingebüßt. Er wirkte jetzt einfach nur angespannt. „Wenn Sie mir auch nur einen Kratzer reinmachen, bezahlen Sie dafür für den Rest Ihres Lebens in Naturalien.“

      „Verstanden, El Capitaine“, Sean hatte ihm nicht wirklich zugehört, ansonsten würde er nicht mehr so gelassen dasitzen. Dafür war er einfach zu glücklich dieses Baby fahren zu dürfen.

      „Lassen Sie den Unsinn.“

      „Wer hat Ihnen denn heute in den Kaffee gepinkelt?“, fragte Sean heiter, sobald das Auto losfuhr. Wie durch Butter glitten Sie auf die Hauptstraße hinaus und brausten Richtung Innenstadt.

      Bourdain zog es vor ihn zu ignorieren und ihre Unterhaltung auf die knappen Anweisungen zu ihrem Zielort, der Shoppingmall, zu beschränken. Irgendwie wirkte er in sich gekehrt, nachdenklich. Sean war sich nicht sicher, ob er überhaupt wissen wollte, was diesen quälte.

      Zu Seans Bedauern blieben die 525 PS des Audis ungenutzt. Die Fahrt dauerte keine halbe Stunde und das auch nur, weil sie die meiste Zeit an roten Ampeln standen.

      Elegant lenkte Sean das Fahrzeug auf einen für gewisse Kunden ausgelobten Parkplatz und kam in einer Lücke zum stehen.Trotz der etwas langen Türen des Audis und den großen Autos, die an den Seiten wie Säulen emporragten, konnten sie mühelos aussteigen. Für Reiche machte man eben größere Parkplätze.

      Der überdimensionale Escalade zur Rechten und der Dodge Pickup zur Linken ließen den Audi wie ein Spielzeugauto wirken. Es war unverkennbar, welche Leute hier einkauften. Super reich, superarrogant, mit null Sinn für die arme Umwelt, die unter dem CO2-Ausstoß dieser Riesen erstickte. Menschen, die mit ihrem Geld einfach alles kaufen konnten, das ihrem aufgeblasenem Ego schmeichelte und ihre ansonsten knittrige Persönlichkeit aufbügelte. Aber die schwarzen Flecken auf ihrer Seele würden sie mit keinem Auto, keiner teuren Guccitasche und keinem Pradaschuh verbergen können.

      Auf ihrem Weg durch die Straßen hob nicht selten irgendjemand zur Begrüßung die Hand, denen Holden seinerseits ein Nicken oder charmantes Lächeln zuwarf, ansonsten jedoch schwieg.

      Alle waren fein rausgeputzt, Schmuck glänzte an ihren Fingern, ihre Haare waren perfekt frisiert. Sean hatte das mulmige Gefühl, man hätte ein schmutziges Schwein zu einem Juwelier geschickt. Und er war das Schwein. Jeglicher Versuch seinen ruinierten Anzug zu richten, scheiterte kläglich. Einem dressierten Hündchen gleich folgte er Bourdain dicht auf den Fersen, wirkte aber keinesfalls so, als ob er zu ihm gehören würde.

      Erstaunlich wie viele Menschen nichts Besseres zu tun hatten, außer Geld auszugeben. Bei so gutem Wetter quollen die Cafés und Restaurants über. Heiteres Geplapper beherrschte die Passage.

      In Gedanken versunken, bemerkte Sean nicht, dass Bourdain stehen geblieben war und rannte ungebremst in dessen Rücken.

      „Machen Sie die Augen auf, Mr. Grandy. Sie sind hier nicht beim Weihnachtsbummel mit Ihrer Frau, sondern noch immer auf der Arbeit.“

      „Wir sind da“, sagte jener überflüssiger Weise und ermahnte Sean mit einem einzigen bissigen Blick zur Ordnung.

      Tss. Der hatte ja keine Ahnung. Mit Amanda shoppen zu gehen, war die Vorstufe zur Hölle, dagegen war das ein Sonntagsspaziergang, obwohl sein Chef ihrer Laune momentan richtig Konkurrenz machte. Was war so falsch daran, sich gelassen zu geben?

      „Sie sind heute so zickig. Hoffentlich ist das nicht ansteckend“, brummte Sean in sich hinein.

      „Tun Sie bitte, was ich sage!“, knurrte Bourdain ihm zu, bevor er mit einer komplett ausgewechselten Miene eine kleine Boutique an der Straßenecke betrat. Durch seinen Eintritt schien der Laden überhaupt erst zum Leben zu erwachen.

      Eine junge Frau mit hübschen Korkenzieherlocken kam leichtfüßig angeschwirrt und grüßte Bourdain mit Küsschen rechts, Küsschen links. Herzlich grüßte er sie zurück und setzte sein charmantestes Lächeln auf. Doch Sean konnte die verspannte Muskulatur an seinem Hals und Kiefer erkennen, ebenso wie die zusammengebissenen Zähne. Sein Auftreten war nur Show.

      „Holden, schön dich zu sehen. Wie kann ich dir helfen, mein Lieber?“, sagte die Dame mit verführerischer, samtiger Stimme, als ob sie Werbung für edle Pralinen machen würde.

      „Ich brauche einen neuen Anzug. Für meinen Freund hier, Rosaline.“

      Bourdain trat einen Schritt zur Seite und stellte ihr Sean vor. Ihr Lächeln begann bei seinem Anblick leicht zu bröckeln. Sean nahm es ihr nicht übel. Er hätte an ihrer Stelle bestimmt genauso reagiert.

      „Nun ja, er wurde von einer fürchterlich, aggressiven Bulldogge attackiert. Kein Scherz. Ich kann mich so nicht mit ihm blicken lassen.“ Bourdain klopfte ihm scherzhaft auf die Brust, während Rosaline ein gespielt schockiertes Gesicht aufsetzte. Die Ausführung war mehr als dürftig. Die Erklärung er habe im Auto geschlafen, sich in einer Pfütze ertränkt und gegen Holdens Sekretärin gekämpft, anschließend seinen Chef angefallen und Kaffee über den kläglichen Rest seiner Kleidung verschüttet, würde wohl einfach den Rahmen sprengen.

      „Außerdem

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