Das Sex-Phantom. Sara Jacob

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Das Sex-Phantom - Sara Jacob

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ging bei diesem Artikel um Forschungen an Bildern. Mittels einer speziellen radioaktiven Strahlung wollten Wissenschaftler in Zusammenarbeit mit Kunsthistorikern herausfinden, wie viele Farbschichten sich unter einem Bild von Tizian wirklich verbargen. Ich konnte den Erläuterungen von Dr. Horkheimer nicht zuhören.

      In Gedanken war ich ständig bei Katrin. Der Kloß in meinem Hals schwand nicht. Wir gingen durch einige Türen und Gänge. Neonröhren an den Decken, grünes Linoleum auf dem Boden, weiße Wände. Schließlich gelangten wir zu einer schweren Stahlkammer. Das gelb-schwarze Zeichen für Radioaktivität darauf beeindruckte mich mehr als erwartet. Als sich die Tür hinter uns schloss, wirkte es wie das Finale in einem Film, wenn sich die letzten Menschen in einem Atomschutzbunker versteckten und die Atomraketen abgeschossen wurden.

      Ein halbes Dutzend Wissenschaftler wirbelte um den Forschungsreaktor herum. Der Kontrollraum hatte bemerkenswert wenig Ähnlichkeit mit dem, was ich aus Filmen erkannte. Keine große Schalttafel, sondern viele herkömmliche Computer, Monitore, unbekannte Maschinen. Ich musste zugeben – ich war schlecht vorbereitet auf dieses Experiment. Außerdem war mir übel.

      Ob die Menschen um mich herum bemerkten, dass ich noch immer besoffen war? Ich hatte keine Ahnung, was genau dort vor sich ging. Bei den Telefonaten mit Frau Dr. Horkheimer hatte ich die Pressemitteilung vorliegen, und ich verstand, was die Wissenschaftler dort machten. Aber vom Wie hatte ich keine Ahnung. Ich war Journalist, kein Physiker. Jetzt fehlten mir die Infos der Mitteilung, und außerdem fochten Bier und Tequila einen unfairen Kampf gegen mich.

      Bald tauchte die Mitarbeiterin der Gemäldegalerie mit dem Bild auf. Neben ihr ein muskelbepackter Wachmann. Und schließlich gerieten die Wissenschaftler in Wallung. Drückten hier einen Knopf und gaben dort Befehle ein. Als Frau Dr. Horkheimer ankündigte, die Untersuchung würde um eine halbe Stunde verschoben, verlor ich den Kampf. Die Stahltür öffnete sich nur für mich, ich wankte in den Korridor dahinter. Dann fiel die schwere Pforte wieder ins Schloss. Die Toilette war ein erstaunlich schmuddeliger Raum. Penible Wissenschaftler waren wohl nur zu Hause und im Labor penibel, nicht jedoch in fremden Toiletten.

      Das weiße Toilettenbecken nahm mir nur zu gerne meine Buße ab. Mit zitternden Händen umklammerte ich die Keramik und spürte, wie sich mein Magen wieder entkrampfte. Erschöpft hockte ich mich auf den Boden. Nach ein paar Minuten konnte ich mein Bild im Spiegel wieder klar fixieren, einen Schluck Wasser aus dem Hahn nehmen und mit festem Griff die Tür zum Korridor öffnen.

      Die roten Lichter auf dem Weg zurück zur Kammer fand ich zunächst nur überraschend. Als dann jedoch die Sirenen zu dröhnen begannen, packte mich die Panik. Die letzte Kurve vor der Stahltür nahm ich schon mit zitternden Knien.

      Mir brach der Schweiß aus. Was schiefgelaufen war, hat mich später nicht interessiert. Das Bild jedoch von der durchsichtigen Stahltür und den brennenden Menschen dahinter werde ich nie vergessen. Die Wissenschaftler, die Mitarbeiter, die Frau aus dem Museum, der Wachmann – sie alle rissen sich verzweifelt die lodernde Kleidung vom Körper. Ihre Haare brannten.

      Und die Stahltür: Sie war durchsichtig, doch man konnte die Konturen weiter erkennen. Sie wirkte wie aus Glas, brach das Licht, verzerrte die Perspektive auf das Drama dahinter. Der Schock riss mir fast die Füße weg. Als dann mein Hemd und meine Hose zu qualmen begannen, konnte ich nur noch mein Leben retten. Ich riss mir die schmelzenden Schuhe von den Füßen, zog mir das bereits brennende Hemd über den Kopf, warf die Hose ab.

      Die Menschen hinter der Stahltür waren zusammengebrochen, als ich das nächste Mal hinsah. Ich wollte fliehen und wusste nicht wohin. Meine Boxershorts wurden brennend heiß. Sie folgten als nächste.

      Das Linoleum unter meinen Füßen wurde warm, wellte sich, löste sich auf. Ich rannte nackt den Korridor hinauf, als ich den Knall hörte. Etwas riss mich von den Füßen, ich prallte gegen eine Tür. Diese sprang auf, ich stürzte in den dunklen Raum dahinter und stieß mir den Kopf. Dann verlor ich das Bewusstsein.

       3.

      Zitternd wachte ich auf. Anfangs wusste ich nicht, wo ich war, hielt einen Feudel für mein Kopfkissen und ein altes Handtuch für meine Decke. Dann spürte ich den Besen in meinem Rücken. Es war noch immer dunkel in der Besenkammer. Notbeleuchtung im Korridor. Rotes Blinken.

      Die Ruhe war brutal.

      Ich rappelte mich auf. An meinen Füßen spürte ich den warmen Boden, im Gesicht den heißen Luftzug im Korridor, ich schmeckte den Rauch in der Luft und roch meinen eigenen Schweiß. Ich wagte kaum, den Blick zurück in den Korridor zu werfen. Doch es war weniger schlimm als befürchtet.

      Dort, wo der Forschungsreaktor gewesen war, gähnte ein tiefes Loch, in dem ein kleines Feuer flackerte. Rohre, verbogen wie krumme Äste, ragten aus der Wand, Kabel griffen ausgefranst ins Leere. Keine verbrannten Reste von Menschen, kein Blut, keine Knochen.

      Die Stahltür war verschwunden, meine Kleidung auf dem Boden zu Asche verbrannt und mit dem Linoleum verschmolzen. Meine Brieftasche ein schwarzer Klumpen. Als ich mich bückte und danach griff, fasste ich ins Leere.

      Und dann bemerkte ich es. Der Schock überrollte mich wie ein Güterzug. Ich glaubte erst an eine optische Täuschung, blinzelte, wollte mir mit der Hand die Augen reiben und wurde noch panischer. Mein Herz raste wie eine Ratte in ihrem Käfig. Da war keine Hand, waren keine Finger. Ich konnte meine Hände nicht sehen, nicht meine Füße, nicht meine Beine.

      Verblüfft fiel ich zurück auf meinen Hintern. Wieder blieb mir die Luft weg. Ich hob das, was ich als Hände spürte, vor meine Augen und sah durch sie hindurch. Ich führte sie näher an meine Augen und berührte plötzlich mein Gesicht. War ich tot? Ein Geist? Mein Herz raste, meine Knie zitterten, der Kater war verschwunden.

      Ich musste mich berühren, meine Hände kneten um mich zu vergewissern, dass sie noch da waren. Ich fasste meine Füße an, meine Knie, meine Oberschenkel, tastete nach meinem Penis und meinen Hoden, spürte erleichtert das Schamhaar, beruhigend den Bauch, meine Oberarme, mein Gesicht, meine Haare.

      Langsam erhob ich mich und griff erneut nach meinem verkohlten Portmonee im Linoleum. Die Koordination einer unsichtbaren Hand stellte mein Hirn vor eine schwere Aufgabe. Zweimal, dreimal griff ich daneben. Dann schließlich konnte ich die Lücke im Bild ersetzen und den steinharten schwarzen Klumpen, in dem meine Kreditkarten, mein Ausweis, mein Leben steckten, ungläubig betasten.

      Mir wurde schwindelig. Schmerzen nur im Kopf, ansonsten ging es mir gut. Und jetzt? Wo sollte ich hin? Was sollte ich machen? Hier war ein Reaktor explodiert. Das mussten doch Feuerwehr und Polizei, Katastrophenschutz und THW bemerkt haben? Vorsichtig lief ich barfuß den Gang hinauf.

      Wie hatte das geschehen können?

      Warum war ich nicht verbrannt wie die anderen?

      Und wie konnte ein Atomreaktor Materie unsichtbar machen?

      So viele banale Fragen von einem, der keine Ahnung hatte. Ich zog eine Tür auf, ging durch einen weiteren Gang und stand schließlich wieder vor dem Fahrstuhl. Er war außer Betrieb. Ich wollte nur hier raus aus diesem Labyrinth, geriet beinahe in Panik und fand schließlich die Tür zum Treppenhaus.

      Als ich im Erdgeschoss anlangte, war noch immer niemand zu sehen oder zu hören. Der Empfang war geräumt. Doch draußen auf der Straße standen eine Menge Menschen etwa 100 Meter vor dem Gebäude des Instituts in der prallen Sonne. Ich sah sie durch die Glastüren der Lobby.

      Fahrzeuge der Polizei, der Feuerwehr, des THW, Ambulanzen, Sanitäter, Männer in weiß, grün, blau sowie eine Menge Schaulustige. Durch eine offene Tür wehte heiße Sommerluft herein. Umschmeichelte mich.

      Da

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