Untote leben länger. Philip Mirowski

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Untote leben länger - Philip  Mirowski

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die Krise hat ein Flügel der Neoliberalen naturwissenschaftliche Konzepte der »Komplexität« in den Dienst der Behauptung gestellt, dass sich Märkte einer Steuerung systemischer Risiken generell entziehen.61 Allerdings fasst der Neoliberalismus das Verhältnis von Markt und Natur grundsätzlich anders als die neoklassische Standardtheorie. Kurz gesagt vertritt die Neoklassik eine deutlich statischere Konzeption des Marktes; vielen ihrer Darstellungen zufolge kann der Markt »unvollkommen« sein und »versagen«. Als Grund dafür gelten zumeist unerklärte natürliche Eigenschaften der gehandelten Waren, die unter anderem als »Externalitäten« verbucht werden. Neoliberale lehnen solche Verweise auf Defekte oder Störungen gewöhnlich ab und vertreten stattdessen ein Narrativ, demzufolge Evolution und/oder »spontane Ordnung« den Markt in immer komplexere, menschlicher Erkenntnis mitunter nicht zugängliche Zustände der Selbstentfaltung befördern. Neoklassischen Erklärungen der Krise durch ein »Marktversagen« hat das Neoliberale Denkkollektiv folgerichtig rundweg eine Absage erteilt.

      [4] Ein primäres Ziel des neoliberalen Projekts besteht in der Neudefinition von Gestalt und Funktionen des Staates, keineswegs in seiner Zerstörung. Entsprechend schwierig gestaltet sich das gelegentliche Bündnis der Neoliberalen mit den Anarchisten. Der Widerspruch, mit dem sie ständig zu kämpfen haben, besteht darin, dass ein starker Staat ihr Programm gleichermaßen vereiteln wie implementieren kann; daher das Interesse an neuen Formen technokratischer Steuerung, die den idealen Markt vor unbotmäßiger politischer Einmischung schützen sollen. In ihrer Rhetorik und Praxis haben Neoliberale die in der Theorie durchaus anerkannte Bedeutung eines starken Staates mit beträchtlichem Aufwand zu verdecken versucht. Insofern ist die Durchsetzung neoliberaler Politik »eine sich selbst widersprechende Form verleugneter Regulierung«.62 Daraus folgt unter anderem, dass die Demokratie, von Neoliberalen mit einer gewissen Ambivalenz als geeigneter staatlicher Rahmen für den idealen Markt gutgeheißen, zugleich relativ ohnmächtig bleiben muss, sodass die Bürger kaum etwas ändern können.63

      Eine Möglichkeit, Demokratie zu Zwecken der Machtausübung einzuschränken, bietet die Unterwerfung des Staates unter eine Marktlogik, die vorgibt, man könne »Bürger« durch »Kunden« ersetzen (vgl. Punkt 5). So versuchen die Neoliberalen den Staat im Namen von Transparenz und Verantwortlichkeit durch diverse Evaluationstechniken umzustrukturieren, ihn durch ein neues Management zu rationalisieren oder – besser noch – staatliche Aufgaben auf Vertragsbasis an Privatunternehmen zu übertragen.64 Auch dies betrifft direkt die Krise: Der Finanzsektor war einer der Hauptschauplätze der Auslagerung staatlicher Aufsichtsfunktionen in quasi-private Institutionen wie etwa die Ratingagenturen Moody’s, Fitch und Standard & Poor’s. Auch die »Privatisierung« der in den Sechzigerjahren zunächst vom Staat betriebenen Hypothekenverbriefung gilt inzwischen als wichtiger Grund dafür, dass der Finanzsektor auf Abwege geriet.

      Eines der großen Täuschungsmanöver, mit dem die Neoliberalen ihre Rolle an der Macht verschleiern, ist die Darstellung einer solchen »Vermarktung« staatlicher Funktionen als Verkleinerung des Staates – wenn überhaupt, werden die Staatsapparate unter neoliberalen Regimes noch ausgreifender.65 Ein anderes Manöver besteht in der Erfindung zahlloser Methoden zur »Fesselung« des Staates, die jegliche Veränderung durch Verfassungsmodifikationen verbieten (wie in der »Public-Choice«-Theorie von James M. Buchanan). In der Praxis läuft die »Deregulierung« stets auf eine lediglich anderen Direktiven folgende »Reregulierung« hinaus.

      [5] Die Skepsis angesichts der mangelnden Steuerbarkeit der Demokratie tritt immer wieder hinter der Erkenntnis zurück, dass der neoliberale marktförmige Staat der Legitimation durch die Bevölkerung bedarf. Darin liegt ein heikles Problem für Neoliberale: Wie lässt sich der Anschein von Freiheit als Zwanglosigkeit aufrechterhalten, wenn es in Wirklichkeit unwahrscheinlich ist, dass die Mehrheit freiwillig die neoliberale Version des Staates wählt? Wie Hayek einmal schrieb: »Es wäre unmöglich zu behaupten, daß eine freie Gesellschaft immer und notwendigerweise Werte entwickelt, die wir billigen würden, oder auch nur, wie wir sehen werden, daß sie Werte erhält, die mit der Erhaltung der Freiheit vereinbar sind.«66 In gewissem Sinn bietet das NDK selbst eine praktische Lösung für das Problem: Die russische Schachtelpuppe beinhaltet auch einen bewussten Eingriff, der die Kultur durch Entwaffnung des politischen Gegners in eine für die Neoliberalen günstige Richtung verschieben soll. Da eben dies aber als Verstoß gegen den Grundsatz der Unverletzbarkeit des individuellen Willens gewertet werden könnte, haben die Neoliberalen auch eine theoretische »Lösung« für das Problem entwickelt.

      Den nicht zu duldenden Widerspruch einer demokratischen Ablehnung ihres idealen Staates versuchen Neoliberale dadurch zu überwinden, dass sie Politik so behandeln, als ob sie ein Markt wäre, und eine wirtschaftliche Theorie der »Demokratie« vertreten. Im Extremfall bezeichnet der Begriff des Bürgers dann nicht mehr als einen Kunden staatlicher Dienstleistungen.67 Das erleichtert die Anwendung neoklassischer wirtschaftlicher Modelle auf vormals politische Themen, erklärt aber auch, warum die neoliberale Bewegung ihre politische Macht durch ein Agieren innerhalb des Staates zu konsolidieren versuchen muss. Dabei wird die abstrakte »Herrschaft des Gesetzes« häufig mit der neoliberalen Vision eines idealen Marktes gleichgesetzt oder ihr untergeordnet. Die Form des Nachtwächterstaates erfährt eine vollständige Zurückweisung: Es gibt keine separate Sphäre des Marktes, die wie ehedem von der der Zivilgesellschaft abgetrennt wäre. Alles gilt als Freiwild, das vermarktet werden kann.

      Dass das Recht in ihrem idealen Staat ein System von Macht und Herrschaft ist, bestreiten Neoliberale unter größten Verrenkungen. Es soll vielmehr ein System neutraler allgemeiner Regeln darstellen, die für jeden gleichermaßen gelten und keineswegs auf den politischen Zielen einer bestimmten Gruppe (nämlich der Neoliberalen) beruhen: Anarchisten wie Rothbard gründen es auf eine Art Naturrecht, die Anhänger einer Public-Choice-Theorie à la Buchanan auf die Vertragstheorie, die Chicago School auf eine Welt, in der die Ökonomie mit der Gesamtheit der menschlichen Existenz zusammenfällt, und Hayek auf seine höchst eigentümliche Vorstellung von kultureller Evolution.68 Im alltäglichen Neoliberalismus scheint die Chicagoer Version das Rennen zu machen. In der jüngsten Krise wurde allerdings auch Hayeks Theorie wieder ausgemottet, wie wir in Kapitel 6 sehen werden.

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