Die Ratten. Textausgabe mit Kommentar und Materialien. Gerhart Hauptmann

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Die Ratten. Textausgabe mit Kommentar und Materialien - Gerhart Hauptmann Reclam XL – Text und Kontext

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JOHN.

      Biste verrickt? Wat heeßt denn det: Lampen? –

      BRUNO.

      Na, klinkt et denn nich an de Einjangstier?

      FRAU JOHN

      (erschrickt, horcht, hält die Piperkarcka zurück, die im Begriff ist davonzugehen). Pst, Freilein! Halt! Warten Se man noch’n Oochenblick.

      (Bruno schnitzelt weiter. Die beiden Frauen horchen.)

      FRAU JOHN

      (leise, angstvoll, zu Bruno). Ick heer nischt.

      BRUNO.

      Du ollet vatrockentes Kichenspinde, denn schaff da man bessare Lauscha an.

      FRAU JOHN.

      Det wär in det janze Vierteljahr det erste Ma, det der Direkter kommt, wenn Sonntag is.

      BRUNO.

      Wenn der Theatafritze kommt, kann a mir meinswejen jleich angaschieren.

      FRAU JOHN

      (heftig). Quatsch nich!

      BRUNO

      (grinsend zur Piperkarcka). Jlooben S’et, Freilein, ick ha bei Zirkus Schumann ’n dummen Aujust sein Esel dreimal rum die Manesche jebracht. Det mach ick allens! Ick wer mir woll furchten.

      DIE PIPERKARCKA

      (scheint die phantastische Sonderbarkeit der Umgebung erst jetzt zu bemerken, erschrocken, stark beunruhigt). Josef Maria, wo bin ick denn?

      FRAU JOHN.

      Wer kann denn det sind?

      BRUNO.

      Da Direkta nich, Jette. Det is eha ’ne Tülle, wo elejante Trittlinge hat.

      FRAU JOHN.

      Freilein, jehn Se man zwee Minuten, sein so jut, hier uff’n Oberboden. ’s kommt eener, kann sind, der bloß wat wissen will.

      (In ihrer zunehmenden Angst tut die Piperkarcka das Verlangte. Sie klettert über die Treppe auf den Oberboden, dessen Klappe geöffnet ist. Frau John hat sich so gestellt, [17]dass im Notfalle die Piperkarcka gegen die Entreetür gedeckt ist. Die Piperkarcka verschwindet. Frau John und Bruno bleiben allein.)

      BRUNO.

      Wat wiste denn mit die barmherzige Schwester?

      FRAU JOHN.

      Det jeht dir nischt an, verstehste mich.

      BRUNO.

      Ick frage ja man, weil det de vor det Mächen so ängstlich ’ne Wand machen dust. Sonst is et mich doch wahaftig Pomade.

      FRAU JOHN.

      Det soll dir ooch immer Pomade sind.

      BRUNO.

      Danke Komma, denn kann ick woll abtippeln.

      FRAU JOHN.

      Lump, weeßt du woll, wat du mir schuldig bist?

      BRUNO

      (pomadig). Wat regste dir denn uff? Wo stoß ick dir denn? Wat wiste? Ick muss jetzt zu meine Braut. Mir schläfert. Vorichte Nacht hab ick unter Sträucher in Tierjarten plattjemacht. Und juterletzt is Kohlmarcht bei mich. (Er kehrt seine Hosentaschen um.) Folgedessen muss ick jehn ’n Stück Brot verdienen.

      FRAU JOHN.

      Hierjeblieben! – und nich von de Stelle! – oder du krist, und wenn det de jaulst wie’n kleener Hund, kriste nimmermehr, wenn’t bloß’n Pfennich is, krist de von mich! Bruno, du jehst uff schlechte Weje.

      BRUNO.

      Ick wer woll immer jejen de janze Welt … noch wat! … wer ick der Potsdamer sind. Soll ick etwa nich jehn, wo ick scheen bei Huldan zu leben krieje? (Er zieht eine schmutzige Brieftasche.) Nich ma’n dreckigen Pfandschein ha ick mehr in de Plattmullje drin. Wat wiste von mich, un denn lass mir abschrenken.

      FRAU JOHN.

      Von dir? Wat ick will? For wat wärst du woll nitze? Du bist zu nischt weiter nitze, als det eene [18]Schwester, wo nich richtig in Koppe is, mit so’n Lump un Tagedieb Mitleid hat.

      BRUNO.

      Kann sind, det de in Koppe manchmal nich richtig bist.

      FRAU JOHN.

      Unser Vater hat oft zu mich jesacht, wo du schonn mit fünf, sechs Jahre alt schlechte Dinge jetrieben hast, det mit dir in Leben keen Staat weiter nich zu machen is un det ick dir sollte loofen lassen. Un mein Mann, wo richtig un orntlich is … vor so’n juten Mann: du darfst dir nich blicken lassen.

      BRUNO.

      Jewiss doch, det weeß ick ja allens, Jette! Aber so eenfach schiebt sich det nu eemal nu eben nich. Wat wiste? Ick weeß, ick bin mit’n Ast uff’n Puckel, wenn det’n ooch det’n keener sieht, un nich in Zangzuzih uff de Welt jekomm. Ick muss sehn un mir mit mein Ast mangmang helfen. Na jut so! wat wiste? von wejen de Ratten brauchst du mir nich. Du wist bloß wat mit die Dohle vertussen.

      FRAU JOHN

      (die Faust drohend unter Brunos Nase). Verrat du een eenziget kleenet Sterbenswort: denn mach ick dir kalt. Denn bist du ’ne Leiche!

      BRUNO.

      Na weeßte, vastehste, ick mache mir dinne. (Er steigt die Treppe hinauf.) Womeeglich komm ick, mir nischt dir nischt, noch ma in Schokoladenkasten rin.

      (Er verschwindet durch die Bodenklappe. Frau John löscht eilig die Lampe und tappt sich zur Bibliothekstür. Sie geht in die Bibliothek, schließt aber die Tür hinter sich nicht ganz.

      Die Geräusche eines verrosteten Schlosses und Schlüssels, der darin umgedreht wurde, sind vernehmlich gewesen. Ein leichter Schritt kommt nun den Gang herauf. Vor[19]übergehend war der Berliner Straßenlärm, auch Kindergeschrei aus den Hausfluren vernehmlich geworden. Leierkastenmusik vom Hof herauf.

      Mit scheuen Bewegungen erscheint Walburga Hassenreuter. Das Mädchen ist noch nicht sechzehn Jahre alt und sieht hübsch und unschuldig aus. Sonnenschirm, fußfreies helles Sommerkleidchen.)

      WALBURGA

      (stutzt, horcht, sagt dann ängstlich). Papa! – Ist schon jemand hier oben? – Papa! Papa! (Sie horcht lange gespannt und sagt dann.) Es riecht ja hier so nach Petroleum! (Sie findet Streichhölzer, entzündet eines davon, will die Lampe anstecken und verbrennt sich an dem noch heißen Zylinder.) Au! – Donnerwetter, wer ist denn hier? (Sie hat aufgeschrien und will fortlaufen. Frau John erscheint wieder.)

      FRAU JOHN.

      I, Freilein Walburga, wer wird denn jleich Lärm machen! Sein Se

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