Steuerstrafrechtliche Risiken in Krise und Insolvenz. Jens M. Schmittmann
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In § 1 Satz 1 InsO ist bereits angelegt, dass anstatt der Liquidation auch in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung, insbesondere zum Erhalt des Unternehmens, getroffen werden kann. Der Insolvenzplan, §§ 217ff. InsO, besteht aus einem darstellenden (§ 220 InsO) und einem gestaltenden (§ 221 InsO) Teil. Kern der Aufstellung eines Insolvenzplans ist die Bildung von Gruppen (§ 222 InsO).
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Das Insolvenzplanverfahren ist, insbesondere durch das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) vom 7.12.2011 (BGBl. I 2011, S. 2582ff.), modifiziert worden. Zu diesen Modifikationen gehört insbesondere auch die Möglichkeit, im gestaltenden Teil des Plans vorzusehen, dass Forderungen von Gläubigern in Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte am Schuldner umgewandelt werden (§ 225a Abs. 2 InsO). Damit wird die Möglichkeit eines Debt-Equity-Swaps eröffnet. Planvorlageberechtigt sind sowohl der Insolvenzverwalter als auch der Schuldner (§ 218 Abs. 1 InsO).
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Die Entscheidung über den Insolvenzplan obliegt den Gläubigern im Erörterungs- und Abstimmungstermin (§ 235 InsO). Zur Annahme des Insolvenzplans durch die Gläubiger ist gemäß § 244 Abs. 1 InsO erforderlich, dass in jeder Gruppe die Mehrheit der abstimmenden Gläubiger dem Plan zustimmt (§ 244 Abs. 1 Nr. 1 InsO) und die Summe der Ansprüche der zustimmenden Gläubiger mehr als die Hälfte der Summe der Ansprüche der abstimmenden Gläubiger beträgt (§ 244 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Auch wenn die erforderlichen Mehrheiten, also die doppelte Mehrheit nach Köpfen und Beträgen, nicht erreicht worden sind, gilt die Zustimmung einer Abstimmungsgruppe als erteilt, wenn die Angehörigen dieser Gruppe durch den Insolvenzplan voraussichtlich nicht schlechter gestellt werden, als sie ohne den Plan stünden (§ 245 Abs. 1 Nr. 1 InsO), die Angehörigen dieser Gruppe angemessen an dem wirtschaftlichen Wert beteiligt werden, der auf der Grundlage des Plans den Beteiligten zufließen soll (§ 245 Abs. 1 Nr. 2 InsO) und die Mehrheit der abstimmenden Gruppen dem Plan mit den erforderlichen Inhalten zugestimmt hat (§ 245 Abs. 1 Nr. 3 InsO).
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Mit der Rechtskraft der Bestätigung des Insolvenzplans treten die im gestaltenden Teil festgelegten Wirkungen für und gegen alle Beteiligten ein. Der Insolvenzplan stellt gemäß § 257 Abs. 1 InsO einen vollstreckbaren Titel dar.
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Der gestaltende Teil des Insolvenzplans kann gemäß § 260 Abs. 1 InsO eine Planüberwachung vorsehen.
m) Eigenverwaltung
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Zunächst wurden durch das ESUG die Regelungen über die Eigenverwaltung modifiziert, §§ 270ff. InsO. Eine Neuregelung der Eigenverwaltung erfolgte durch das SanInsFoG mit Wirkung zum 1.1.2021 (siehe oben Rn. 16).
n) Schutzschirmverfahren
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Das durch das ESUG eingeführte sog. „Schutzschirmverfahren“ gemäß § 270b InsO a.F. wurde durch das SanInsFoG umgestaltet und ist nun in § 270d InsO geregelt. Das Schutzschirmverfahren greift ein, wenn der Schuldner den Eröffnungsantrag bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung gestellt, die Eigenverwaltung beantragt und die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist, § 270d Abs. 1 Satz 1 InsO. Auf Antrag des Schuldners bestimmt das Insolvenzgericht eine Frist zur Vorlage eines Insolvenzplans, die höchstens drei Monate betragen darf, § 270d Abs. 1 Satz 2 InsO. Der Schuldner hat mit dem Antrag eine mit Gründen versehene Bescheinigung eines in Insolvenzsachen erfahrenen Steuerberaters, Wirtschaftsprüfers oder Rechtsanwalts oder einer Person mit vergleichbarer Qualifikation vorzulegen, aus der sich ergibt, dass drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, aber keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt und die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist, § 270d Abs. 1 Satz 1 InsO.
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Bei dem Schutzschirmverfahren handelt es sich um eine Modifikation der vorläufigen Eigenverwaltung, sodass auch hier kein vorläufiger Insolvenzverwalter, sondern ein vorläufiger Sachwalter (§ 270d Abs. 2 InsO) bestellt wird. Die Begründung von Masseverbindlichkeiten ergibt sich aus § 270c Abs. 4 InsO i.V.m. § 55 Abs. 2 InsO.
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Tritt im Schutzschirmverfahren Zahlungsunfähigkeit ein, haben der Schuldner oder der vorläufige Sachwalter dies dem Insolvenzgericht gemäß § 270d Abs. 4 Satz 1 InsO unverzüglich anzuzeigen. Der Sachwalter hat gemäß § 285 InsO die Masseunzulänglichkeit anzuzeigen.
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Die Geltendmachung von Haftungsansprüchen nach §§ 92 und 93 InsO für die Insolvenzmasse und Insolvenzanfechtungsansprüchen nach §§ 129ff. InsO obliegt gemäß § 280 InsO dem Sachwalter.
o) Verbraucherinsolvenzverfahren und andere besondere Verfahrensarten sowie europäisches und internationales Insolvenzrecht
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Gegenstand der §§ 304ff. InsO sind Verbraucherinsolvenzverfahren, die dann Anwendung finden, wenn der Schuldner keine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit ausübt oder ausgeübt hat. Hat der Schuldner eine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt, so fällt er unter das Verbraucherinsolvenzverfahren, wenn seine Vermögensverhältnisse überschaubar i.S. des § 304 Abs. 2 InsO sind und gegen ihn keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen bestehen, § 304 Abs. 1 InsO.
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Besondere Arten des Insolvenzverfahrens sind das Nachlassinsolvenzverfahren (§§ 315ff. InsO), Insolvenzverfahren über das Gesamtgut einer fortgesetzten Gütergemeinschaft (§ 332 InsO) und Insolvenzverfahren über das gemeinschaftlich verwaltete Gesamtgut einer Gütergemeinschaft (§ 333f. InsO).
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Das internationale Insolvenzrecht findet seinen Niederschlag in §§ 335ff. InsO. Diese Regelungen finden jedoch nur Anwendung, wenn es sich nicht um Verfahren handelt, die unter die Europäische Insolvenzverordnung (EuInsVO) VO (EU) Nr. 848/2015, ABl. EU L 141/19, fallen.11 Die Neuregelung gilt für Insolvenzverfahren, die ab dem 26.6.2017 eröffnet worden sind (Art. 84 Abs. 1 EuInsVO). Bis dahin galt die Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren (ABl. EU Nr. L 160/1).
p) Besonderheiten durch die Corona-Steuerhilfegesetze I, II und III
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Unmittelbar nach Einsetzen der staatlichen Maßnahmen im Zuge der COVID-19-Pandemie hat das BMF versucht, die wirtschaftlichen Folgen der Regelungen durch Verwaltungsanweisungen abzumildern.12 Es folgten das Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Corona-Steuerhilfegesetz) vom 19.6.202013 und das Zweite Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Zweites Corona-Steuerhilfegesetz) vom 29.6.2020.14
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Durch das Corona-Steuerhilfegesetz I wurde im Umsatzsteuerrecht zunächst eine befristete Senkung des Umsatzsteuersatzes von 19 % auf 7 % für die nach dem 30.6.2020 und vor dem 31.7.2021 erbrachten Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen, mit Ausnahme der Abgabe von Getränken, eingeführt. Zudem wurden die Regelungen für juristische Personen des öffentlichen Rechts verlängert.
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