Im Reiche des silbernen Löwen III. Karl May
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Читать онлайн книгу Im Reiche des silbernen Löwen III - Karl May страница 16
»Halef, sag mir aufrichtig: »Bist du krank?« fragte ich ihn.
»Krank?« lächelte er. »Du meinst im Kopfe? Ist das, was ich gesagt habe, so thöricht gewesen?«
»Nein. Unklar zwar, aber so gut, so gut! Ich meine körperlich krank.«
»Ich sagte dir doch schon, daß ich gesund bin. Ein klein wenig matt bin ich seit gestern, und heut drückt etwas gegen meine Stirn. Die Sonne schien an diesen beiden Tagen gar so heiß. Das ist der Grund. Zu sagen hat es nichts.«
»Und anstatt zu schlafen, hast du deinen Gedanken nachgehangen. Wir werden heut eher als gewöhnlich Rast machen. Dir ist Ruhe nötig. Komm; reiten wir weiter!«
Es ging nur langsam in das Thal hinab, und dann folgten wir dem Regenbette, dessen Windungen uns wieder aufwärts führten. An einer schmalen Stelle ritt ich voran, als hinter mir ein lautes, zitterndes »Huh u uh!« erklang.
»Was war das?« fragte ich, indem ich mich umdrehte.
»Mich fror ganz plötzlich,« antwortete Halef.
Ich sagte nichts, aber ich begann, besorgt um ihn zu werden. Der wackere Hadschi besaß eine fast ebenso eiserne Gesundheit wie ich selbst, doch war es sehr leicht möglich, daß er während unseres Aufenthaltes in dem höchst ungesunden Basra einen Ansteckungsstoff in sich aufgenommen hatte, der nun in ihm zu wirken begann.
Als wir höher kamen, erhob sich ein scharfer Wind. Die Nacht versprach sehr kalt zu werden, und das Gesicht Halefs zeigte eine Entfärbung, die mir nicht gefiel. Ich wünschte sehr, baldigst an eine vom Zuge freie Stelle zu kommen, wo wir zur Nacht bleiben konnten. Dieses Verlangen wurde auch sehr bald erfüllt, wenn auch in anderer Weise, als ich erwartet hatte.
Wir erreichten das Ende oder vielmehr den Anfang des Regenbaches. Zwei Bergeshänge stießen zusammen und bildeten ein Becken, dessen undurchlässiger Felsengrund das Wasser angesammelt hatte. Es gab infolge der Feuchtigkeit da allerlei Gesträuch, mit Hilfe dessen man sich ein wärmendes Lagerfeuer gestatten konnte. Das war uns beiden natürlich sehr willkommen. Weniger erfreulich aber war, daß wir die Stelle schon besetzt fanden. Es lagen ein Dutzend Männer da, deren abgesattelte Pferde am Wasser grasten. Die Leute sprangen auf, als sie uns kommen sahen. Ihre zurücktretenden Stirnen und hohen Hinterköpfe ließen mich vermuten, daß sie Luren waren. Bewaffnet waren sie nicht besser und nicht schlechter als alle diese Bergbewohner. Ihre Kleidung war die gewöhnlicher armer Nomaden, und auch unter ihren Pferden gab es keines, welches einen besonderen Wert gehabt hätte. Ob wir in ihnen ehrliche oder unehrliche Leute vor uns hatten, das wußten wir natürlich nicht, doch waren wir gewohnt, vorsichtig zu sein. Daß sie uns mit neugierigen und unsere Pferde mit bewundernden Blicken betrachteten, konnte uns nicht auffallen. Und ebensowenig erregte es unser Bedenken, daß sie unseren Gruß nicht abwarteten, sondern uns in jenem Gemisch von Arabisch, Persisch und Kurdisch willkommen hießen, welches man in diesem Grenzgebiete so oft zu hören bekommt.
Es gab unweit des Wassers einen alten Mauerrest, der gegen den Wind schützte; jedenfalls die beste Lagerstelle hier an diesem Platze. Sie wurde uns sofort und freiwillig angeboten, und wir machten von dieser Zuvorkommenheit recht gern Gebrauch. Man fragte uns nicht nach Namen, Stand und Herkommen, auch nicht nach der Religion, was hier, wo Sunniten und Schiiten einander stets feindlich gegenüberstehen, eine Seltenheit war. Auch gab es keine der gewöhnlichen Aufdringlichkeiten, denen man bei dem Zusammentreffen mit derartigen Leuten fast stets ausgesetzt ist. Kurz, wir fanden keinen Grund, wegen der Anwesenheit dieser Männer um uns besorgt zu sein.
Selbst als wir unsere Pferde abgesattelt hatten, belästigten sie weder die Tiere noch gaben sie ihre Urteile über sie in jener lauten, lärmenden Weise ab, welche zudringlich ist. Auch unsere, besonders meine Waffen fielen ihnen auf; das sahen wir ja, aber sie gestatteten sich nicht, uns nach ihnen zu fragen oder gar sie zu berühren und zu untersuchen. Wir waren in ihren Augen vornehme Fremde, denen sie mit Achtung und Rücksicht zu begegnen hatten. Diesen Eindruck machten sie auf uns.
Sie gingen nur ein einziges Mal aus ihrer höflichen Zurückhaltung heraus. Nämlich als Halef Holz zu sammeln begann, um für uns ein Feuer anzuzünden, leisteten sie ihm bereitwilligst Hilfe; dann aber hielten sie sich wieder so entfernt von uns wie vorher. Trotz allem beschloß ich, zu wachen, während der Hadschi schlafen würde. Die Ruhe that ihm not.
Ich nahm von unseren Datteln und aß. Halef versicherte, weder Hunger noch Appetit zu haben. Das hörte ich nicht gern. Dann sah ich wiederholt, daß er in sich zusammenschauerte.
»Friert dich wieder?« fragte ich ihn.
»Ja,« antwortete er. »Aber es ist wie ein Frieren ohne Kälte. Ich möchte gern etwas recht Heißes trinken. Meinst du, daß ich diese Leute hier um etwas Kaffee bitten dürfte?«
Die Nomaden hatten nämlich auf ihrem Feuer ein großes Blechgefäß stehen, in welchem sie Kaffee kochten. Der Geruch dieses Getränkes verfehlte auch auf mich seine Wirkung nicht. Ich ging also hin zu ihnen und brachte unser Anliegen vor. Ich sah ganz deutlich, daß man sich herzlich darüber freute, uns diesen Gefallen erweisen zu können. Der, welcher ihr Anführer zu sein schien, sagte:
»Herr, Ihr steigt in großer Güte zu uns nieder. Wir sind arme Leute, und dieser Kaffee wurde so bereitet, wie er sich für uns ziemt. Ihr aber sollt einen anderen, viel besseren haben, der Euer würdig ist. Habt nur einige Minuten Geduld; dann wird er fertig sein.«
Wir hätten ihn ja auch so genommen, wie sie ihn hatten; aber wenn man an Stelle des weniger Guten etwas Besseres bekommen kann, so wäre man ein Thor, es abzulehnen. Uebrigens pflegt man in jenen Gegenden dem Kaffee Gewürz beizumischen, welches nicht hinein gehört. Der, welchen sie jetzt tranken, duftete ziemlich stark nach Cardamomen, und das war weder nach meinem noch nach Halefs Geschmack. Ich erlaubte mir, ihnen dies zu sagen. Der Mann antwortete so schnell und bereitwillig, daß es mir unter anderen Umständen ganz gewiß aufgefallen wäre:
»Wir werden den Eurigen nicht würzen, Herr. Aber unsere Bohnen haben einen etwas bitteren Beigeschmack, der Euch ohne Gewürz mehr auffallen wird. Sie werden beim Händler in der Nähe einer bitteren Sache gestanden haben. Uns thut das nichts; Euch aber wird es ungewöhnlich sein.«
Die Verhältnisse in den Kaufläden des Orients sind so mangelhafte, daß es gar kein Wunder ist, wenn irgend eine Sache den Geruch oder Geschmack einer anderen »anzieht«. Daß der Kaffee ein wenig bitter schmecken werde, konnte also keinen irgend welchen Verdacht in uns erwecken; aber der Eifer, mit dem es mir gesagt wurde, hätte meine Aufmerksamkeit erregen sollen. Diese Leute hatten, wie wir später erfuhren, uns schon lange Zeit, bevor wir sie bemerkten, von der jenseitigen Höhe herabkommen sehen und sich aus ganz bestimmten Gründen bei unserer Annäherung so gestellt, als ob sie keine Ahnung von uns gehabt hätten. Zu dem Plane, den sie ausführten, gehörte ganz besonders auch der Kaffee, den sie uns angeboten hätten, wenn ich nicht von selbst mit meiner Bitte gekommen wäre.
Das Frostgefühl Halefs nahm zu. Es schüttelte ihn, und darum war es wohl begreiflich, daß er, als wir das heiße Getränk bekamen, einen großen Becher voll auf einmal leerte und ihn sich auch gleich wieder füllen ließ. Ich genoß meinen Teil langsamer. Er war stark, sehr stark. Ich nahm freilich an, daß die Ursache dieser Uebertreibung nur darin liege, daß wir für vornehme Leute gehalten wurden. Bitter war er allerdings auch, aber man hat in den fernen, einsamen Grenzbergen zwischen Khusistan und Luristan keine Ursache, den Feinschmecker herauszukehren, und so trank ich nach und nach ebenso viel wie der Hadschi – — drei große Becher voll. Ich that dies besonders in der Absicht, dadurch zum Wachen angeregt zu werden. Wir pflegten, abwechselnd zu wachen; heut aber hatte ich mir im